Kryptowährung statt CFA-Franc Russland drängt in Afrika zu Bitcoins
08.05.2022, 10:07 Uhr
Normalerweise wird in der Zentralafrikanischen Republik mit dem CFA-Franc bezahlt, der in insgesamt sechs Ländern offizielle Währung ist.
(Foto: picture alliance / Godong)
Nach El Salvador setzt auch die Zentralafrikanische Republik auf den Bitcoin als offizielles Zahlungsmittel. Vorteile bietet das kaum, schließlich haben nur wenige Einwohner Zugang zum Internet. Aber es könnte dem wichtigsten Wirtschaftspartner des Landes dabei helfen, Sanktionen zu umgehen.
Ausgerechnet eines der unterentwickeltesten Länder Afrikas will Bitcoins als offizielle Währung einführen. "Wir freuen uns, zu den Pionieren der innovativsten Technologie der Welt zu gehören, die einen Mehrwert für alle schafft", twitterte Faustin Touadéra, Präsident der Zentralafrikanischen Republik: "Für die Zukunft künftiger Generationen!"
Das Parlament der Zentralafrikanischen Republik hat in der vergangenen Woche einstimmig ein Gesetz verabschiedet, das die Einführung von Kryptowährungen offiziell möglich macht. Mit der Unterschrift von Präsident Touadéra trat es sofort in Kraft.
Das kleine Land im Herzen des Kontinents mit seinen rund fünf Millionen Einwohnern ist eines der ärmsten Länder weltweit. Laut offiziellen Statistiken haben gerade einmal 11 Prozent der Einwohner Zugang zum Internet. Nur 15 Prozent haben in ihren Privathäusern Strom, meist nur in der Hauptstadt. Dreiviertel der Zentralafrikaner leben unter der Armutsgrenze: Sie können sich weder Smartphones noch Computer leisten, um ins Internet zu gehen, geschweige denn Bitcoins.
Kritiker und Analysten fragen also, warum das kriegsgeplagte Land, in dem noch immer zahlreiche Milizen regieren und ganze Landstriche außerhalb der Hauptstadt von Rebellen kontrolliert werden, eine solche Währung benötigt.
Bitcoins sollen Überweisungen aus dem Ausland leichter machen
Zentralafrikas Wirtschaftsminister Gourna Zacko argumentiert, die Kryptowährung mache es einfacher, Geld aus dem Ausland zu empfangen und zu senden. Ein Großteil der Bevölkerung lebt aufgrund des seit 2013 anhaltenden Bürgerkrieges außerhalb der Landesgrenzen, einige in Europa, vor allem in der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich. Sie schicken in der Regel Geld nach Hause zu ihren Verwandten. Dies soll mit Bitcoins einfacher werden.
Auch Steuern und andere staatliche Gebühren sollen in Bitcoins bezahlt werden können. Das Gesetz verpflichte "jeden Wirtschaftsakteur, Kryptowährungen als Zahlungsmittel zu akzeptieren, wenn sie für den Kauf und Verkauf einer Ware oder Dienstleistung angeboten werden", so der Wirtschaftsminister.
Zentralafrikas Regierung verspricht sich viel von den Bitcoins. Doch von allen Seiten hagelt es nun Kritik, denn die Kryptowährung ist anfällig für enorme Schwankungen und Geldwäsche. Um dies zu vermeiden, müsse es robuste Rahmenbedingungen geben, so Abebe Aemro Selassie, Direktor der Afrikaabteilung des Internationalen Währungsfonds (IWF). Auf seiner jüngsten Pressekonferenz zu den wirtschaftlichen Aussichten für Subsahara-Afrika, warnte er: "Sie müssen sicherstellen, dass der gesetzliche Rahmen in Bezug auf die Transparenz der Finanzströme und der Governance-Rahmen rundherum solide vorhanden sind." Bitcoins seien kein "Allheilmittel für die wirtschaftlichen Herausforderungen", mit denen viele afrikanische Länder nach zwei Jahren Corona-Pandemie und Preissteigerungen im Zuge des Ukraine-Krieges derzeit zu kämpfen haben.
"Ein Mittelfinger für das französische Wirtschaftssystem"
Bislang nutzen die Zentralafrikaner die regionale Währung CFA-Francs, wie fünf weitere Länder in West- und Zentralafrika. Diese Währung wurde bereits 1945 unter französischer Kolonialherrschaft eingeführt. Sie war damals mit einem festen Wechselkurs an den französischen Franc gebunden, später an den Euro. Anders als andere afrikanische Währungen ist sie somit recht stabil. Doch es gibt einen Nachteil, den die Afrikaner den Franzosen zu Recht als neokoloniale Herrschaft ankreiden: Die Hälfte der Währungsreserven sind in der französischen Nationalbank in Paris gebunkert, woraus Frankreich Rendite schöpft.
