Regierung in Rom vor dem Aus Salvini fordert schnelle Neuwahlen
08.08.2019, 20:13 Uhr
Alle in Rom warten auf sein Kommando: Salvini fordert Neuwahlen für Italien.
(Foto: picture alliance/dpa)
Mitten in der Sommerpause steht die Koalition zwischen der rechten Lega und der linkspopulistischen Fünf-Sterne-Bewegung vor dem Aus: Lega-Chef Salvini fordert schnelle Neuwahlen. Wie geht es nun in Rom weiter? Dafür gibt es mindestens drei Szenarien.
Die Regierungskoalition in Italien steht vor dem Bruch. Der italienische Innenminister und Chef der rechten Lega, Matteo Salvini, dringt auf eine Neuwahl in Italien und erhöht den Druck auf Regierungschef Giuseppe Conte. Diesem habe er gesagt: "Gehen wir sofort ins Parlament, um anzuerkennen, dass es keine Mehrheit mehr gibt", hieß es in einer Erklärung Salvinis. "Geben wir das Wort schnell an die Wähler zurück."
Schon am Nachmittag hatte Salvinis Lega offensiv eine Neuwahl als einzige Alternative zur bestehenden Koalition mit der Fünf-Sterne-Bewegung ins Spiel gebracht. Weil unklar blieb, ob Salvini die Regierungsallianz platzen lassen wollte, forderte die Fünf-Sterne-Bewegung Aufklärung: "Sie sollen klar sagen, was sie tun wollen."
Am späten Nachmittag trafen sich die Parteichefs im Amtssitz des Ministerpräsidenten in Rom. In der aufgeheizten Stimmung hatten schon zuvor hochrangige Treffen in Rom stattgefunden. Regierungschef Giuseppe Conte war mit Staatspräsident Sergio Mattarella zusammengekommen. Bei dem einstündigen Treffen soll es aber weder um einen möglichen Rücktritt des Premiers noch um eine etwaige Regierungskrise gegangen sein, berichtete die Nachrichtenagentur Ansa. Beratungen gab es demnach zuvor auch mit Sterne-Chef Luigi Di Maio. Doch alle warteten auf eine Entscheidung Salvinis, hieß es in Rom.
Bahnprojekt: Da ist "etwas kaputt gegangen"
Auslöser für die Krise in der ohnehin zerstrittenen Koalition war ein Votum der Fünf-Sterne-Bewegung gegen ein Bahnprojekt, das die Lega befürwortet. Salvini hatte daraufhin gesagt, in den vergangenen Monaten sei in der Koalition "etwas kaputtgegangen". Schon im März wäre die Regierungsallianz an dem Streit um die Bahnstrecke fast zerbrochen. Doch am Mittwoch erreichte der Konflikt eine neue Qualität: Bei einem Votum im Senat stellten sich die Fünf Sterne gegen eine geplante Schnellbahnstrecke zwischen Lyon und Turin, die die Lega unterstützt.
Es sei sinnlos, mit ständiger Ablehnung und Streitigkeiten weiterzumachen wie in den vergangenen Wochen, erklärte Salvini. "Die Italiener brauchen Gewissheit und sie brauchen eine Regierung, die funktioniert." In seiner Mitteilung verurteilte Salvini "wiederholte Beleidigungen von sogenannten Verbündeten" gegen ihn selbst und die Lega. Verkehrsminister Danilo Toninelli hatte ihn kürzlich als "Zwerg auf den Schultern von Riesen" bezeichnet.
Regierungumbildung, Technokraten oder Neuwahl?
Drei Szenarien sind nun möglich: Die wahrscheinlichste Möglichkeit ist eine Regierungsumbildung. Italienischen Medienberichten zufolge hat Salvini im Gespräch mit Regierungschef Giuseppe Conte bereits Bedingungen für einen Verbleib der Lega in der Regierung formuliert. Er fordert demnach unter anderem den Rücktritt dreier Minister: Verkehrsminister Toninelli wirft er vor, nicht nur das Bahnprojekt, sondern "aberdutzende weitere öffentliche Baustellen" zu blockieren.
Verteidigungsministerin Elisabetta Trenta ist Salvini ebenfalls ein Dorn im Auge. Ihr wirft er mangelndes Engagement im Vorgehen gegen die Migranten, die über das Mittelmeer kommen, vor. Wirtschaftsminister Giovanni Tria will Salvini Medienberichten zufolge wegen seines zögerlichen Auftretens gegenüber Brüssel loswerden. Salvini könnte sich Beobachtern zufolge aber auch mit einer weniger radikalen Regierungsumbildung zufriedengeben.
Sollte die Regierung auseinanderbrechen und sich im Parlament keine neue Mehrheit für eine Regierungsbildung finden, könnten im Oktober vorgezogene Parlamentswahlen stattfinden. Jüngsten Umfragen zufolge würde die Lega die Wahlen gewinnen und könnte mit der kleinen rechtsextremen Partei Fratelli d'Italia koalieren.
Schuldenstreit mit der EU: Funktionierende Regierung nötig
Das dritte denkbare Szenario wären Neuwahlen Anfang nächsten Jahres. Präsident Sergio Mattarella hat mehrfach darauf gepocht, dass eine Regierung im Amt sein muss, um im Schuldenstreit mit der EU den Haushaltsplan fertigzustellen. Dessen erster Entwurf muss der EU bis Ende September vorgelegt werden. Der Präsident könnte eine Übergangsregierung aus Technokraten ernennen und die Neuwahlen auf Februar oder März verschieben.
Die italienische Nachrichtenagentur Agi berichtete, der Senat könne am 20. August zusammentreten, um den Verlust der Regierungsmehrheit festzustellen. Das Parlament könne dann binnen weniger Tage aufgelöst werden. Neuwahlen müssten laut Verfassung dann in einer Frist von 50 bis 70 Tagen stattfinden.
Quelle: ntv.de, mau/dpa/AFP