Trump gegen Clinton "Professionalität entscheidet die Wahl"
28.07.2016, 12:24 Uhr
(Foto: dpa)
In den USA bestimmt nicht die Anzahl der Wählerstimmen, wer Präsident wird, sondern die Mehrheit im Gremium der Wahlmänner und -frauen. Entschieden werden Wahlen daher in den Swing States. Wie man dort gewinnt, erklärt Julius van de Laar, der vor vier Jahren für Barack Obama den Sieg in Ohio organisiert hat.

Julius van de Laar ist Kampagnen- und Strategieberater. Im US-Wahlkampf 2012 leitete er den Bereich Wählermobilisierung in Ohio. Schon im Wahlkampf 2008 war er hauptamtlicher Wahlkämpfer für Barack Obama.
n-tv.de: Zu Beginn des Nominierungsparteitag der Demokraten in Philadelphia ist deutlich geworden, dass viele Anhänger von Bernie Sanders große Schwierigkeiten haben, Hillary Clinton als ihre Präsidentschaftskandidatin zu akzeptieren. Wird sie es schaffen, die Parteimitglieder so zu motivieren, wie es nötig ist, damit ausreichend Freiwillige sich im Wahlkampf für sie engagieren?
Julius van de Laar: Am ersten Abend des Parteitags haben wir gesehen, dass von Bernie-Unterstützern Buh-Rufe kamen, dass die "Bernie or bust"-Bewegung, die niemanden außer Sanders unterstützen will, relativ laut ist. Gleichzeitig muss man sagen: Im Convention Center in Philadelphia befinden sich viele Sanders-Delegierte, die nicht unbedingt repräsentativ für die Stimmung in den USA sind. Eine Umfrage zeigt, dass mindestens zwei Drittel der Sanders-Anhänger vorhaben, im November Hillary Clinton zu wählen.
Der Filmemacher Michael Moore prophezeit, dass "der Halbzeitclown und Vollzeitsoziopath" Donald Trump die Wahl gewinnen wird. Nach seiner Einschätzung muss er nur die unter der Deindustrialisierung leidenden Bundesstaaten im sogenannten Rust Belt gewinnen, Michigan, Ohio, Pennsylvania und Wisconsin, dann ist er Präsident.
Die Einschätzung, dass der Rust Belt entscheidend ist, ist natürlich richtig. Das sind Swing States, die in jedem Wahlkampf eine besondere Rolle spielen und momentan liegt Trump in den Umfragen in Ohio, aber auch national vor Clinton. Die Zielgruppe, mit der sich Hillary Clinton bislang am schwersten tut, sind die relativ ungebildeten weißen Wählerinnen und Wähler. In dieser Gruppe befindet sie sich deutlich unter 20 Prozent. Genau diese Wählergruppe ist aber auch in den Rust-Belt-Staaten besonders stark: überdurchschnittlich viele Weiße – vergleichsweise wenige Angehörige von Minderheiten. Aber: Die Trump-Kampagne kann nicht auf die selbe Kampagnen-Infrastruktur zurückgreifen, die Hillary Clinton hat. Das könnte im November zum entscheidende Vorteil für Clinton werden. Die Frage ist: Kann Clinton gerade im Rust Belt ihre Wählerinnen und Wähler mobilisieren?
Und - kann sie?
Bei Latinos, Afro-Amerikanern, College-Absolventen und Frauen liegt sie deutlich vor Trump. Wenn es ihr gelingt, die sogenannte Obama-Koalition von 2008 und 2012 zu mobilisieren, gewinnt sie die Wahl. Ganz so leicht wie Obama wird sie es allerdings nicht haben. Afro-Amerikaner, Latinos und junge Wähler gehen statistisch gesehen weniger häufig zur Wahl. Dazu kommt: Sie werden eher gegen Trump stimmen als für Clinton. Gegen jemanden zu sein, ist bei Weitem nicht so mobilisierend wie es 2008 und 2012 war, als Wähler von Obama inspiriert wurden und aktiv für ihn gestimmt haben.
Sie haben 2012 in Ohio für Obama Wahlkampf gemacht. Was hat damals den Ausschlag für seinen Wahlsieg dort gegeben?
