Wirtschaft

Kehrtwende bei Digitalwährungen Was steckt hinter dem Krypto-Interesse aus Russland?

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Das Bitcoin-Handelsvolumen innerhalb der Krypto-Szene ist mittlerweile geringer als zu Kriegsbeginn.

(Foto: imago images/ZUMA Wire)

Anfang des Jahres spielte die russische Zentralbank noch mit dem Gedanken, Kryptowährungen zu verbieten. Nach dem Angriffskrieg auf die Ukraine legt die russische Regierung eine Kehrtwende hin. Westliche Sanktionen sollen mit Bitcoin laut Analysten aber nicht umgangen werden.

Noch vor drei Monaten wollte Russland Kryptowährungen komplett verbieten. Jetzt, nach dem Angriffskrieg auf die Ukraine, ist davon plötzlich keine Rede mehr. Sogar Energie will Russland inzwischen gegen Bitcoin liefern, erklärte der hochrangige Duma-Abgeordnete Pavel Zavalny. Auch Premierminister Michail Mischustin warb vor wenigen Tagen für mehr Akzeptanz der Kryptowährungen.

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Die Krypto-Märkte beeinflussen solche Aussagen sofort. Schon nach dem Einmarsch in die Ukraine, beziehungsweise dem Ausschluss russischer Banken aus dem Swift-System, profitierten Kryptowährungen. Die Börsen verzeichneten in den vergangenen Wochen deutlich höhere Handelsvolumen und Hashrates, also Rechenleistung, in Russland - teils um über 900 Prozent. All das treibt kurzfristig die Kurse nach oben.

Der Verdacht: Um westliche Sanktionen zu umgehen, könnte Russland einfach auf Kryptowährungen umsteigen. Dollar, Euro oder Yen wären dann nicht mehr nötig - nicht einmal mehr genaue Daten über die Herkunft des Geldes. Nur, kann Russland überhaupt ein strategisches Interesse am Bitcoin haben? Analysten streiten noch über diese Frage.

Handelsvolumen flachte wieder ab

Fest steht, allein aus Handelsvolumen und Hashrate lässt sich keine Sanktions-Umgehung ableiten, erklärt Timo Emden von Emden Research gegenüber Capital. Zwei Punkte seien zu unterscheiden: Krypto-Währungen als Zahlungsmittel und als Vermögenswert. Vor allem die erste Variante beobachten westliche Staaten genau. Zwar tauschten Russen zwischenzeitlich 900 Prozent mehr Rubel in Digitalwährungen.

Doch das Handelsvolumen innerhalb der Krypto-Szene flachte nach dem Peak zu Kriegsbeginn wieder ab. Nur 62 Millionen US-Dollar transferierten institutionelle russische Anleger in den ersten vier Kriegswochen. Dass Russland also zunehmend Waren über Digitalwährungen handelt, zeigen die Daten nicht. "Wenn es zum ganz großen Umparken gekommen wäre, dann hätten wir andere Anstiege gesehen", sagt Emden.

Realistischer ist, dass russische Privatpersonen ihr Vermögen absichern. Auch sanktionierte Oligarchen könnten darunter sein - was sich aufgrund der Blockchain aber nur schwer beweisen lässt. "Meine Vermutung ist, dass sich die Oligarchen schon vorher aus dem Staub gemacht haben, indem sie Gelder in Krypto-Assets investiert haben", erklärt Emden. Heißt: Vor allem Privatpersonen sorgten für den ersten Peak. Einmal in Bitcoin getauscht, lassen sich die Zahlungsströme kaum noch nachverfolgen - es sei denn, die Ermittler kennen die Person hinter der Wallet ID. Zwar zeigt die Blockchain transparent, wer wann wie viele Coins überweist. Aber wer hinter der ID steckt, ist mitunter anonym und die ID besteht aus bis zu 35 Zeichen.

Wie nachhaltig ist Krypto-Interesse aus Russland?

Die EU will das nun ändern, und setzt auf das sogenannte "Know-your-customer"-Verfahren (KYC). Transaktionen in Bitcoin, Ether und anderen Krypto-Währungen sollen ähnlich rückverfolgbar sein wie traditionelle Überweisungen - das ist das Ziel der Transfer of Funds Regulation (TFR). Eine direkte Reaktion auf den russischen Angriffskrieg sei das zwar nicht, sagt der CDU-Abgeordnete Stefan Berger gegenüber Capital. Doch auch er bemerkt intensivere Diskussionen, die die Entscheidung vom vergangenen Donnerstag wohl auch beeinflussten. Das geringe Handelsvolumen von 62 Millionen Dollar spreche dabei nicht für eine systematische Sanktionsumgehung, meint Berger. Insofern bewertet er die Bitcoin-Offensive als Strohfeuer russischer Kleininvestoren.

Auch Analyst Timo Emden glaubt nicht an ein nachhaltiges Krypto-Interesse aus Russland. "Im Moment nutzen sie Bitcoin eher als Marketinginstrument. Es ist neu, es ist staatlich unabhängig. Das klingt gut." Außerdem sei die Zahlungsgeschwindigkeit höher als bei IBAN-Überweisungen. Vielmehr geht es Moskau aber um eine eigene digitale Währung - wenn man so will, einen E-Rubel. Auch die westlichen Staaten und allen voran China arbeiten mit Hochdruck an eigenen Projekten. "Das ist wie ein Wettrennen um die Mondlandung. Und die Frage ist, an welches System sich Russland dann koppelt."

Der Bitcoin könnte insofern ein Probelauf für Russland werden, denn die Systeme funktionieren ähnlich. Beide laufen über die Blockchain-Technologie, der einzige Unterschied ist, dass diese bei Bitcoin und Co. dezentral organisiert ist. Ein E-Rubel oder E-Yen würde von der Zentralbank herausgegeben werden. Die Vorteile einer digitalen Währung liegen auf der Hand: Die Verwaltungskosten pro E-Rubel tendieren gegen null, zudem ließe sich er sich leicht in andere Zahlungssysteme integrieren. Und: Mit einer digitalen Währung könnte Russland unabhängiger vom US-Dollar werden. Das ist ein erklärtes Ziel des russischen Präsidenten Wladimir Putin, der damit tatsächlich wirkungsvoll Sanktion umgehen könnte.

Dieser Text ist zuerst bei Capital erschienen.

Quelle: ntv.de

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