Politik

Erstmals seit Israels Offensive Raketenalarm auch in Jerusalem

Die Stimmung in Jerusalem ist am heutigen jüdischen Fasten- und Trauertag Tischa B'Av besonders angespannt.

Die Stimmung in Jerusalem ist am heutigen jüdischen Fasten- und Trauertag Tischa B'Av besonders angespannt.

(Foto: picture alliance/dpa/AP)

"Jetzt ist die Zeit für Widerstand, nicht für Waffenstillstand." Der Islamische Dschihad reagiert auf Israels Angriffe und feuert Hunderte Raketen ab. Aus Jerusalem wird von Explosionen berichtet. Eine Eskalation am heutigen jüdischen Feiertag Tischa B'Av war befürchtet worden.

Erstmals seit Beginn der israelischen Militäroperation im Gazastreifen hat es auch in Jerusalem Raketenalarm gegeben. Nach Militärangaben heulten im Umkreis der Stadt am Morgen die Warnsirenen. Einwohner berichteten von Explosionen. Seit Freitag wurden nach Militärangaben mehr als 400 Raketen aus dem Gazastreifen auf Israel abgefeuert. Nach Angaben des israelischen Rettungsdienstes wurden 21 Menschen im Krankenhaus behandelt. Es war befürchtet worden, dass sich die Lage am heutigen jüdischen Fasten- und Trauertag Tischa B'Av weiter zuspitzen könnte. Religiöse Juden betrauern an dem Tag die Zerstörung der beiden antiken Tempel in Jerusalem.

Die im Gazastreifen herrschende islamistische Hamas-Organisation hatte am Vorabend dazu aufgerufen, die Al-Aksa-Moschee auf dem Tempelberg "zu verteidigen und sich den israelischen Übergriffen auf die heilige Stätte entgegenzustellen". Der Tempelberg mit dem Felsendom und der Al-Aksa-Moschee ist die drittheiligste Stätte im Islam. Bislang hatte sich die Hamas im jüngsten Konflikt mit Israel zurückgehalten. Die israelischen Luftangriffe galten vor allem der zweitstärksten Palästinenserorganisation im Gazastreifen, dem Islamischen Dschihad (PIJ).

In der Nacht hatte die israelische Armee erneut mehrere Ziele im Gazastreifen angegriffen. Verteidigungsminister Benny Gantz habe am Samstagabend die Streitkräfte angewiesen, die operativen Bemühungen fortzusetzen, so sein Büro. Militante Palästinenser reagierten mit massivem Raketenbeschuss. Eine Antwort auf Vermittlungsversuche Ägyptens steht weiter aus.

Palästinenser zählen 24 Tote nach israelischen Angriffen

Seit Beginn der israelischen Luftangriffe am Freitag starben nach Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums 24 Menschen. Mindestens 215 seien verletzt worden. Unter den Toten sind demnach neben weiteren PIJ-Mitgliedern sechs Kinder und zwei Frauen. Palästinensische Berichte, wonach das israelische Militär für den Tod von fünf Kindern und einem Erwachsenen im Flüchtlingslager Dschabalia verantwortlich gemacht wird, wies Israel zurück. "Basierend auf Militärdaten scheint es, dass das Ereignis auf eine fehlgeleitete Rakete des Islamischen Dschihads zurückgeht", teilte das Militär mit.

Nach Angaben aus palästinensischen Sicherheitskreisen wurden bei den Angriffen am Samstag drei Wohnhäuser getroffen. Ein fünfstöckiges Wohnhaus westlich von Gaza-Stadt sei demnach zerstört worden. Anwohner berichteten, dass israelische Drohnen zuvor eine Warnrakete auf das Gebäude abfeuerten, bevor Kampfjets das Gebäude angriffen. Das israelische Militär teilte mit, dass bei der Militäroperation lediglich Waffenproduktionsstätten, Raketenabschussanlagen und Waffenlager zerstört wurden. Berichte über getötete Zivilisten seien bekannt und würden untersucht, sagte ein Vertreter des Militärs am Samstag.