Drei wesentliche Punkte: In erster Linie war es Obama, der durch sein Charisma, Empathie und Authentizität extrem effektiv Wähler ansprechen und überzeugen konnte. Der zweite wichtige Faktor war, dass Präsident Obamas Wirtschaftspolitik in Ohio spürbar gegriffen hat und konkrete Arbeitsplätze in Ohio geschaffen hat. Drittens hat die Kampagne, die extrem professionell geführt wurde, einen echten Unterschied gemacht. Wir hatten in Ohio eine Infrastruktur von 700 hauptamtlichen Mitarbeitern aufgebaut, die so gut wie jeden Obama-Anhänger identifiziert hat und konkret ansprechen konnte. Damit war sichergestellt, dass jeder potenzielle Obama-Wähler nicht nur die individualisierte und passgenaue Wahlwerbung über TV, Print oder Onlinekanäle erhalten hat, sondern auch durch Hausbesuche kontaktiert und überzeugt wurde.

In Ohio lag Obama am Wahltag 103.481 Stimmen vor Mitt Romney.
(Foto: http://elections.nytimes.com/2012/results/president)
In Ohio hatten wir 2012 in den vier Tagen vor der Wahl 21.000 Freiwillige, die an 820.000 Türen geklopft haben – Türen von Wählern, bei denen wir mit einer hohen Wahrscheinlichkeit vorhersagen konnten, dass es Obama-Anhänger sind. Dadurch hatten wir 350.000 Kontakte, also Konversationen zwischen Freiwilligen und Wählern, in denen wir noch einmal überzeugen konnten, aber auch darauf hinweisen haben, wie wichtig es ist, zur Wahl zu gehen und wo das Wahllokal ist. Obama lag am Wahltag 103.481 Stimmen vor Mitt Romney. Es waren diese 350.000 Gespräche mit genau den richtigen Wählern, die den Unterschied gemacht haben.
Welche Form des Wahlkampfs ist in den USA die wichtigste? Sind das Kontakte an der Haustür oder Negativ-Kampagnen, wie sie von den sogenannten Super-Pacs geschaltet werden? Oder öffentliche Veranstaltungen, auf die Trump im Vorwahlkampf gesetzt hat?
Es ist eine Kombination. In den Vorwahlen hat Trump mit seinen Kundgebungen, vor allem aber mit seiner polarisierenden Rhetorik die Medien dazu bekommen, kostenlosen Wahlkampf für ihn zu machen. In der "New York Times" gab es eine Analyse, derzufolge Trump im Vorwahlkampf allein bis Januar kostenlose Medienreichweite im Wert von zwei Milliarden Dollar bekommen hat. Zum Vergleich: Jeb Bush hat in Iowa 14 Millionen Dollar ausgegeben und drei Prozent, circa 5000 Stimmen, dafür bekommen. Ein schlechtes Investment, wenn Sie mich fragen. Die eine Formel, von der man sagen kann, so funktioniert es immer, die gibt es nicht. Die Strategie muss zum Wahlkampf und zum Kandidaten passen - vor allem aber muss sie zum Wähler passen. Wahlkämpfe in den USA sind hochgradig individuell und datengetrieben. 95 Prozent des Wahlkampfes sind weiterhin die Botschaft des Kandidaten, seine Ausstrahlung und Authentizität. Aber die letzten fünf Prozent werden von der Effektivität der Kampagne entschieden. Nur dann wird der richtige Wähler im richtigen Moment mit der richtigen Botschaft über den richtigen Kanal erreicht.
Sie haben schon 2008 als Wahlkämpfer für Barack Obama gearbeitet. Damals gab es die Tea Party noch nicht – wie konnte es eigentlich dazu kommen, dass die Politik in den USA so hasserfüllt wurde?
Über diese Frage sind ganze Dissertationen geschrieben worden. Der Fakt, dass Barack Obama der erste schwarze Präsident war, hat sicherlich eine wesentliche Rolle in der Entstehung der Tea Party gespielt. Man darf nicht vergessen, dass es in den USA noch immer viele Leute gibt, für die ein Afro-Amerikaner im Weißen Haus eine Provokation ist. Rassismus war sicherlich ein entscheidender Grund, warum die Tea Party so erfolgreich war.
Mit Julius van de Laar sprach Hubertus Volmer
Quelle: ntv.de