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Europa-Talk bei "Hart aber fair" Rückt die EU nach rechts?

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"Das ist ein Hammer", sagt Strack-Zimmermann über die Koalitionsankündigungen von der Leyens.

"Das ist ein Hammer", sagt Strack-Zimmermann über die Koalitionsankündigungen von der Leyens.

(Foto: WDR/Dirk Borm)

Ein Parteifreund verteidigt die SS-Sicht des AfD-Politikers Krah. EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen will sich von Populisten wählen lassen. In der ARD-Talkshow "Hart aber fair" diskutieren die Gäste, ob die EU ein Problem mit rechten Gesinnungen bekommen könnte.

Das geschieht selten in einer Talkshow: Das Publikum bei "Hart aber fair" bricht in spontanes Gelächter aus. Dem AfD-Politiker Leif-Erik Holm ist das am Abend passiert, als er seinen Parteikollegen Maximilian Krah verteidigt. In der Sendung geht es um die Frage, ob bei der Europawahl in knapp zwei Wochen möglicherweise Populisten gewinnen könnten. Die Frage wird nicht beantwortet. Aber der Zuschauer kann erleben, was passieren würde, wenn es so weit käme.

Die vergangene Woche war hart für die rechtsextreme AfD. Da gibt AfD-Spitzenkandidat Maximilian Krah ein Interview der italienischen Zeitung "La Repubblica" zur deutschen Vergangenheit. Darin fällt er ein Urteil über die SS: "Es gab einen hohen Prozentsatz an Kriminellen, aber nicht alle waren kriminell. Ich werde nie sagen, dass jeder, der eine SS-Uniform trug, automatisch ein Verbrecher war." Diese Formulierung ihres Spitzenkandidaten bringt der AfD Riesenärger ein: Am vergangenen Donnerstag schließt die rechte Fraktion "Identität und Demokratie" im Europaparlament die gesamte AfD-Fraktion aus. AfD-Co-Chefin Alice Weidel distanziert sich von Krah, lässt einen Mitarbeiter sagen, Krah sei kein Spitzenkandidat mehr.

"Selbst Le Pen hat sich distanziert"

Auch Leif-Erik Holm von der AfD hätte sich bei "Hart aber fair" von Krah distanzieren können. Er denkt aber gar nicht daran. Als er von Moderator Louis Klamroth darauf angesprochen wird, antwortet Holm: "Wenn man sich diese Thematik anschaut, dann sieht man, dass sich Herr Krah in diesem Punkt unglücklich ausdrückt." Während das Publikum lacht, reagieren die Gäste mit Unverständnis und Ärger. Die FDP-Spitzenkandidatin für die Europawahl, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, hatte schon vorher kritisiert: "Krah hat Dreck am Stecken und will ins Europaparlament." Nun fällt die CDU-Politikerin Julia Klöckner auf Holms Ausführungen ein: "Das kann man nicht so stehen lassen. Erst wird das Zitat geleugnet, dann wird es relativiert, und am Schluss war es ein Missverständnis."

Gordon Repinski, Chefredakteur der deutschen Sparte von Politico, versucht dem AfD-Politiker ins Gewissen zu reden. "Herr Holm, Sie würden gut daran tun, wenn Sie sich einfach am heutigen Abend davon distanzieren. Das hat selbst Marine Le Pen getan."

Doch Holm verteidigt Krah weiter: Andere seien früher derselben Meinung gewesen, sagt Holm: Adenauer, Kohl, Kurt Schuhmacher. Was Krah gesagt habe, sei eine Binsenweisheit. Mehrere Gäste versuchen, dazwischenzureden. Fabio De Masi vom Bündnis Sahra Wagenknecht gelingt es schließlich, sich verständlich zu machen. "Sie erzählen Unsinn", sagt er wütend. "Mein Großvater hat in Erdlöchern in Italien gelegen, und es gab SS-Kompanien, die haben Säuglinge an Häuserwände geschleudert. Und Sie versuchen hier eine Diskussion zu führen, als ob das ein Gesangsverein gewesen wäre."

