Politik

Der Kriegstag im Überblick Russen kesseln ukrainische Soldaten ein - Kiew erhält EU-Kandidatenstatus

Die Kämpfe in den Regionen Donezk und Luhansk gehen unvermindert weiter.

Die Kämpfe in den Regionen Donezk und Luhansk gehen unvermindert weiter.

(Foto: picture alliance/dpa/TASS)

Erdgas wird in Deutschland wesentlich teurer. So viel steht schon einmal fest. Während die Bundesregierung die Alarmstufe ausruft, sichert sich Russlands Präsident Putin die Unterstützung seiner BRICS-Partner. Seine Truppen dringen im Osten der Ukraine weiter vor. In Kiew freut man sich derweil über eine Entscheidung der EU-Mitgliedsländer. Der 120. Kriegstag im Überblick.

Lyssytschansk: Russen stoßen bis an Stadtrand vor

Im Osten der Ukraine sind russische Truppen nach ukrainischen Angaben bis an den Stadtrand von Lyssytschansk vorgedrungen. Sie ist die letzte Großstadt im Gebiet Luhansk, die noch völlig unter ukrainischer Kontrolle steht. "Unsere Kämpfer haben den Vorstoß in Richtung der südlichen Ränder von Lyssytschansk aufgehalten, dem Feind Verluste zugefügt und ihn zum Rückzug gezwungen", hieß es am Abend im Lagebericht des Generalstabs in Kiew. Die russische Armee ziehe nun Reserven heran. Umkämpft sei auch die östlich des Flusses Siwerskyj Donez gelegene Siedlung Boriwske.

Am Morgen war bekannt geworden, dass im Süden von Lyssytschansk eine ukrainische Gruppierung in den Ortschaften Solote und Hirske eingekesselt ist. Am Abend teilte das ukrainische Militär mit, dass die russischen Truppen Hirske inzwischen teilweise erobert hätten. Dem Bericht zufolge konnten sie den Kessel komplett schließen. Russland beschoss im Laufe des Tages nach Angaben des Verteidigungsministeriums in Moskau zudem Treibstofftanks der ukrainischen Armee und militärische Ausrüstung in der Nähe von Mykolajiw. Im Donbass toben seit Wochen heftige Kämpfe, weil die russische Armee versucht, die gesamten Provinzen Luhansk und Donezk zu erobern. Dabei fliegt die russische Luftwaffe offenbar schwere Angriffe auf ukrainische Stellungen.

Moskau beharrt auf Erfüllung der Kriegsziele

Mit Blick auf mögliche Verhandlungen über ein Ende der Kampfhandlungen besteht der Kreml auf all seinen Forderungen. Ein Friedensplan sei möglich, aber erst, wenn Kiew alle Forderungen erfüllt habe, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow der Agentur Interfax zufolge, ohne Details zu nennen. Öffentlich geäußerte Forderungen Moskaus sind etwa eine Anerkennung der ostukrainischen Separatistengebiete Donezk und Luhansk als unabhängige Staaten sowie der 2014 annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim als russisches Staatsgebiet. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wiederum hatte kürzlich die Rückeroberung der Krim und der seit Ende Februar besetzten Gebiete als Ziel Kiews formuliert.

Erst deutsche Haubitzen, nun amerikanische Raketenwerfer

Die USA haben zur Unterstützung der ukrainischen Streitkräfte nach Angaben der Regierung in Kiew nun die Mehrfachraketenwerfer vom Typ HIMARS geliefert. "Die HIMARS sind in der Ukraine eingetroffen", erklärte der ukrainische Verteidigungsminister Oleksij Resnikow via Twitter. Er dankte seinem US-Kollegen Lloyd Austin "für diese mächtigen Werkzeuge" und veröffentlichte dabei Fotos der Raketenwerfer. Die mobilen Maschinen können mehrere präzisionsgelenkte Raketen gleichzeitig auf Ziele in bis zu 80 Kilometern Entfernung abfeuern. Die US-Armee verfügt auch über Systeme mit einer Reichweite von mehreren hundert Kilometern. Am Dienstag hatte Resnikow bekannt gegeben, dass Deutschland inzwischen die Panzerhaubitze 2000 geliefert hat. Nach Angaben der ukrainischen Botschaft in Berlin trafen alle sieben von Deutschland zugesagten Haubitzen in der Ukraine ein.

