Betrugsverdacht bei Testzentren SPD wirft Spahn Managementversagen vor
29.05.2021, 12:21 Uhr
Jens Spahn muss sich nicht zum ersten Mal Vorwürfe für sein Krisenmanagement gefallen lassen.
(Foto: dpa)
Corona-Teststellen sollen nach einem Medienbericht kostenfreie Bürgertests falsch abgerechnet haben. Die Schwerpunktstaatsanwaltschaft Wirtschaftskriminalität hat inzwischen Ermittlungen aufgenommen. Nun gerät Gesundheitsminister Jens Spahn in die Schusslinie.
Angesichts des Verdachts von Abrechnungsbetrug in privaten Corona-Teststellen hat die SPD Gesundheitsminister Jens Spahn attackiert. Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Carsten Schneider, sagte: "Nach den Masken jetzt die Schnelltests. Das Managementversagen im Gesundheitsministerium hat inakzeptable Ausmaße angenommen." Spahn habe Warnungen und Hinweise von Abgeordneten der Koalitionsfraktionen für die Testbedingungen ignoriert. "Er trägt die Verantwortung für den verantwortungsvollen Umgang mit dem Geld der Steuerzahler und muss die Selbstbedienung unverzüglich beenden."
Die gesundheitspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Karin Maag, sagte: "Kriminelle Energie kann man wohl nirgends ausschließen. Allerdings sind bei mir bislang noch keine belastbaren Zahlen aufgetaucht." Da die Zentren die Unterlagen aufbewahren müssten, gehe sie davon aus, dass die Länder zumindest stichprobenartig die Anzahl der abgerechneten Fälle und die bei den Kassenärztlichen Vereinigungen eingegangenen Abrechnungsunterlagen überprüfen. "Sollten sich daraus Unregelmäßigkeiten ergeben, muss natürlich konkreten Fällen nachgegangen werden."
Ermittlungen im Ruhrgebiet gegen zwei Betreiber
Nach einer Recherche von "Süddeutsche Zeitung", NDR und WDR sollen in Corona-Teststellen vielerorts deutlich mehr Tests bei den Kassenärztlichen Vereinigungen abgerechnet werden, als tatsächlich durchgeführt worden seien. Der Bericht verweist auf mangelnde Kontrollmöglichkeiten seitens der Behörden. Seit März sieht die Corona-Testverordnung der Bundesregierung Bürgertests vor. Im April hatten die Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) erstmals die Kosten beim Bundesamt für Soziale Sicherung abgerechnet. Die Teststellen erhalten 18 Euro pro Test. In den Monaten April und Mai wurden insgesamt 660 Millionen Euro überwiesen. Die Daten, die für die Kontrolle der korrekten Leistungserbringung nötig sind, müssen bis zum 31. Dezember 2024 aufbewahrt werden.
Nach den Recherchen lädt das System zum Abrechnungsbetrug ein, da eine Kontrolle fehle. Stichproben hätten etwa an einer Teststelle in Köln ergeben, dass statt 70 wirklich genommener Proben fast 1000 abgerechnet worden seien. Ähnliches hätten Stichproben unter anderem in Essen und in Münster zutage gefördert. Der Bericht verweist auf mangelnde Kontrollmöglichkeiten seitens der Behörden.
Die Schwerpunktstaatsanwaltschaft Wirtschaftskriminalität in Bochum hat inzwischen Ermittlungen gegen zwei Verantwortliche eines in Bochum ansässigen Unternehmens, das an mehreren Standorten Teststellen betreibe, aufgenommen.
Wie die Staatsanwaltschaft bestätigte, wurden im Ruhrgebiet bereits Geschäftsräume und Privatwohnungen durchsucht. Dabei seien auch Unterlagen beschlagnahmt worden. Den Namen des verdächtigen Unternehmens wollte die Behörde nicht nennen.
Bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe möglich
Unions-Fraktionsvize Thorsten Frei erklärte am Samstag: "Es ist ein gutes Signal, dass die Staatsanwaltschaft Bochum wegen des Betrugsverdachts an Corona-Teststellen Ermittlungen aufgenommen hat. Denn wenn solcher Abrechnungsbetrug tatsächlich vorläge, wären es am Ende die Steuerzahler, die geprellt würden. Es ist deshalb richtig, dass die Strafverfolgung hier genau hinsieht und konsequent verfolgt."
Ein Sprecher des Bundesjustizministeriums sagte am Samstag auf Anfrage: "Es bedarf genauer Kontrollen der Abrechnungen durch Corona-Teststellen, wenn es Hinweise auf Unregelmäßigkeiten gibt. Bei Betrugsverdacht bedarf es konsequenter strafrechtlicher Ermittlungen." Und weiter: "Wir haben ja ausdrücklich eine Zulassung der Testzentren durch die Behörden vor Ort vorgesehen, auch Länder und KVen haben Kontrollmöglichkeiten. Wenn einzelne Akteure diese scheinbar kriminell unterlaufen, ist das nicht akzeptabel. Nachdem die Marktpreise mittlerweile gesunken sind, planen wir nun eh die Vergütungen abzusenken. Bei der Gelegenheit werden wir auch stärkere Kontrollmechanismen prüfen." Gewerbsmäßiger Betrug könne nach dem Strafgesetzbuch mit bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe geahndet werden."
Quelle: ntv.de, awi/dpa