Rückkehr auf X angedeutet Robert Habeck wird Kanzlerkandidat der Grünen
08.11.2024, 08:56 Uhr
Habeck wird für die Grünen als Spitzenkandidat für das Kanzleramt ins Rennen gehen.
(Foto: picture alliance/dpa)
Die Grünen gehen mit Robert Habeck als Spitzenkandidat in die Bundestagswahl 2025. Dies erfährt ntv aus Parteikreisen. Im Laufe des Tages soll Habeck seine Kandidatur offiziell verkünden. Kurz zuvor sorgt bereits seine Rückkehr in soziale Medien für Aufsehen.
Vizekanzler Robert Habeck wirft im Rennen um das Kanzleramt seinen Hut in den Ring: Der Bundeswirtschaftsminister will heute seine Kanzlerkandidatur für die Grünen bekannt geben, wie ntv aus Parteikreisen erfuhr.
Die Kür zum Spitzenmann der Grünen ist für den Bundesparteitag geplant, der am Freitag kommender Woche in Wiesbaden beginnt. Dort wird Habeck um die Unterstützung der Delegierten werben, um mit Rückenwind in den Wahlkampf zu starten. Habeck hatte schon im September angekündigt, dass er auf dem Parteitag eine geheime Abstimmung und ein ehrliches Votum über eine mögliche Kandidatur wünsche.
Habeck hatte den Schritt bereits am Vortag in sozialen Medien angedeutet. Fast sechs Jahre nach seinem Abschied von Twitter und Facebook meldete er sich auf der Plattform X zurück. "Orte wie diesen den Schreihälsen und Populisten zu überlassen ist leicht. Aber es sich leicht zu machen kann nicht die Lösung sein. Nicht heute. Nicht in dieser Woche. Nicht in dieser Zeit. Deshalb bin ich wieder auf X", heißt es in einem Post des Grünen-Politikers. Auch auf Instagram gibt es jetzt wieder einen Account von Habeck.
Kettchen mit "Kanzler Era"-Aufschrift
In einem weiteren Post ist Habeck zu sehen, wie er ein Textmanuskript redigiert. Im Hintergrund steht ein Kalender, auf dem der 8. November, also der heutige Freitag, rot umrandet ist. Dazu summt er die Melodie des Hits von Herbert Grönemeyer "Zeit, dass sich was dreht". Diesen hatte die Junge Union kürzlich bei ihrem Deutschlandtag gespielt, woraufhin der Sänger der CDU untersagte, ihn für Wahlkampfauftritte zu nutzen. In dem Video trägt Habeck zwei Kettchen ums Handgelenk. Auf denen steht: "Kanzler Era" - Kanzler Ära.
Habeck steht für einen Realo-Kurs und hofft, Wähler aus der Mitte zu gewinnen. Als Vizekanzler hat er Kompromisse mit ausgehandelt, die dem linken Flügel seiner Partei übel aufstießen - so zum Beispiel Verschärfungen in der Migrationspolitik. Mit der Abgrenzung zur eigenen Partei, mit der er immer wieder kokettierte, kann es Habeck als Kandidat aber nicht zu weit treiben - ihr Kreuzchen machen Wählerinnen und Wähler schließlich immer noch bei einer Partei.
Auch seine internen Kritiker wissen, dass Habeck eines der Zugpferde der Partei ist, wenn auch nach mehreren Jahren als Minister ein einigermaßen lädiertes, etwa mit Blick auf das Heizungsgesetz. Im Rededuell mit CDU-Chef Friedrich Merz und SPD-Spitzenmann Olaf Scholz von der SPD dürfte er mit Charisma punkten. Allerdings birgt Habecks Liebe zur spontanen Rede Risiken: Er trifft den falschen Ton oder vertut sich mit Fakten.
Lange ein offenes Geheimnis
Die Personalie war schon lange ein offenes Geheimnis. Im Juli hatte Habecks einzige ernst zu nehmende Konkurrentin, Außenministerin Annalena Baerbock, erklärt, dass sie keine Kanzlerkandidatur verfolgen wolle. Ende September sagte sie in der ARD: "Robert Habeck ist derjenige, der uns in den Bundestagswahlkampf führt."
Habeck selbst hat sein Interesse an der Spitzenposition bereits mehr als deutlich gemacht. So sagte er Ende September im ZDF, beim Parteitag solle man eine sehr ehrliche Debatte darüber führen, "wer wir sein wollen, was wir in den Regierungsjahren gemacht haben, was wir geleistet haben und welche Personen - und ob ich eine der Personen sein kann, die diese Partei dann in den nächsten Jahren nach vorne führt".
Das Verhältnis zwischen Baerbock und Habeck ist nicht unbelastet, nachdem sie sich 2021 als Kanzlerkandidatin der Grünen gegen Habeck durchsetzte. Im nun anstehenden neuen Bundestagswahlkampf wollen beide aber an einem Strang ziehen.
Schwache Umfragewerte
Die Chancen, tatsächlich ins Kanzleramt einzuziehen, sind für Habeck allerdings begrenzt. In Umfragen liegt seine Partei derzeit bei schlappen 9 bis 11 Prozent. Grüne verweisen an dieser Stelle gern auf die nur um ein paar Prozentpunkte besseren Umfragewerte der SPD, die auch einen Kanzlerkandidaten ins Rennen schickt.
Wie einen Klotz am Bein schleppt Habeck die schlechte Wirtschaftslage in Deutschland mit. Er selbst erklärt die Situation unter anderem mit dem Verlust russischer Energieimporte infolge des Angriffskriegs gegen die Ukraine und verschleppten Reformen der Vorgängerregierungen. Doch als Wirtschaftsminister wird er das Thema kaum abschütteln können.
Wie er sich den Bundestagswahlkampf vorstellt, das skizzierte Habeck Ende August bei einem Wahlkampfauftritt in Sachsen, wo seine Partei wenige Tage später herbe Verluste einstecken musste und mit Ach und Krach den Wiedereinzug in den Landtag schaffte. Habeck glaubt an die Möglichkeit eines Stimmungsumschwungs zum Besseren. "Und es muss nur irgendein Kristallisationspunkt kommen, wo wir uns selbst beweisen, dass wir viel, viel besser in Deutschland sind, als die Stimmungslage und die Umfragen es im Moment zeigen. Wenn das passiert, dann kann wirklich alles passieren", sagte er damals.
Quelle: ntv.de, kst/dpa/AFP