Die Einführung der Kryptowährung als Zahlungsalternative zum CFA-Franc bedeutet, dass sich das Land aus der gemeinsamen regionalen Währungsunion herauslösen könnte. "Das ist ein großer Mittelfinger für das französische Wirtschaftssystem", sagt Chris Maurice, Direktor der Krypto-Börse Yellow Card Financial, die rund eine Million Nutzer in 16 afrikanischen Ländern hat und für den Betrieb im CFA-Franc-Gebiet lizenziert ist.
In einem offenen Brief der Opposition an Präsident Touadéra stellt Martin Ziguélé, ehemaliger Ministerpräsident Zentralafrikas und jetzt Abgeordneter der Opposition, die Frage: "Wer profitiert davon?"
Der lange Arm des Kremls
Es ist nämlich kein Zufall, dass ein solches Gesetz in einem Moment verabschiedet wird, wo Russland aufgrund internationaler Finanzsanktionen im Ausland zahlungsunfähig wird. Russland ist derzeit Zentralafrikas engster Wirtschaftspartner.
Seit 2016 engagieren sich die Russen in dem kriegsgebeutelten Land: Russische Banken geben Kredite für den Wiederaufbau nach fast zehn Jahren Krieg, russische Firmen bauen die kaputte Infrastruktur wieder auf: Straßen, Brücken, Krankenhäuser. Russlands Verteidigungsministerium schickte Militärausbilder, um die marode Armee gegen die Rebellen fit zu bekommen. Mit ihnen landeten über Tausend russische Söldner der privaten Sicherheitsfirma Wagner, die seitdem die persönlichen Leibwächter des Präsidenten stellen, aber auch aktiv Rebellen bekämpfen. Die internationale Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) klagt in ihrem jüngsten Bericht, die Wagner-Söldner würden gezielt Übergriffe gegen Zivilisten begehen.
Die Wagner-Kämpfer sind vor allem im Norden des Landes aktiv, weit weg von der Hauptstadt Bangui im Süden. Sie bewachen Minen, in welchen russische Firmen nach Gold und Diamanten graben. Dort haben Rebellen das Sagen und es gibt keine Banken, um Geld abzuwickeln. Alles muss in bar in großen Koffern bis in die Hauptstadt transportiert werden - das ist unsicher.
Mit Bitcoins können die Sanktionen umgangen werden
Hier kommt die St. Petersburger Firma M-Invest ins Spiel, die Tochtergesellschaften im Sudan und der Zentralafrikanischen Republik gegründet hat und in Afrika in lukrative Minenkonzessionen investiert. M-Invest gehört dem russischen Oligarchen Jewgeni Prigoschin, einem engen Putin-Vertrauten und Hintermann hinter Wagner. Die Firma steht in Europa und den USA auf den Sanktionslisten. Sie profitiert nun in Anbetracht internationaler Wirtschaftssanktionen, darunter der Einstellung des internationalen Banküberweisungssystems SWIFT gegenüber Russland, von der Einführung der Kryptowährung. Sämtliche Profite lassen sich so mit ein paar Mausklicks online einfach in Bitcoins aus dem Land schaffen.
Russland gehört weltweit zu einem der führenden Länder im Gebrauch von Kryptowährung. Sergei Katyrin, der Präsident der russischen Industrie- und Handelskammer, ist schon lange der Ansicht, dass sein Land für den Handel mit Afrika auf Kryptowährungen setzen sollte. Mit den internationalen Wirtschaftssanktionen gegen Moskau bekam dies jetzt eine neue Dringlichkeit. Russischen Medien zufolge schickte Katyrin einen Brief an Ministerpräsident Michail Mischustin, in dem er eine Reihe von Vorschlägen zur Ausweitung der Zusammenarbeit mit afrikanischen Ländern skizzierte. "Es erscheint sinnvoll", heißt es in dem Brief, "zwischenstaatliche Abkommen mit afrikanischen Ländern über die Verwendung nationaler Währungen und Kryptowährungen bei grenzüberschreitenden Transaktionen und Zahlungen abzuschließen."
Für afrikanische Länder ist die Einführung von Bitcoins ein gewagter Schritt. Doch immer mehr spielen derzeit in Anbetracht hoher Inflationsraten mit demselben Gedanken - auch auf Druck aus Moskau. In Tansania und Uganda wird derzeit über die Einführung von Kryptowährungen diskutiert, beide unterhalten enge Beziehungen zu Russland. Das bevölkerungsreichste Land Afrikas, Nigeria, hat vergangenen Oktober eine eigene Kryptowährung, eNaira, herausgebracht. Bislang hat nur das kleine lateinamerikanische El Salvador den Umschwung auf Bitcoin als offizielles Zahlungsmittel tatsächlich gewagt.
Quelle: ntv.de