Politik

Der Kriegstag im Überblick Russen verwüsten Cherson - Ukraine befreit weitere Orte

Ukrainische Soldaten beim Training in einem Schützengraben in der Region Mykolajiw.

Ukrainische Soldaten beim Training in einem Schützengraben in der Region Mykolajiw.

(Foto: IMAGO/ZUMA Wire)

Während ukrainische Soldaten kurz vor Cherson stehen, versuchen Moskaus Truppen in der Stadt wichtige Infrastruktur zu zerstören. Unterdessen kündigt Kremlchef Putin strengere Kontrollen bei den Armee-Ausgaben an. Washington will der Ukraine weitere Waffen liefern. Der 260. Kriegstag im Überblick.

Selenskyj-Berater befürchtet Minenfeld in Cherson

Moskau hat nach eigenen Angaben mit dem Rückzug seiner Truppen aus der südukrainischen Stadt Cherson begonnen. In Kiew wird befürchtet, dass Russland die Stadt in eine Todeszone verwandeln will. "Die russischen Streitkräfte wollen Cherson in eine "Stadt des Todes" verwandeln", schrieb der Präsidentenberater, Mykhailo Podolyak auf Twitter. "Das russische Militär vermint alles, was es kann: Wohnungen und Kanalisationen. Die Artillerie am linken Ufer plant, die Stadt in Ruinen zu verwandeln. So sieht die 'russische Welt' aus: Sie kamen, raubten, feierten, töteten 'Zeugen', hinterließen Ruinen und gingen."

Zu Podolyaks Einschätzung passen Medienberichte, wonach russische Truppen in Cherson bereits große Verwüstungen anrichten. Neben dem Fernsehzentrum seien unter anderem Fernheizungsanlagen und Funkmasten gesprengt worden, berichtete die "Ukrajinska Prawda". Zudem sei in der Stadt der Strom komplett ausgefallen, ebenso wie das Internet. Bereits in den vergangenen Tagen waren mehrere Brücken über den Dnipro gesprengt worden.

Ukraine meldet Geländegewinne

Unterdessen sind ukrainische Soldaten nach eigener Darstellung bereits in den ersten Vorort von Cherson eingerückt. Wie der ukrainische Gouverneur des Gebietes Mykolajiw, Witalij Kim, berichtete, sei der Ort Tschornobajiwka bereits unter ukrainischer Kontrolle. Nähere Angaben wollte er nicht machen. "Wir schweigen weiterhin, denn all dies ist Sache des Militärs." Der Generalstab der Ukraine teilte mit, die russischen Militärs zögen nur langsam ab, um ihre Verteidigungslinien am linken Ufer des Dnipro zu verstärken.

Zuvor hieß es, ukrainische Truppen seien an zwei Abschnitten in Cherson und Mykolajiw etwa sieben Kilometer vorgerückt. Dabei seien etwa 264 Quadratkilometer und zwölf Ortschaften zurückerobert worden, teilte der Oberkommandierende der Streitkräfte, Walerij Saluschnyj, bei Telegram mit. Am Vormittag wurden Bilder aus der Kleinstadt Snihuriwka im Gebiet Mykolajiw verbreitet. Bereits seit Anfang Oktober seien die ukrainischen Einheiten im Gebiet Cherson bis zu 36 Kilometer vorgerückt und hätten dabei 1381 Quadratkilometer und 41 Siedlungen befreit, hieß es weiter.

Kadyrow lobt russischen Rückzug

Tschetschenen-Führer Ramsan Kadyrow begrüßte Moskaus Entscheidung, sich aus Cherson abzuziehen. General Sergej Surowikin habe die richtige Entscheidung getroffen und "tausend Soldaten aus einer faktischen Umzingelung gerettet", schrieb Kadyrow auf Telegram. Surowikin habe seine Soldaten in eine strategisch günstigere Position gebracht. Kadyrow übte jedoch auch Kritik und fragte, warum dieser Schritt erst jetzt erfolgt sei.

"Jeder wusste, dass Cherson von den ersten Tagen der Sonderoperation an ein schwieriges Schlachtfeld war. Die Soldaten meiner Einheiten berichteten ebenfalls, dass es sehr schwierig war, in diesem Gebiet zu kämpfen", schrieb Kadyrow. "Ja, es kann gehalten werden, es kann etwas Munition eingebracht werden, aber der Preis dafür werden viele Menschenleben sein."

Putin will Ausrüstung der Armee stärker kontrollieren

Angesichts zahlreicher Berichte über eine mangelhafte Ausrüstung russischer Soldaten will Russlands Präsident Wladimir Putin die Finanzflüsse für die Armee-Ausgaben schärfer kontrollieren lassen. Bis morgen müsse die Regierung Vorschläge für eine bessere Ausgabenkontrolle und den zielgerichteten Einsatz der Haushaltsmittel vorlegen, heißt es in einer Aufgabenliste. Um die Qualität der Ausrüstung zu verbessern, soll außerdem eine Art direkter Draht zwischen den in der Ukraine eingesetzten Einheiten und den Herstellern von Rüstungsgütern etabliert werden. Damit soll offenbar auch Korruption und die Veruntreuung von Haushaltsmitteln unterbunden werden.

Kiew bekommt wohl keine "Gray Eagle"-Drohnen

Die US-Regierung übt nach eigenen Angaben keinen Druck auf die Ukraine mit Blick auf mögliche Verhandlungen mit Russland aus. "Wir beharren nicht auf bestimmten Dingen, sondern wir beraten als Partner", sagte Sicherheitsberater Jake Sullivan im Weißen Haus. Sullivan kündigte zudem neue Militärhilfe im Wert von 400 Millionen US-Dollar an. Zu dem neuen Paket gehören auch vier Avenger-Luftabwehrsysteme und Stinger-Raketen sowie Raketen für "Hawk"-Luftabwehrsysteme, sagte die Vize-Sprecherin des Pentagons, Sabrina Singh.

Verzichten muss die Ukraine aber offenbar auf "Gray Eagle"-Drohnen. Kiew hatte mit Washington schon seit Monaten über die Langstreckendrohnen verhandelt. Wie das "Wall Street Journal" nun von Insidern erfahren haben will, gibt es in der Biden-Regierung aber Bedenken, dass die Drohnen den Krieg eskalieren könnten, weil sie mit einer Reichweite von 400 Kilometern potenziell auch Ziele in Russland erreichen könnten. Zudem werde befürchtet, dass die Technologie der Drohnen bei einem Einsatz gestohlen werden könnte.

EU erkennt russische Reisepässe aus besetzten Gebieten nicht an

Die EU wird russische Reisepässe aus den besetzten Gebieten der Ukraine nicht anerkennen. Darauf verständigten sich Unterhändler der EU-Staaten und des Europaparlaments in Brüssel. Gleiches soll für Reisedokumente gelten, die in den abtrünnigen Teilrepubliken Südossetien und Abchasien in Georgien ausgestellt worden sind, wie der Rat der EU-Staaten mitteilte.

Russland hatte das Gebiet Saporischschja gemeinsam mit den Regionen Cherson, Donezk und Luhansk im September nach Scheinreferenden für annektiert erklärt. Infolgedessen schlug die EU-Kommission die Nicht-Anerkennung dort ausgestellter Pässe vor. Die Behörde machte damals deutlich, dass fast alle Mitgliedstaaten bereits so handelten.

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Quelle: ntv.de, jpe/dpa

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