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Maischberger zu Wagner-Aufstand "Putin hat sich Zeit gekauft"

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Pleitgen und von Fritsch teilen viele Einschätzungen.

Pleitgen und von Fritsch teilen viele Einschätzungen.

(Foto: WDR/Oliver Ziebe)

Wie geschwächt ist der russische Präsident nach der Rebellion der Wagner-Truppen? Und was ist mit dem Wagner-Chef? Prigoschin könnte Putin künftig zumindest in seiner Funktion als Sündenbock fehlen, sagt einer der Experten bei "Maischberger".

Die Revolte der Wagner-Söldner war schnell abgeblasen, dennoch dürfte sie für Russland nicht ohne Folgen bleiben. Das hoffen viele Experten in Deutschland. Dazu gehören der ehemalige deutsche Botschafter in Moskau, Rüdiger von Fritsch, und Frederik Pleitgen, internationaler Chefreporter bei CNN. Die beiden diskutieren bei Maischberger in der ARD darüber, wie es nach den Ereignissen vom Wochenende in Russland weitergehen könnte. Beide sind sich in den meisten Punkten einig.

Putins Schwäche

Seit der Rebellion am Samstag reagiere der russische Präsident Putin defensiv, erklärt von Fritsch. "Er ist in mehrfacher Hinsicht geschwächt: Er hat sich völlig verkalkuliert in seiner Marionette Prigoschin, er war unvorbereitet auf die Rebellion, er musste seinen schwachen Gehilfen Lukaschenko um Hilfe bitten, und er musste innerhalb von acht Stunden Aussagen zurücknehmen, die er vor Zeugen getroffen hatte. Und wenn man in der russischen Politik eines nicht zeigen darf, dann ist das Schwäche", analysiert der Diplomat.

Das ist der einzige Punkt, an dem die Einschätzung der beiden Experten auseinander geht. Denn Frederik Pleitgen hält Putin nicht für geschwächt. "Putin hat sich Zeit gekauft", sagt er. Die Wagner-Soldaten seien unter ihrem Führer zwar nahe an Moskau herangekommen, "aber es war relativ schnell klar, dass von den Leuten, die den Krieg für Russland führen und die auch in der Politik wichtig sind, sich niemand hinter Prigoschin gestellt hat". Zudem hätte der Wagner-Konvoi in Moskau nicht viel anrichten können. Für Putin sieht es laut Pleitgen nicht so schlecht aus: Er habe den Wagner-Chef aus dem Weg geschafft, dessen Söldner werden nach Belarus oder nach Hause gehen, sofern sie nicht der russischen Armee beitreten. Dann schränkt Pleitgen jedoch ein: "Aber wenn es auf dem Schlachtfeld weiter so schlecht läuft, dann hat Putin ein Problem, denn dann hat er niemanden mehr, auf den er das schieben kann."

Die Zukunft Prigoschins

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Als einen "Soldateska-Führer, der ein hoffnungsloser Politiker ist", beschreibt Rüdiger von Fritsch Rebellenführer Prigoschin. Seine Truppen jedoch seien gefährlich, fügt Pleitgen hinzu. Während seiner Berichterstattung aus der Ukraine ist der Journalist selbst unter den Beschuss der Milizionäre geraten. Wagner-Truppen kämpfen noch in verschiedenen afrikanischen Ländern, zum Beispiel in Mali. Prigoschin selbst habe in Sankt Petersburg eine "Trollfabrik" gegründet, will heißen, er ist in großem Stil in Sachen Cyberkriminalität unterwegs. "Und er ist möglicherweise im Schleusermilieu in Nordafrika mit engagiert und sorgt im Sinne des Kreml dafür, dass möglichst viele Migranten übers Meer nach Europa kommen", so Pleitgen. Dennoch: An Prigoschins Stelle wäre er vorsichtig beim Teetrinken, sagt der Journalist, und von Fritsch warnt: Auch Balkons im dritten Stockwerk könnten gefährlich sein. Tatsächlich werden Agenten des russischen Geheimdienstes für mehrere Giftmorde an in Ungnade gefallenen Russen verantwortlich gemacht, und sie sollen auch den einen oder anderen Sturz vom Balkon provoziert haben. Nach Meinung der beiden Experten ist Prigoschins Leben trotz seiner Beliebtheit bei den Menschen in Russland nicht mehr viel wert.

Was kommt nach Putin?

Einig sind sich von Fritsch und Pleitgen auch darin, dass die Ära Putin in Russland nicht so schnell zu Ende gehen wird. Putin sei geschwächt, aber nicht so, dass es brenzlig für ihn werden könne, ist sich Pleitgen sicher.

Von Fritsch hofft, dass nach einem möglichen Machtwechsel in Moskau eine Regierung ans Ruder kommt, die den Krieg gegen die Ukraine schnell beendet. Allerdings kann er sich auch eine noch konfrontativere Staatsführung vorstellen, es könne zu Chaos oder zu einem Zerfall Russlands kommen. "Deswegen sollte nicht das Ziel sein, Putin zu stürzen. Das Ziel muss sein, ihn in eine neue Abwägung zu bringen und ihm klarzumachen, dass er seine Macht verliert, wenn er den Krieg weiterführt. Und das könnte der Punkt der Verhandlungsbereitschaft sein", sagt von Fritsch.

Quelle: ntv.de

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