Politik

Lage in Mali immer gefährlicher Putins Söldner stehen schon bereit

Französische Soldaten in Mali - der Abzug hat allerdings bereits begonnen.

Französische Soldaten in Mali - der Abzug hat allerdings bereits begonnen.

(Foto: imago images/Hans Lucas)

Der Einsatz der Bundeswehr im afrikanischen Mali läuft noch bis Mai. Frankreich hat seinen Abzug bereits angekündigt. Russland steht mit seinen Söldnern bereit, die Lücke zu füllen. Dann droht der Konflikt vollends zu eskalieren.

Unbeachtet von der deutschen Öffentlichkeit eskaliert in Mali die Lage, und das nur wenige Wochen vor der Entscheidung des Bundestags über eine Verlängerung des weltweit größten Bundeswehr-Einsatzes. Im Norden des Landes, wo die Bundeswehr als Teil einer Blauhelm-Truppe der Vereinten Nationen (MINUSMA) stationiert ist, haben Dschihadisten eine Offensive begonnen, die für weitere Instabilität sorgt. Im Zentrum Malis sollen Mitglieder der Armee und russische Söldner ein Massaker an Zivilisten verübt haben - die Bundesregierung fordert eine schnelle Aufklärung der "schockierenden Berichte" über hunderte von Tötungen.

Ulf Laessing leitet das Sahel-Programm der Konrad-Adenauer-Stiftung mit Sitz in Bamako (Mali).

Ulf Laessing leitet das Sahel-Programm der Konrad-Adenauer-Stiftung mit Sitz in Bamako (Mali).

(Foto: KAS )

Das westafrikanische Land ist seit fast zehn Jahren Schauplatz eines der weltweit größten Blauhelm-Einsätze, welche die von Krisen geschüttelte Nation stabilisieren soll. Französische Soldaten hatten 2013 Dschihadisten vertrieben, die im Norden eine Schreckensherrschaft errichtet hatten. Doch Mali - viermal so groß wie Deutschland - ist nie wieder wirklich zur Ruhe gekommen. Der Staat kehrte nicht in die von den Franzosen befreiten Gebiete zurück. Die Folge: Dschihadisten und kriminelle Netzwerke wie Schmuggler machten sich breit und rekrutierten aus der verarmten Bevölkerung.

Schlimmer noch: Die Dschihadisten sind nun fester Teil der Gesellschaft geworden. Sie bauen einen Parallelstaat mit eigenen Strukturen, wie zum Beispiel Schulen, auf und haben sich auch im Zentrum des Landes festgesetzt. Während die deutsche Öffentlichkeit verständlicherweise auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine fokussiert ist, hat sich die Lage in Mali in den letzten Wochen noch einmal verschlechtert. Dschihadisten des "Islamischen Staats in der größeren Sahara" - ein Ableger der Terror-Gruppe aus dem Nahen Osten - haben im Norden Territorium erobert und angeblich hunderte Mitglieder der Tuareg-Volksgruppe getötet. Sie planen nach Informationen aus militärischen Quellen einen weiteren Vorstoß, diesmal Richtung der Großstadt Gao, wo auch die Bundeswehr stationiert ist.

Frankreich hat Abzug bereits begonnen

Die Zentralregierung in Bamako kontrolliert mithilfe der MINUSMA immer noch die großen Städte im Norden, aber es wird auch dort ungemütlicher. Die früheren Tuareg-Rebellengruppen, die 2012 die Unabhängigkeit des Nordens ausriefen, bevor sie von Dschihadisten vertrieben wurden, haben sich vereinigt. Sie waren lange zerstritten, haben aber nun das Kriegsbeil begraben, um mit der Zentralregierung über mehr Hilfen für den benachteiligten Norden zu verhandeln.

Wie die Dschihadisten bereiten sich die Ex-Rebellen aber auch auf den Abzug der französischen Armee bis Sommer vor, die im Norden neben der MINUSMA die Sicherheit garantiert hat. Terroristen und Banditen spüren, dass der Verfolgungsdruck des Anti-Terror-Einsatzes Frankreichs nachlässt. Die französische Armee hat mit dem Rückzug aus Mali begonnen, nachdem sich beide Nationen zerstritten hatten - die Militärregierung in Bamako wollte die Dominanz der früheren Kolonialmacht beenden und hat sich Russland als militärischen Partner ins Land geholt. Doch ohne die Franzosen mit ihren Kampfhubschraubern wird der Bewegungsspielraum von MINUSMA und der Bundeswehr - die beide kein Mandat zum Kämpfen haben - eingeschränkt. Westliche Militärs befürchten, dass sich die Sicherheitslage im Norden weiter verschlechtern wird.

