Polnischer Regierungschef erbost Morawiecki: "Schröder hat keine Scham, keine Gewissensbisse"
29.04.2022, 15:05 Uhr (aktualisiert) Artikel anhören
Die deutsche Abkehr von russischem Gas nennt Morawiecki "überfällig".
(Foto: AP)
Gerhard Schröder ist auch in Polen kein geachteter Elder Statesman mehr: Regierungschef Morawiecki würde dem SPD-Granden nicht einmal mehr die Hand reichen, wenn er ihn träfe. Erbost sagt er: Wen russische Kriegsgräueltaten nicht zum Umdenken bewegten, "der hat keinen Anstand".
Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki hat sich empört über Altbundeskanzler Gerhard Schröder geäußert. Schröder steht massiv in der Kritik, weil er sich trotz des russischen Angriffs auf die Ukraine nicht von seinen Posten bei russischen Energieunternehmen trennt. Morawiecki sagte der "Bild"-Zeitung: "Seine letzten Äußerungen zeigen: Dieser Mann hat nichts dazugelernt. Er hat keine Scham, keinerlei Gewissensbisse. Wir alle kennen die schrecklichen Bilder der Kriegsverbrechen aus Butscha, Hostomel und anderswo. Wen das nicht zum Umdenken bewegt, der hat keinen Anstand." Die Frage, ob er Schröder bei einem Treffen noch die Hand reichen würde, verneinte Morawiecki.
Der polnische Regierungschef erklärte weiter, er erwarte keine Entschuldigungen deutscher Politiker, die Polens Warnungen vor den Gas-Pipelines aus Russland stets ignoriert hätten. Aber, so Morawiecki: "Die Kehrtwende in der deutschen Politik war überfällig. Vergessen Sie nicht: Nord Stream 2 wurde nach dem Überfall auf die Krim und die Ost-Ukraine beschlossen. Wir Polen haben uns niemals Illusionen gemacht über die Folgen auf die Politik des Kreml. Ich sage: Lieber spät als nie."
Polens Vizeaußenminister Szymon Szynkowski vel Sek sieht sein Land für den nun erfolgten russischen Gas-Stopp gut gerüstet. Dem RND sagte er: "Wir haben uns schon seit Jahren gut auf dieses Szenario vorbereitet und schon seit 2015 schrittweise unsere Abhängigkeit von russischem Erdgas um etwa 20 Prozent zurückgefahren." Polen habe ein Terminal für Flüssiggas gebaut. Zudem produziere das Land inzwischen "etwa 20 Prozent unseres Gasbedarfs selbst", sagte Szynkowski vel Sek. Die aktuelle Versorgung sei auch gesichert, weil Polens Gasspeicher Füllstände bis zu 80 Prozent aufweisen. Der EU-Durchschnitt betrage derzeit nur 30 Prozent.
EU habe für Flüchtlingshilfe "bisher keinen Cent gezahlt"
Polen ist derzeit zudem belastet durch eine große Zahl ukrainischer Kriegsflüchtlinge. Morawiecki machte in der "Bild"-Zeitung klar, dass sein Land von der Europäischen Union Hilfsgelder zu deren Versorgung erwarte - ähnlich wie sie nach der Flüchtlingskrise 2015 für die Türkei beschlossen wurden. Morawiecki sagte, sein Land versorge verwundete Soldaten aus der Ukraine und beherberge 2,5 Millionen Flüchtlinge, "für die wir Polen unsere Türen und Herzen geöffnet haben". Er fügte an: "Dafür brauchen wir Geld." Doch für die Versorgung der Geflüchteten habe die EU "bisher keinen Cent gezahlt". Polen wolle eine faire Behandlung. "Die Türkei wurde bei der letzten Flüchtlingswelle mit Milliarden unterstützt. Ich denke: Auch wir haben jetzt EU-Hilfe verdient", sagte er.
(Dieser Artikel wurde am Donnerstag, 28. April 2022 erstmals veröffentlicht.)
Quelle: ntv.de, jog/dpa/AFP