Das israelische Militär hatte am Freitag die großangelegte Militäraktion "Morgengrauen" gegen den Islamischen Dschihad gestartet. Dabei wurden der Militärchef Taisir al-Dschabari und weitere PIJ-Mitglieder getötet. Al-Dschabari war dem Militär zufolge verantwortlich für Raketenangriffe aus dem Küstenstreifen und geplante Angriffe auf Zivilisten.

"Zeit für Widerstand, nicht für Waffenstillstand"

In der Nacht zu Sonntag teilte die israelische Armee mit, sie habe einen erfolgreichen Schlag gegen den Islamischen Dschihad geführt. "Die hochrangige Führung des militärischen Flügels des Islamischen Dschihads in Gaza wurde neutralisiert", teilte der Leiter der Operationsabteilung, Generalmajor Oded Basiok, mit - ohne näher zu erläutern, was neutralisieren genau bedeutet. Eine Bestätigung der militanten Palästinenserorganisation liegt noch nicht vor. Es sei nach palästinensischen Angaben unklar, ob der südliche Kommandeur des Islamischen Dschihads, Chalid Mansur, bei dem Angriff in der Stadt Rafah ums Leben kam, hieß es. Rettungskräfte suchten demnach in der Nacht in den Trümmern nach Überlebenden.

Der Islamische Dschihad selbst äußerte sich bislang nicht dazu, wie viele seiner Mitglieder bei den bisherigen Angriffen ums Leben gekommen sind. Eine Waffenruhe scheint nicht in Sicht. "Jetzt ist die Zeit für Widerstand, nicht für Waffenstillstand", sagte ein Vertreter zu Reuters. 2019 hatte Israel bereits Al-Dschabaris Vorgänger, Baha Abu al-Ata, getötet. Darauf folgten massive Raketenangriffe. Nach einigen Tagen konnte mithilfe von Unterhändlern Ägyptens und der Vereinten Nationen eine Waffenruhe vereinbart werden.

UN-Sicherheitsrat tagt am Montag

Der ägyptische Präsident Abdel Fattah al-Sisi sagte am Samstag, seine Regierung bemühe sich, Kämpfe und andere Gewaltakte zwischen beiden Seiten zu vermeiden, wie die staatliche Nachrichtenseite "Al-Ahram" berichtete. Berichten aus Gaza zufolge sollen sich auch die Vereinten Nationen und Katar um Vermittlung bemühen.

Der Eskalation vorangegangen war die Festnahme eines Anführers des Islamischen Dschihads im Westjordanland, Bassem Saadi, am Montag. Israel sperrte über mehrere Tage hinweg Gebiete am Rande des Küstenstreifens ab und erhöhte die Alarmbereitschaft. Berichten zufolge soll es konkrete Pläne eines Angriffs auf israelische Zivilisten gegeben haben.

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Israels Streitkräfte hatten sich im vergangenen Jahr einen elftägigen Konflikt mit militanten Palästinensern im Gazastreifen geliefert. Nach palästinensischen Angaben starben dort 255 Menschen, in Israel kamen israelischen Behörden zufolge 13 Menschen ums Leben. Mehr als 4000 Raketen wurde aus dem Gazastreifen abgefeuert. Ägypten vermittelte eine Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas.

Die aktuellen israelischen Luftangriffe im Gazastreifen sollen am kommenden Montag den UN-Sicherheitsrat in New York beschäftigen. Aus Diplomatenkreisen verlautete am Samstag, dass ein Treffen des mächtigsten Gremiums der Vereinten Nationen von den Vereinigten Arabischen Emiraten, Irland, Frankreich, Norwegen und China angefragt worden sei. Eine Uhrzeit steht noch nicht fest. Das Treffen soll hinter verschlossenen Türen stattfinden.

Quelle: ntv.de, fzö/rts/dpa

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