Politik

Opferzahlen oder Propaganda? Russische Soldaten "sterben wie die Fliegen"

Russische Soldaten gehen durch einen zerstörten Bereich des Iljitsch Eisen- und Stahlwerks Mariupol.

Russische Soldaten gehen durch einen zerstörten Bereich des Iljitsch Eisen- und Stahlwerks Mariupol.

(Foto: picture alliance/dpa/AP)

Die Schlacht an der ukrainischen Ostfront geht weiter. Obwohl die russische Armee Fortschritte macht, sterben nach ukrainischen Angaben reihenweise russische Soldaten. Die Zahlen sind nicht unabhängig überprüfbar - nach ukrainischen Angaben belaufen sich die russischen Opferzahlen jedoch auf rund 1000 pro Tag.

Die russischen Truppen erleiden ukrainischen Angaben zufolge beim Kampf um die strategisch wichtige Stadt Sjewjerodonezk erhebliche Verluste. "Die Russen haben wesentlich mehr Verluste als die Ukrainer", teilte der Luhansker Gouverneur Serhij Hajdaj bei Facebook mit. Das Verhältnis liege "bei eins zu zehn". Zu ukrainischen Verlusten könne er jedoch keine Angaben machen. Die russische Armee habe die Überreste von Einheiten aus der Teilrepublik Burjatien im Fernen Osten Russlands abgezogen, meinte Hajdaj. "Sie sterben wie die Fliegen."

Der ukrainische Verteidigungsminister Olexij Resnikow sprach dagegen von einer schwierigen Lage an der Front. "Jeden Tag werden bis zu 100 unserer Soldaten getötet und bis zu 500 verwundet", schrieb Resnikow bei Facebook. Russland erleide zwar große Verluste. "Aber es gibt immer noch Kräfte, die in einigen Teilen der Front vorrücken", betonte er. Präsidentenberater Mychajlo Podoljak sprach gar von 100 bis 200 Toten täglich. Nach ukrainischen Angaben hat die russische Armee bereits 90 Prozent des Stadtgebiets von Sjewjerodonezk eingenommen, ukrainische Verbände halten noch ein Industriegebiet am Rand der Stadt.

Russische Verluste

Informationen über den Krieg - sowohl von der ukrainischen als auch von der russischen Seite - sind schwer unabhängig zu überprüfen. Konkrete Zahlen über die Verluste auf beiden Seiten sind unterschiedlich, je nachdem, wer die Todeszahlen veröffentlicht. Beide Parteien haben ein Interesse daran, die offiziellen Zahlen der gefallenen Soldaten so niedrig wie möglich zu halten.

Aus unabhängigen Quellen sind bisher nur wenige Zahlen bekannt geworden. So habe Russland in den ersten drei Monaten seiner "speziellen Militäroperation", wie der Krieg in dem Riesenreich offiziell genannt wird, ähnlich viele Opfer zu beklagen wie die Sowjetunion während ihres neunjährigen Krieges in Afghanistan, erklärte das britische Verteidigungsministerium Ende Mai. Nach Berechnungen der US-Zeitung "Forbes" würde dies mindestens 15.000 russische Soldatenverluste bedeuten.

Mitte Mai hatte das britische Verteidigungsministerium Verluste von etwa einem Drittel der Bodentruppen auf russischer Seite gemeldet. Wie viele Soldaten und Panzer dies genau sind, veröffentlichte das Verteidigungsministerium allerdings nicht. Wie die "Süddeutsche Zeitung" berichtet, gehen Schätzungen davon aus, dass Russland zwischen 150.000 und 200.000 Soldaten für die Invasion zusammengezogen hat.

Die ukrainische Zeitung "Kyiv Post" veröffentlicht täglich Tabellen und Statistiken über gefallene Soldaten, getötete Zivilisten und zerstörte Panzer. Am heutigen Freitag sprach die Zeitung von 31.900 gefallenen russischen Soldaten.

Ukrainische Verluste

Die Zahl der gefallenen russischen Soldaten schwankt also zwischen 15.000 und 31.900 - je nach Quelle. Wird die Aussage des Gouverneurs von Luhansk aufgegriffen, wonach die russischen Verluste im Verhältnis zu den ukrainischen "eins zu zehn" stehen, würde dies eine weitere Zahl russischer Toter bedeuten.

Vor einer Woche sprach der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj von bis zu 100 toten ukrainischen Soldaten pro Tag. In einem Interview mit Newsmax in der ukrainischen Hauptstadt Kiew sagte Selenskyj, die Lage im Land sei "schwierig". "Wir verlieren jeden Tag 60 bis 100 gefallene Soldaten und etwa 500 Verwundete", sagte er.

Diese Zahl steht im Einklang mit den Angaben des ukrainischen Verteidigungsministers und des Präsidentenberaters, die beide von 100 bis 200 toten ukrainischen Soldaten pro Tag sprechen. Im Umkehrschluss würde dies bedeuten, dass pro Tag etwa 1000 russische Soldaten an der Ostfront in der Ukraine sterben. Doch wie vieles in diesem Krieg sind auch diese Zahlen nicht unabhängig nachprüfbar.

Quelle: ntv.de, cls/dpa

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