Politik

Bombenhagel in Kiew und Charkiw Russland startet perfide Terror-Luftstrategie

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So schlimm wie nie zuvor greift Russland die Ukraine mit Luftschlägen an. Dahinter stecken gleich mehrere Absichten und eine klare Botschaft zum Jahresbeginn: Die Fliegerabwehrsysteme sollen überfordert und die Menschen in der Ukraine zermürbt werden.

Das neue Jahr hat kaum begonnen, da terrorisiert Russland die Ukraine mit massiven Luftangriffen. Nachdem in der Neujahrsnacht bereits eine Rekordzahl von 90 Drohnen über mehrere ukrainische Städte abgeworfen wurde, folgt jetzt ein weiterer Raketenhagel. Vor allem die Hauptstadt Kiew und die ostukrainische Stadt Charkiw trifft es hart. Einwohner beschreiben in sozialen Netzwerken verzweifelt, wie seit Stunden die Sirenen des Luftalarms heulen, Raketeneinschläge zu hören sind und teilen Fotos von ihren zerstörten Wohnhäusern.

Der ukrainischen Luftwaffe zufolge setzte die russische Armee bisher insgesamt 99 Raketen und Marschflugkörper verschiedener Typen ein. Davon seien 72 Geschosse abgefangen worden, darunter alle zehn Hyperschallraketen des Typs Kinschal (Dolch). Im bisherigen Kriegsverlauf kam es immer wieder zum Einsatz der Kinschal-Raketen. Allerdings ist es das erste Mal, dass Russland so viele auf einmal einsetzt. Die Waffe wird von den Russen wegen ihrer Geschwindigkeit immer wieder als Wunderwaffe bezeichnet, die entwickelt wurde, um westliche Flugabwehrsysteme überwinden zu können.

Terror auf Zivilbevölkerung

Die massiven Luftangriffe verfolgen dabei bestimmte Ziele. Russland verfolge drei Absichten, sagt der österreichische Oberst Markus Reisner, der den Krieg in der Ukraine von Anfang an beobachtet und analysiert. Zum einen zielen die Angriffe auf die kritische Infrastruktur, die im vergangenen Winter von den Russen bereits zu circa 50 bis 60 Prozent zerstört wurde. Etwa 10 bis 15 Prozent konnten die Ukrainer wieder instand setzen. "Die will die russische Seite zerstören. Hinzu kommen: Logistik, Lager, Kommandostrukturen der ukrainischen Streitkräfte", so Reisner.

Das zweite Ziel ist, massiven Terror auf die Zivilbevölkerung auszuüben. Zwar schafft es die ukrainische Luftabwehr, viele der Raketen- und Drohnenangriffe abzufangen. Doch die täglichen Luftangriffe zwingen die Bewohner, jede Nacht in die Luftschutzkeller zu gehen oder wenigstens im Flur zu schlafen - möglichst weit entfernt von den Fenstern. Dazu kommt der Lärm der Sirenen des Luftalarms und der Rettungskräfte sowie die ohrenbetäubenden Explosionen. "Das zermürbt enorm", sagt Reisner. Die Raketen, die es an der Luftverteidigung vorbei schaffen, richten massive Zerstörungen an. Wohnhäuser werden zerstört, Menschen unter Schutt und Asche begraben. Dutzende Menschen sind dabei ums Leben gekommen.

Das dritte Ziel, das Moskau mit seinem Raketenhagel verfolgt, ist, die Fliegerabwehrsysteme, die der Westen geliefert hat, zu übersättigen: Russland zwingt die Ukraine, möglichst viel Munition zu verbrauchen. Und je mehr Drohnen und Raketen sie einsetzen, umso schwieriger wird es für die Ukraine, alle abzufangen. Um möglichst schweren Schaden anzurichten, schicken die Russen erst Drohnen los, die die Fliegerabwehr ablenken. Anschließend folgen Marschflugkörper und die jetzt eingesetzten Hyperschallraketen vom Typ Kinschal. Die sind schneller, fliegen tiefer und werden von der Luftabwehr deshalb später erkannt. Werden sie nicht abgefangen, richten sie zudem viel größere Schäden an, da sie eine größere Einschlagkraft als Drohnen haben.

Rache für Belgorod?

Der Zeitpunkt der Angriffe kommt dazu nicht von ungefähr: Erst vor wenigen Tagen hatte Russland der Ukraine mit "Vergeltung" für die Angriffe auf die russische Stadt Belgorod gedroht. Dort waren bei einem Angriff mit ukrainischen Raketen am Samstag 25 Menschen getötet worden. Ob die Menschen durch herabstürzende Trümmerteile, die eigene Luftabwehr oder Raketen gestorben sind, lässt sich nicht unabhängig überprüfen. Der Kreml gibt in jedem Fall Kiew die Schuld und hat Rache geschworen.

Dazu sind gerade Feiertage wie Weihnachten und Neujahr eine perfide Art und Weise, die Moral der Ukrainer zu brechen. Während Menschen auf der ganzen Welt das neue Jahr mit neuer Hoffnung begrüßt, fängt es für die Ukrainer mit einer unmissverständlichen Botschaft der Invasoren an: Auch in diesem Jahr wird es kein Erbarmen geben. Der Terror geht in eine neue Runde.

Quelle: ntv.de, mit dpa

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