Angriffe trotz Verhandlungen Rakete trifft Amtsgebäude in Mykolaiw - mindestens sieben Tote
29.03.2022, 14:35 Uhr
Russland setzt die Bombardierung ukrainischer Städte auch während der Friedensgespräche in Istanbul fort. Während im Nordwesten der Ukraine ein Treibstofflager zerstört wird, richtet sich der Angriff in der Hafenstadt Mykolaiw gegen ein Verwaltungsgebäude mit Dutzenden Mitarbeitern.
Ungeachtet neuer Verhandlungen zwischen russischen und ukrainischen Unterhändlern in der Türkei setzen russische Truppen ihr Bombardement im Nachbarland fort. So sei ein großes Treibstofflager der ukrainischen Streitkräfte in der nordwestlichen Region Riwne mit Marschflugkörpern zerstört worden, meldete die russische Nachrichtenagentur Interfax unter Berufung auf das russische Verteidigungsministerium.
In der südukrainischen Hafenstadt Mykolaiw wurden nach Angaben des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj bei einem russischen Raketenangriff auf ein Verwaltungsgebäude mindestens sieben Menschen getötet. 22 Menschen seien verletzt worden. 18 von ihnen seien aus den Trümmern gerettet worden. Die Trümmer würden derzeit noch durchkämmt auf der Suche nach weiteren Opfern, sagte Selenskyj in einer Videobotschaft vor dem dänischen Parlament.
Eine russische Rakete sei in das Gebäude der Regionalverwaltung eingeschlagen, erklärte Gouverneur Vitali Kim. Die Hälfte des Gebäudes sei zerstört, auch sein Büro sei betroffen. "Sie haben mein Arbeitszimmer getroffen, die Bastarde", sagte er bei Telegram. Er zeigte ein Foto mit einem riesigen Loch und Trümmern im Verwaltungsgebäude sowie den Mitschnitt einer Überwachungskamera mit der mutmaßlichen Rakete. "Die meisten Menschen sind wie durch ein Wunder davongekommen", sagte Kim. 50 bis 100 Mitarbeiter hätten sich retten können. Der Angriff zeige aber auch, dass Russland den Versuch aufgegeben habe, die Stadt einzunehmen.
Die russischen Streitkräfte haben die Hafenstädte wie Cherson, Mykolaiw und Mariupol angegriffen, um die Ukraine vom Schwarzen Meer abzuschneiden und einen Landkorridor von Russland zur 2014 annektierten Halbinsel Krim zu schaffen. Nach Angaben des britischen Militärgeheimdienstes halten die ukrainischen Streitkräfte jedoch weiter das Zentrum von Mariupol. In mehreren Gebieten nordwestlich von Kiew sei es der ukrainischen Armee zudem gelungen, russische Truppen zurückzudrängen.
Russland erwartet schnelles Verhandlungsergebnis
Währenddessen begann am Vormittag in Istanbul die neue Verhandlungsrunde zwischen der Ukraine und Russland. Die russische Regierung rechnet damit, dass sich noch im Laufe des Dienstags oder am Mittwoch herausstellen wird, ob die russisch-ukrainischen Friedensgespräche in der Türkei erfolgreich sein werden. Die Gespräche, die zuletzt per Videokonferenz fortgesetzt wurden, finden diesmal auf Vermittlung des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan im Rahmen direkter Gespräche in der türkischen Bosporus-Metropole statt. Die Türkei hatte auch schon Gespräche der Außenminister der Ukraine und Russlands ausgerichtet. Erdogan hatte zuvor gesagt, dass die Ukraine schon viele der russischen Forderungen erfüllt habe.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte am Wochenende in einem Interview mit russischen Medien gesagt, dass man prüfen werde, ob die Ukraine auch einen neutralen Status annehmen könne. Damit würde das Land auf die bisher angestrebte NATO-Mitgliedschaft verzichten. Dies ist eine der russischen Forderungen. "Sicherheitsgarantien und Neutralität, nicht-nuklearer Status unseres Staates. Wir sind bereit, uns darauf einzulassen", sagte Selenskyj auf Russisch.
Allerdings hatte Russland dem Land bereits die territoriale Integrität im Gegenzug zur Abgabe der sowjetischen Atomwaffen zugesagt und dennoch 2014 die ukrainische Halbinsel Krim annektiert. Allerdings veränderte die Führung in Moskau in den vergangenen Tagen ihre Rhetorik. Auch der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu sprach am heutigen Dienstag davon, dass das Hauptziel nun die Eroberung der Donbass-Region in der Ostukraine sei.
Westliche Regierungen führen dies auf die mangelnden Erfolge der russischen Truppen zurück. In dem Krieg sollen nach Angaben der Ukraine und aus westlichen Sicherheitskreisen bereits mehrere Zehntausend Menschen gestorben sein. Die UN sprechen zudem von 3,5 Millionen Flüchtlingen aus der Ukraine.
Quelle: ntv.de, spl/rts/AFP