Klimatalk bei "Hart aber fair" Schätzing: "Wir haben nur noch zehn Jahre Zeit"
21.03.2023, 03:20 Uhr
"Wir müssen jetzt schnell sein", sagt Frank Schätzing.
Noch immer erhitzt ein Gesetzentwurf von Wirtschaftsminister Habeck die Gemüter. Der sieht unter anderem den Ersatz alter Heizungsanlagen durch umweltfreundliche vor. In der ARD-Talkshow "Hart aber fair" diskutieren die Gäste am Montagabend darüber.
"Der Komapatient Deutschland ist nach Jahren des Dahindämmerns wieder ansprechbar und erkennt seine Umgebung. Und er erkennt, dass er auf nahezu allen technischen Feldern seine Vorreiterrolle eingebüßt hat, dass er sich abhängig gemacht hat, dass er sich zehn Jahre lang seine Klimapolitik schön geträumt hat." So beginnt Schriftsteller Frank Schätzing ("Der Schwarm") am Montagabend die ARD-Talkshow "Hart aber fair". Inzwischen habe der Weltklimarat festgestellt, dass sich die Erde schneller erwärmt und dass wir immer noch zu wenig dagegen tun. Schätzing: "Zufrieden sein kann man auf allen Feldern nicht."
Schätzing findet zwar, dass die Ampelkoalition im Prinzip eine gute Arbeit macht. Allerdings kritisiert er, man habe manchmal das Gefühl, die Gesetze kämen schnell, seien oft nicht richtig durchdacht, und die Regierung nehme die Bevölkerung nicht mit. "Wir müssen jetzt schnell sein, wir haben nur noch zehn Jahre Zeit", betont er. Der Energieumbau werde teuer, aber er werde sich langfristig rechnen. Gewinner der Wende könne nur sein, wer frühzeitig und konsequent auf Zukunftstechnologien, erneuerbare Energien und neue Wertschöpfungsketten setze.
Schnelle Vorlage, aber nicht richtig durchdacht: Das könnte auch auf die Idee von Wirtschaftsminister Robert Habeck zutreffen. Der will, dass ab dem kommenden Jahr neue Heizungen mindestens zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien beheizbar sein müssen. Im Moment bedeutet das, dass Hausbesitzer und Vermieter auf Wärmepumpen zurückgreifen müssen. Die sind aktuell wahnsinnig teuer.
Es gehe nicht darum, dass Heizungen sofort ausgewechselt werden müssten, sondern innerhalb der nächsten Jahrzehnte, sagt die grüne Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt bei "Hart aber fair". Da ist die Vorlage von Habeck und deren Umsetzung Thema.
Es handle sich um einen Vorschlag, erklärt Göring-Eckardt. "Und dieser Vorschlag ist völlig unausgegoren", sagt der stellvertretende Bundesvorsitzende der FDP, Johannes Vogel. "Wir brauchen einen Plan, der funktioniert. Und das sehe ich hier nicht." Klar sei, dass Heizen klimaneutral werden müsse. Doch dazu sei der Habeck-Plan nicht der richtige.
Für klimaneutrales Heizen spricht sich auch Monika Hohlmeier aus. Die CSU-Politikerin und Tochter des früheren bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß sitzt für ihre Partei im Europaparlament. Sie sagt: "Jetzt wäre die Zeit für Innovationen, welcher Art auch immer. Hauptsache, sie helfen." So wolle die Ampel Einzelhaushalten das Heizen mit Biogas oder E-Fuels verbieten. Die Ampelkoalition habe die Bürger abgeschreckt. "Das ist falsch. Wenn das ein gemeinsamer Kraftakt werden soll, wird er auch gemeinsam gestaltet werden müssen."
Ein Verschrottungsgesetz
Im Moment sei man in der Phase, wo man über Verbesserungen der Vorlage von Habeck reden müsse, lenkt Göring-Eckardt ein. "Dieser Entwurf ist noch keine abschließende Liste, das wäre auch verrückt. Es kann ja sein, dass in fünf Jahren die nächste Innovation kommt, oder es kann sein, dass es irgendwann möglich ist, auch mit anderen Varianten zu heizen." Im Moment liege aber der Fokus auf dem Einbau von Wärmepumpen. Die kämen seit 2021 in praktisch allen neu eingerichteten Häusern zum Einsatz.
Für Vogel ist das geplante Verbot von mit Fernwärme beheizten Privathaushalten falsch. Er spricht von einem "Verschrottungsgesetz", weil es zu viele mögliche Heizverfahren nicht berücksichtige und nur auf den Einbau von Wärmepumpen setze.
Frank Schätzing ist da ganz anderer Meinung. "Die Wärmepumpe ist jedem anderen System überlegen", sagt er. Die Energieeffizienz von E-Fuels und grünem Wasserstoff sei dagegen sehr schlecht. So müsse man sich genau überlegen, wo man diese Energieformen einsetze: E-Fuels zum Beispiel in der Schifffahrt, grünen Wasserstoff in der Industrie.
E-Autos für Deutschland
Vogel spricht sich vor allem für Innovationsoffenheit aus. Zwar ist er sich sicher, dass zum Beispiel auf deutschen Straßen in Zukunft überwiegend E-Autos unterwegs sein werden. Dennoch will er auf den Einsatz von E-Fuels nicht ganz verzichten. So könne emissionsfreier Flugverkehr in Zukunft nur mit synthetischen Treibstoffen ermöglicht werden. Er sei froh, dass die Grünen Bereitschaft signalisiert haben, über die Gesetzesvorlage aus dem Wirtschaftsministerium noch einmal zu reden. Gleichzeitig sieht er noch eine weitere Möglichkeit, die Energiewende zu fördern: den Handel mit Zertifikaten. "In den Sektoren, wo wir den schon haben, werden die Klimaziele erreicht", sagt Vogel. "In den Bereichen Verkehr und Wohnen haben wir ihn nicht, und da erreichen wir auch die Klimaziele nicht."
Göring-Eckardt spricht sich schließlich für einen Mix aus Ordnungspolitik und Innovationsoffenheit aus und Schätzing fügt hinzu, dass die vorhandenen Ideen auch umgesetzt werden müssten. Sein Fazit am Ende der Sendung: "Wir haben technologisch sehr gute Möglichkeiten, die Klimawende zu schaffen. Was wir tun müssen, ist: Zuversicht verbreiten, statt immer nur Angst zu machen."
Quelle: ntv.de