Prozessauftakt in Istanbul Richter lehnt Freispruch von Yücel ab
28.06.2018, 14:51 Uhr
War nicht bei seinem Prozessauftakt anwesend: Deniz Yücel.
(Foto: picture alliance / Karlheinz Sch)
In Abwesenheit des Angeklagten hat in Istanbul der Prozess gegen Deniz Yücel begonnen. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Journalisten Terrorpropaganda und Volksverhetzung vor. Einen Freispruch lehnt das Gericht vorerst ab. Kritiker sprechen von einer "Willkürjustiz".
Am ersten Tag des Prozesses gegen den "Welt"-Korrespondenten Deniz Yücel in der Türkei hat der Richter einen Freispruch des Angeklagten abgelehnt. Die Bedingungen dafür seien unter anderem "wegen der Schwere der Anklage nicht gegeben", sagte er im Gericht im Istanbuler Stadtviertel Caglayan. Außerdem müssten erst noch Beweise geprüft werden. Yücel war vor Gericht nicht anwesend.
Der Richter forderte außerdem eine "schriftliche Aussage" von Yücel. Eine Videoaussage, wie von Yücels Anwalt Veysel Ok vorgeschlagen, wollte er nicht akzeptieren. Das Gericht vertagte sich nach einer knappen Dreiviertelstunde Verhandlungsdauer auf den 20. Dezember. Auch an dieser Sitzung wird Yücel nicht teilnehmen. Nach seiner Freilassung aus türkischer Untersuchungshaft war er im Februar aus der Türkei ausgereist.
Die Staatsanwaltschaft wirft Yücel Terrorpropaganda und Volksverhetzung vor. Die mit drei Seiten ungewöhnlich kurze Anklageschrift stützt sich vor allem auf einige Artikel von Yücel, zusätzliche Beweise sind nicht enthalten. Die Anklageschrift sei damit "eine große Enttäuschung" für die Verteidigung und die Öffentlichkeit gewesen, sagte Anwalt Ok. Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hatte Yücel in der Vergangenheit einen Terroristen und einen deutschen Agenten genannt.
"Willkürjustiz" in der Türkei
Yücel hatte sich am 14. Februar 2017 freiwillig der türkischen Justiz gestellt, nachdem er aus den Medien erfahren hatte, dass gegen ihn im Zusammenhang mit Enthüllungen der Hackergruppe Redhack zu Energieminister Berat Albayrak ermittelt werde. Danach saß er ein Jahr ohne Anklage in Untersuchungshaft. Daran erinnerte Ok laut der Medienrechtsorganisation MLSA vor Gericht. Mitte Februar kam Yücel frei. Der Fall hatte zu einer schweren Krise zwischen Deutschland und der Türkei geführt.
Nach Angaben von Anwalt Ok könnte der Journalist zu bis zu 18 Jahren Haft verurteilt werden. Vor Prozessbeginn sagte er: "Wenn die Richter sich an die Gesetze und an die Verfassung halten, muss Deniz in der ersten Sitzung freigesprochen werden." Er kritisierte die rechtswidrige Inhaftierung für Yücels journalistische Arbeit und sprach von einem "politischen Prozess".
Vor der neuen Anhörung forderte auch Reporter ohne Grenzen die Einstellung des Prozesses. Er sei eine "Farce", alles andere als ein Freispruch wäre "unerträglich", erklärte die Organisation. Die Linken-Abgeordnete Sevim Dagdelen forderte ebenfalls einen Freispruch. In der Türkei herrsche eine "Willkürjustiz", Journalismus sei "kein Verbrechen", mahnte die Vize-Fraktionsvorsitzende.
Quelle: ntv.de, lri/dpa/AFP