"Schändliches Dokument"Russische Nationalisten erwarten Ablehnung des Ukraine-Plans

Wie wahrscheinlich ist es, dass Moskau das jüngste Verhandlungspapier akzeptiert? Glaubt man russischen Nationalisten wie Girkin, tendieren die Chancen gen null. Er und andere Beobachter gehen davon aus, dass Moskau letztlich einen Sieg auf dem Schlachtfeld anstrebt.
In der russischen Öffentlichkeit geht man offenbar davon aus, dass Moskau einen Waffenstillstand oder jede Variante des von den USA vorgeschlagenen Friedensplans wahrscheinlich ablehnen wird. Der Kreml würde demnach diese Bemühungen als belanglos und als Hindernis für die russischen Ziele betrachten, schreibt das Institute for the Study of War.
Ein prominenter russischer Milblogger, den der Thinktank zitiert, argumentiert, Kremlchef Wladimir Putin habe "deutlich" zum Ausdruck gebracht, dass er bereit sei, die Kriegsziele Russlands mit militärischen Mitteln zu erreichen. Daher seien alle Friedensverhandlungen seit den Istanbuler Verhandlungen von 2022 "nicht praktikabel". Der Militärblogger argumentiert auch, dass ein Waffenstillstand die Bemühungen Russlands untergraben würde, die illegal annektierten unbesetzten Teile der Oblaste Saporischschja und Cherson zu erobern, und neue "militärische Sicherheitsbedrohungen" schaffen würde, denen sich Russland in naher Zukunft stellen müsste.
Der inhaftierte Ultranationalist und international gesuchte Kriegsverbrecher Igor Girkin kommt in einem Brief zum Schluss, dass der Kreml keine Vereinbarungen auf der Grundlage des 28-Punkte-Friedensvorschlags unterzeichnen wird und spricht von einem "schändlichen Dokument". Der Kreml betrachte diesen Friedensvorschlag als schädlich für seine Ziele in der Ukraine und weltweit. Der Krieg in der Ukraine werde weitergehen, so Girkin, der 2014 den Angriff russischer Kämpfer im Donbass leitete und wegen des Abschuss des Passagierflugs MH17 in den Niederlanden verurteilt wurde.
Laut Girkin ist das Abkommen inakzeptabel, da es einen Verlust der russischen Souveränität bedeuten würde. Er argumentiert, dass der Kreml sich nicht auf Mechanismen festlegen werde, die Russland formell als Aggressor anerkennen und es den USA ermöglichen würden, im Falle von Verstößen gegen das Friedensabkommen Strafen gegen Moskau zu verhängen. Das Friedensabkommen sei nachteilig, da es Russland zwingen würde, seine Ansprüche auf "strategisch wichtige" Offensivpositionen in den Regionen Sumy, Charkiw und Dnipropetrowsk aufzugeben. Die "sogenannte 'Ukraine'", wie sie Girkin nennt, erhalte eine Atempause - was für Kiew fast das Wichtigste sei. Danach werde sie - mit stillschweigender oder vehementer Unterstützung der EU - neue Kräfte sammeln und sich entsprechend vorbereiten, um gegen Russland loszuschlagen.
Ein Kolumnist der russischen Nachrichtenagentur Rossija Segodnija erklärt, dass Russland den Friedensvorschlag der USA weder ernst nehme noch davon ausgehe, dass der Plan in irgendeiner Form funktionieren werde. Er schätzte, dass der Kreml Änderungen am ursprünglichen 28-Punkte-Friedensplan "gelassen" gegenüberstehe, da der Kreml jedes Dokument diskutieren könne. Der Kolumnist argumentiert, dass Russland "vorgibt", bereit zu sein, die USA als Vermittler zu akzeptieren. Letztlich aber sei Moskau darauf aus, einen Vertrag abzuschließen, der Russland einen Sieg auf dem Schlachtfeld verschafft. Der Kreml strebe nicht wie die USA einen sofortigen Frieden an.
Russische Regierungsvertreter und Ultranationalisten haben seit der ersten Bekanntgabe des 28-Punkte-Friedensplans diesen wiederholt abgelehnt - obwohl er in weiten Teilen einer "russischen Wunschliste" gleichkam. Die nachfolgenden Fassung, über die in dieser Woche gesprochen werden soll und die nicht mehr einer ukrainischen Kapitulationsurkunde gleichkommt, dürfte auf noch mehr Widerstand stoßen. Schließlich gibt sie, wie das ISW schreibt, "nicht allen absolutistischen Kriegsforderungen Russlands" nach.