EU-Staaten gewähren Ukraine und Moldau Kandidatenstatus

Die Ukraine und Moldau erhalten den offiziellen Status von EU-Beitrittskandidaten. Das entschieden die Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Länder am Abend auf ihrem Brüsseler Gipfel, wie Ratspräsident Charles Michel mitteilte. Er bezeichnete den Beschluss auf Twitter als "historischen Moment". EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kommentierte: "Heute ist ein guter Tag für Europa." Mit dem Schritt erkennt die EU die Anstrengungen der beiden Länder um eine EU-Beitrittsperspektive an und will ihnen Mut machen, den Weg entschlossen fortzuführen. Der ukrainische Präsident Selenskyj bedankte sich in einer ersten Reaktion für die Unterstützung. "Die Zukunft der Ukraine liegt in der EU", twitterte er.

Putin reicht BRICS-Partnern die Hand

Russlands Präsident Wladimir Putin wendet sich dagegen immer mehr von der EU ab. Auf dem virtuellen Gipfel der sogenannten BRICS-Staaten gab er dem Westen die Schuld für die globale Wirtschaftskrise. Der Gruppe mit Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika sprach er eine neue Führungsrolle zu. "Nur auf der Basis einer ehrlichen und gegenseitig vorteilhaften Zusammenarbeit können wir Auswege aus der Krise suchen, in die die Weltwirtschaft geraten ist wegen der undurchdachten egoistischen Handlungen einzelner Länder, die mittels finanzieller Mechanismen ihre eigenen Fehler in der Makroökonomie auf die ganze Welt abwälzen", referierte der Kremlchef.

Habeck ruft Alarmstufe aus - Gas dürfte deutlich teurer werden

In Deutschland bestimmt derweil weiter das Thema Erdgas die Schlagzeilen. Wegen extrem gedrosselter Lieferungen aus Russland rief die Bundesregierung die Alarmstufe im "Notfallplan Gas" aus. Wirtschaftsminister Robert Habeck mahnte Firmen und Verbraucher, Gas zu sparen. Nötig sei eine "nationale Kraftanstrengung". Der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, hält angesichts der gegenwärtigen Lage eine Verdreifachung der Verbraucherpreise für Gas für möglich. "Wenn man es hochrechnet, kommt es sehr darauf an, wie Sie heizen, wie Ihr Gebäude gebaut ist. Aber es kann zu einer Verdreifachung der bisherigen Gasrechnung kommen", sagte Müller ntv. Habeck sagte im RTL "Nachtjournal" auf die Frage, ob er sich vorstellen könne, dass sich die Gasrechnungen verdreifachen: "Das ist nicht auszuschließen." Das sei im Bereich des Möglichen: "Da kommt also eine Preiswelle auf Deutschland zu, und die ist faktisch nicht mehr abzuwenden, weil die Preise ja schon aufgelaufen sind."

Müller sieht eine reale Gefahr für einen Gasengpass in Deutschland. "Ich werde alles dafür tun, dass wir das Frieren in privaten Haushalten vermeiden werden", sagte er ntv, "aber ich habe große Sorge, dass wir die Industrieproduktion so aufrechterhalten können." Je mehr Gas gespart werde, desto weniger Konsequenzen drohten der Industrie. "Jeder, der Gas einspart, und einspeichert, hilft zu vermeiden, dass wir Arbeitsplätze, Wertschöpfung, Unternehmen reduzieren müssen."

UN-Chef könnte Getreide-Deal ins Trockene bringen

Ein Engpass anderer Art hat ebenfalls Auswirkungen auf den Weltmarkt: die durch Russland blockierten Getreidelieferungen aus der Ukraine. In dem Streit werden allerdings offenbar Fortschritte erzielt. UN-Sicherheitsratskreise bestätigten die Möglichkeit eines Treffens der Konfliktparteien zusammen mit UN-Generalsekretär António Guterres in der Türkei - womöglich schon kommende Woche. Die Gespräche befänden sich an einem Punkt, an dem der UN-Chef direkt mit Russen und Ukrainern verhandeln würde, um einen Deal ins Trockene zu bringen. Die Ukraine beklagt, dass die russische Kriegsmarine ihre Häfen im Schwarzen Meer blockiere. Beide Länder gehören zu den größten Weizenexporteuren und spielen eine wichtige Rolle für die Ernährungssicherheit in der Welt.

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Quelle: ntv.de, fzö/dpa/rts/AFP

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