Geheimdienstchefs schlagen Alarm "Putins Verhalten ist Kriegserklärung an den Westen"
17.10.2022, 12:20 Uhr
BND-Chef Kahl (r.) im Gespräch mit dem Chef des Bundeskanzleramts, Schmidt, Ende August.
(Foto: picture alliance/dpa)
Der Chef des Bundesnachrichtendienstes fordert mehr Wertschätzung für die Arbeit deutscher Geheimdienste. Ihre Erkenntnisse, etwa zum Ukraine-Krieg, werden in seinen Augen zu oft als Panikmache abgetan. Stattdessen würden die Ergebnisse zeigen, dass Deutschland seine Sicherheitsbehörden brauche.
Der Bundesnachrichtendienst (BND) hat sich wenig überrascht von der russischen Aggression gegen die Ukraine und den Westen gezeigt. Das erklärte Behördenchef Bruno Kahl in Berlin in einer öffentlichen Sitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums des Bundestags. Vielmehr habe der BND immer darauf hingewiesen, dass Wladimir Putin - wie schon in Tschetschenien, Georgien, Syrien, auf der Krim und im Donbass - auch weiterhin Gewalt anwenden werde, um seine politischen Ziele durchzusetzen.
"Was für uns das Ergebnis professioneller nachrichtendienstlicher Arbeit ist, hat weite Teile der deutschen Bevölkerung aufgerüttelt, da es im öffentlichen Diskurs der letzten Jahrzehnte bedauerlicherweise üblich geworden war, reale Bedrohungen immer wieder zu ignorieren und zu verdrängen - und entsprechende Warnungen der Sicherheitsbehörden als Panikmache und Wichtigtuerei abzutun", kritisierte Kahl. Ereignisse wie der Ukraine-Krieg zeigten, weshalb Deutschland seine Sicherheitsbehörden brauche. Hier müsse man ansetzen, statt den Bürgerinnen und Bürgern immer wieder unnötig "Angst vor ihren eigenen Sicherheitsbehörden zu machen".
Der BND geht auf Basis seiner Erkenntnisse davon aus, dass beim Krieg in der Ukraine nicht in erster Linie das Staatsgebiet der Ukraine im Fokus steht. Der am 24. Februar begonnene Krieg sei eine "Kriegserklärung" gegen die gesamte westliche demokratische Welt. Beide Konfliktparteien suchten nach wie vor die Entscheidung auf dem Schlachtfeld. Kahl rechne daher mit einer Fortsetzung der Kampfhandlungen bis ins nächste Jahr.
China ist weitere Bedrohung
Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, berichtete zudem, seine Behörde habe die Zahl der Mitarbeiter ihrer Spionageabwehr verstärkt sowie diese Abteilung enger mit der Cyberabwehr verzahnt. Zu den anderen aktuellen massiven Bedrohungen zähle auch "ein zur Globalmacht aufsteigendes autokratisches China", sagte Kahl. Die Präsidentin des Militärischen Abschirmdienstes, Martina Rosenberg, sagte, neben russischen Ausspähaktivitäten seien auch nachrichtendienstliche Aktivitäten Chinas gegen die Bundeswehr "seit Jahren auf hohem Niveau".
Das Geheimdienst-Kontrollgremium tagt normalerweise geheim. Einmal im Jahr findet die Befragung der Chefs der Nachrichtendienste des Bundes öffentlich statt.
Quelle: ntv.de, als/dpa