Bis zu 1000 Russen in Mali

Während sich Frankreich zurückzieht und in Deutschland und anderen westlichen Bündnispartnern die Zweifel am Mali-Engagement wachsen, findet in dem westafrikanischen Land noch eine ganz andere gefährliche Entwicklung statt: Russland expandiert stark militärisch. Moskau schickte Ende Dezember Kampfhubschrauber, Ausbilder und Söldner der Wagner-Gruppe nach Mali und eskalierte damit den Streit mit Frankreich.

Diplomaten hatten erwartet, dass Russland die Wagner-Kämpfer - darunter sind angeblich auch Spezialkräfte - für die Ukraine-Invasion abziehen wird. Doch das Gegenteil scheint der Fall: Letzte Woche schickte Russland zwei weitere Hubschrauber sowie angeblich auch Radargeräte, die Mali nach dem Abzug der Franzosen für die Luftüberwachung braucht. Es sind nach Schätzungen bis zu 1000 Russen in Mali, die aktiv in die Kämpfe im Zentrum eingreifen. Mali bestreitet die Präsenz von Wagner-Kämpfern und betont, es handele sich um eine offizielle Militärkooperation mit Russland.

Malis Militärregierung hat die Russen ins Land geholt, um schnell Geländegewinne im Zentrum des Landes zu machen, wo sich ursprünglich aus dem Norden kommende Dschihadisten ebenfalls festgesetzt haben. Sie nutzen lokale Konflikte aus, um sich etwa mit benachteiligten Bevölkerungsgruppen zu verbünden. Sie heiraten in Dörfer und lokale Strukturen ein und sind von der Zivilbevölkerung kaum noch zu unterscheiden - sie sind der neue Parallelstaat. Hierfür gibt es keine militärische Lösung.

Russische Methoden

Beobachter hatten mit der Ankunft der angeblichen Wagner-Söldner Menschenrechtsverletzungen befürchtet, wie sie immer wieder aus Libyen, Syrien und der Zentralafrikanischen Republik berichtet wurden. Dort waren die Söldner willkürlich gegen Zivilisten und zivile Infrastruktur vorgegangen, und genau dies ist nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) und übereinstimmenden Medienberichten nun auch letzte Woche im Zentrum Malis geschehen. Bis zu 400 Menschen sollen demnach in der Kleinstadt Moura bei einem mehrtägigen Einsatz der malischen Armee mit russischen Söldnern getötet worden sein.

Es begann mit einer Schießerei mit Dschihadisten, welche die Stadt und Umgebung kontrollieren, und endete nach Angaben von HRW mit Verhaftungen und Exekutionen von Dorfbewohnern. Es ist unbestritten, dass Dschihadisten in dem Operationsgebiet stark aktiv sind und den Dorfbewohnern ihre harschen Regeln aufzwingen. Doch da die Kämpfer so schwer von Zivilisten zu unterscheiden sind, ist es wichtig, militärisch "behutsam" vorzugehen, um keine zivilen Opfer zu riskieren und den Terroristen damit weiter in die Hände zu spielen.

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Die malische Armee beteuert, dass sie nur Terroristen getötet habe, 203 um genau zu sein. Einige westliche Beobachter sagen, dass die Russen der malischen Armee ihre Methoden aufzwingen und Mali "manipulieren". Verluste der Streitkräfte wurden allerdings nicht gemeldet - das hat viele misstrauisch gemacht. Die Bundesregierung, die Vereinten Nationen und die Vereinigte Staaten haben Mali aufgefordert, eine unabhängige Untersuchung zuzulassen. MINUSMA hat bislang keine Erlaubnis bekommen, Moura zu besuchen, und Mali hatte bereits im Januar Drohnen-Flüge der Mission über Regionen in Zentralmali - wo die Russen überwiegend tätig sind - untersagt.

Die angebliche Tötung von Zivilisten sind eine Belastung für künftige Gespräche von Vertretern der Bundesregierung mit Mali im Vorfeld der Bundestags-Entscheidung über eine Mandatsverlängerung. Bamako erhofft sich viel von Deutschland, das als einer der engsten westlichen Partner gilt. Deutschland war das erste Land, das Mali nach seiner Unabhängigkeit anerkannt hat. Deutsche Vertreter sollten deswegen deutliche Worte wählen, was die Präsenz russischer Wagner-Söldner in Mali angeht, aber auch die Bereitschaft unterstreichen, grundsätzlich mit Mali weiter zusammenzuarbeiten. Die Stabilität des Sahel-Raumes ist in deutschem Interesse, und ein Abzug würde bedeuten, in Mali Russland und der Wagner-Privatarmee das Feld zu überlassen. Wir müssen die Koordination zwischen Entwicklungszusammenarbeit und Militärhilfe verbessern und unsere Instrumente überarbeiten - was insbesondere die als ineffektiv geltende Ausbildungsmissionen der Europäischen Union für Armee und Polizei angeht -, aber wir sollten Mali nicht alleine lassen.

Quelle: ntv.de

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