In Deutschland sinkt der Zuspruch

Holm versucht dann, wieder Boden zu gewinnen. Die SS sei natürlich eine Organisation gewesen, die viele Millionen Menschen umgebracht habe. "Wenn Sie sich das Interview im Wortlaut ansehen, dann schimmert das durch." Aber in jeder kriminellen Organisation gebe es auch Menschen, die sich nicht schuldig gemacht hätten. Krah hätte gerade in Italien den verbrecherischen Charakter der SS klarer benennen sollen, das werfe ihm auch die AfD vor, so Holm.

Journalist Gordon Repinski schildert die Auswirkungen von Aussagen wie jener von Krah für die AfD: Während bei den rechten Parteien in den meisten europäischen Ländern der Zuspruch wachse, sinke er in Deutschland. Nach der Europawahl wolle die AfD-Vorsitzende Weidel erneut Gespräche mit Marine Le Pen führen, der Vorsitzenden der rechtsextremen französischen Partei Rassemblement National. Die sei jedoch vermutlich an der AfD nicht interessiert.

Von der Leyen und die Rechten

Die Parteien im Europaparlament sind Mitglieder in mehreren Fraktionen. Es gibt zwei Fraktionen rechter Parteien: Neben der "Identität und Demokratie" (ID), die rechtsextreme, rechtsextremistische und EU-feindliche Parteien beheimatet, gibt es auch die EKR, "Europäische Konservative und Reformer". Ihr gehören zum Teil auch Rechtspopulisten wie die polnische PiS-Partei an. Die AfD war bislang Teil der ID, steht aber nach der Europawahl am 7. Juni ohne Fraktion da.

Es ist Marie-Agnes Strack-Zimmermann, die auf eine Tatsache zu sprechen kommt, die zuletzt viele Demokraten schockiert hat: Die bisherige EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen von der CDU hat nicht ausgeschlossen, sich von Mitgliedern der EKR in ihrem Amt bestätigen zu lassen. Strack-Zimmermann: "Was wirklich interessant ist in diesem Moment, wo die Radikalen kommen: Sind die demokratischen Parteien in der Lage, zusammenzuarbeiten? Das bedarf vieler Kompromisse." Von der Leyen habe klargemacht, dass sie mit der italienischen Ministerpräsidentin Giogia Meloni zusammenarbeiten wolle, die einer postfaschistischen Partei angehört, und mit den Rechten in Frankreich. "Das ist ein Hammer, und das macht mir Sorgen", sagt Strack-Zimmermann. Von der ID und damit der Le-Pen-Partei will sich von der Leyen jedoch nicht wählen lassen.

Hört man Julia Klöckner zu, kann man an eine Zusammenarbeit der demokratischen Parteien nicht glauben. Den Grünen wirft sie vor, gegen das Asylgesetz gewesen zu sein, der Hälfte der Sozialdemokraten auch. Koalitionen mit rechten Fraktionen werde es nicht geben, und man wolle nur mit einzelnen Politikern zusammenarbeiten, die für die Freiheit, für Europa und für den Rechtsstaat sind. Also auch mit Meloni.

Barley geschockt, Klöckner gelassen

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Da reagiert nun die Vizepräsidentin des EU-Parlaments, Katarina Barley von der SPD, ziemlich geschockt: Meloni vereinnahme den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und die bisher sehr unabhängige Justiz. Mit einer Parlamentsreform wolle sie erreichen, dass der Sieger bei der Parlamentswahl automatisch 55 Prozent der Sitze bekomme. Ihr Schwager, Landwirtschaftsminister Francesco Lollobrigida, propagiere den Bevölkerungsaustausch, der Parlamentspräsident zeige im Parlament den Hitlergruß. "Das ist Duce", so Barley.

Klöckner lässt das kalt. "Alles, was nicht auf der Seite der Sozialdemokraten ist, ist sofort Rechtspopulist und rechtsextrem." Am Ende gehe es darum, dass in Europa etwas entschieden werde, obwohl Sozialdemokraten und Grüne oft dagegen seien. "Dann muss man es eben verhandeln", sagt Barley. "Aber mit Rechtspopulisten geht man nicht zusammen. Das ist ganz einfach."

Quelle: ntv.de

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