
Das Amtsgericht Chemnitz hat das Verfahren gegen Pham Phi Son zwar eingestellt, vor einer Abschiebung sind er und seine Familie aber noch nicht sicher.
(Foto: picture alliance/dpa)
Pham Phi Son verbringt mehr als die Hälfte seines Lebens in Sachsen. Wegen einer ärztlichen Behandlung im Ausland soll er mit seiner Familie abgeschoben werden. Der Fall zeige, welche Verhältnisse in sächsischen Behörden noch immer herrschten, sagt Paula Moser vom sächsischen Flüchtlingsrat.
Obwohl das Amtsgericht Chemnitz ein Verfahren gegen den Pham Phi Son eingestellt hat, droht dem Vietnamesen und seiner Familie weiterhin die Abschiebung. Die Ausländerbehörde Chemnitz hat in einem Gespräch mit Familie und ihrer Anwältin deutlich gemacht, dass sie keinen Aufenthaltstitel an die Familie erteilen werde. Damit liegt das Schicksal der Familie zum dritten Mal bei der Härtefallkommission, die bereits zwei Mal gegen den 66-Jährigen entschieden hat.
Für Paula Moser vom Sächsischen Flüchtlingsrat ist dieses Schauspiel nur schwer erträglich. Zwar sei das jüngste Urteil positiv zu bewerten, da es die Umstände berücksichtigt habe, unter denen Pham sich drei Monate zu lange wegen einer Operation in Vietnam aufhielt. "Damit wird aber erneut deutlich, wie absurd es ist, jemand, der mehr als 35 Jahre hier lebt, wegen einer länger andauernden ärztlichen Behandlung das Aufenthaltsrecht zu entziehen", sagt Moser ntv.de.
Pham wurde die Aufenthaltserlaubnis entzogen, weil er sich 2015 neun Monate statt den erlaubten sechs im Ausland aufhielt. Grund war eine alte Kriegsverletzung am Knie, die behandelt werden musste. Die Ausländerbehörde will Pham trotzdem keine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen nach Paragraf 25 Absatz 5 erteilen. Der besagt, dass eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden kann, wenn eine "Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich" ist - so wie es im Fall von Pham nun gerichtlich bestätigt wurde.
Erst Gastarbeiter, dann wieder raus aus dem Land?
Trotzdem behauptet die Ausländerbehörde Chemnitz, sie sehen "keine rechtlichen Spielräume" für eine Aufenthaltserlaubnis. Ihrer Auffassung nach würde die Behörde ihr Ermessen damit nicht nutzen, erklärt Moser. Es sei im Ermessen der Behörden, ob der Paragraf im Einzelfall greife oder nicht. Eine Rolle spiele demnach, ob die Person faktisch als "Inländer" gelte oder nicht. Als faktische Inländer bezeichnet man Personen ohne deutschen Pass, die aber fast ihr ganzes Leben in Deutschland verbracht haben, integriert sind und Deutsch sprechen. "So wie Herr Pham", sagt Moser. Trotzdem sehe die Ausländerbehörde den 66-Jährigen nicht als qualifizierten Inländer an. "Das ist ja das Schlimme an der Sache."
Vor allem historisch sei dies hochproblematisch, erklärt Moser. "Wenn man bedenkt, wie Herr Pham vor 36 Jahren als Vertragsarbeiter in die DDR kam, ist die Entscheidung der Ausländerbehörde nur schwer nachvollziehbar." Damals gab es kein Interesse daran, die Sprachkenntnisse von Gastarbeitern zu verbessern oder sie gar in die Gesellschaft der DDR zu integrieren. "Im Gegenteil, es wurde eher davon abgehalten", so Moser. Dieser historische Kontext werde weder von der Ausländerbehörde, noch von der Härtefallkommission berücksichtigt.
Stattdessen werde Pham von der Ausländerbehörde fehlende Sprachkenntnisse vorgeworfen, obwohl sich dieser auf Deutsch gut verständigen könne. "Für einen Aufenthaltstitel aus humanitären Gründen wie Familie Pham beantragt hat, muss ein Sprachlevel von mündlich A2 eigentlich reichen", erklärt Moser. Das entspricht laut Definition sich in einfachen, routinemäßigen Situationen verständigen zu können, in denen es um einen einfachen und direkten Austausch von Informationen über vertraute und geläufige Dinge geht.
Im Fall der Familie Pham werde deutlich, welche Verhältnisse und Rassismen in sächsischen Behörden und politischen Abläufen steckten, sagt Moser. Zuvor hatte ihr Kollege Dave Schmidtke dem MDR gesagt, dass in anderen Bundesländern die Behörden längst zugunsten der Familie entschieden hätten. Der Fall sei aber kein Einzelfall, es gebe hunderte andere Personen, die genauso leiden würden, gibt Moser zu Bedenken.
Dritter Versuch bei der Härtefallkommission
Vor allem werde auf dem Rücken der Familie "ein Pingpong zwischen Behörden und Härtefallkommission ausgetragen", sagt der sächsische Flüchtlingsrat. Denn durch die Ablehnung durch die Ausländerbehörde liegt das Schicksal der Familie zum dritten Mal bei der Härtefallkommission. Warum die den Fall bereits zwei Mal abgelehnt hat, kann sich auch Moser nicht erklären. "Die Kommission tagt hinter geschlossenen Türen. Da sind keine anderen Personen dabei."
Anfang Mai soll erneut über die Abschiebung entschieden werden. Bis dahin hat die Familie eine Aufenthaltserlaubnis und soll mit Sprachkursen ihre Chancen auf ein Bleiberecht verbessern. Was mit Pham, seiner Frau und der gemeinsamen sechsjährigen Tochter passiert, wenn die Härtefallkommission den Antrag ein drittes Mal ablehnt, kann Moser nicht sagen. "Wir hoffen einfach inständig, dass sie dem Fall zustimmt. Und wir erinnern auf den sächsischen Innenminister an sein Wort, der Mitte Februar gesagt hat, dass sich nun eine Lösung für die Familie finden soll."
Quelle: ntv.de