Nach PCR-Test-Verweigerung Putins langer Tisch kommt auch bei Scholz zum Einsatz
15.02.2022, 18:33 Uhr
Bei seinem Besuch im Kreml nahm Kanzler Scholz an dem verzierten, sechs Meter langen Tisch Platz, um mit Präsident Putin über die Ukraine-Krise zu sprechen.
(Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS)
Ein Möbelstück im Kreml beim Empfang von internationalen Regierungschefs sorgt derzeit für großes Interesse. Sechs Meter Abstand schafft der verzierte Tisch zwischen Putin und seinem jeweiligen Gast. Diese Sitzordnung wird auch beim Kanzler genutzt, einen politischen Grund streitet Moskau ab.
Schon beim Besuch von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron in Moskau machte er von sich reden, nun auch bei Bundeskanzler Olaf Scholz' Visite: Wladimir Putins überdimensionierter Tisch. Die weiße, verzierte, sechs Meter lange Tafel des russischen Staatschefs lenkte heute erneut zunächst vom ernsten Inhalt des Gesprächs über die Ukraine-Krise ab.
Der Kreml verweist bei dem merkwürdigen Arrangement auf das Corona-Protokoll. Nach Macrons Besuch zirkulierten im Internet zahllose Memes und Witze zu dem Tisch, in politischen Kreisen wurde über die symbolische Bedeutung der großen Distanz zwischen den Gesprächspartnern spekuliert. Der Kreml nahm schließlich - durchaus pikiert - Stellung: "Das hängt damit zusammen, dass einige ihre eigenen Regeln befolgen und nicht mit der Gastgeberseite zusammenarbeiten", sagte Putins Sprecher Dmitri Peskow. Macron habe sich geweigert, dem Corona-Protokoll zu folgen.
Putin, der äußerst extreme Maßnahmen zum Schutz vor dem Coronavirus aufrecht erhält, hatte in den vergangenen Wochen einige ausländische Staats- und Regierungschef auch näher an sich herangelassen, darunter der chinesische Präsident Xi Jinping. Diese hatten sich jedoch offenbar auf einen russischen PCR-Test eingelassen. Macron lehnte dies ab. Ein französischer Regierungsmitarbeiter erläuterte die Weigerung von Macron gegenüber Reuters wie folgt: "Wir wissen sehr wohl um die Bedeutung des Verzichts auf einen Handschlag und eines langen Tisches. Aber wir konnten nicht zulassen, dass die an die DNA des Präsidenten kommen."
Moskau: Räumliche Distanz nicht politisch gemeint
Dennoch war mit Spannung erwartet worden, wie es Scholz in Moskau ergehen würde. Schließlich hatte auch er den russischen PCR-Test abgelehnt, wie die ntv-Reporterin Heike Boese berichtete. Aus Regierungskreisen hieß es verhalten, Scholz habe sich bei seiner Ankunft am Flughafen in Moskau von einer Ärztin der deutschen Botschaft auf Corona testen lassen. Ein Testgerät sei aus Deutschland mitgeführt worden. Scholz sowie die gesamte Delegation mussten sich vor der Abreise drei PCR-Testungen unterziehen. Die russischen Gesundheitsbehörden seien eingeladen worden, bei dem Test dabei zu sein, hieß es aus dem Umfeld des Kanzlers.
Dieses Angebot reichte für eine Änderung der Sitzordnung offenbar nicht aus: Scholz nahm ebenfalls sechs Meter entfernt von Putin am entgegengesetzten Ende des berühmten Tisches Platz. Laut ntv-Informationen hegt Scholz anders als Macron aber keine Befürchtung vor DNA-Klau. Vielmehr würde sich an internationale Gepflogenheiten gehalten, heißt es.
Tischhersteller meldet sich zu Wort
Moskau betonte, die distanzierte Tischplatzierung habe keinen politischen Grund. Die physische Distanz "beeinträchtigt in keiner Weise die Verhandlungen". Nicht nur Macron und Scholz nahmen bisher an der mittlerweile im Netz berühmten Tafel Platz, sondern auch der ungarische Präsident Viktor Orbán saß schon dort und selbst der russische Außenminister Sergej Lawrow. Beim Besuch des chinesischen Präsidenten Xi Jinping Anfang Februar, dem Putin politisch bekannterweise näher steht, kam der Endlos-Tisch zwar nicht zum Einsatz, aber auch da wählte Putin ein Sitzarrangement mit Abstand.
Der italienische Hersteller hat sich mittlerweile in der Zeitung "Corriere della Sera" mit Details zu dem gigantischen, weiß lackierten Hingucker gemeldet. Der besondere Konferenztisch sei aus Holz gefertigt und mit handgemachten Ornamenten und Blattgold verziert. Die Platte sei aus einem Stück gefertigt, was die anspruchsvolle Machart unterstreiche. Die Tischplatte sei aber nicht wegen der Pandemie so lang geworden, sagte Renato Pologna da Cantù. "Es mag für den Zweck nützlich sein, aber die Länge hat sicherlich nichts mit der Pandemie zu tun. Ich habe den Tisch vor 25 Jahren gemacht." Pologna da Cantù schätzt den Wert derzeit auf 100.000 Euro.
Quelle: ntv.de, ysc/AFP/rts