Lieferant für grüne Energie Scholz und von der Leyen planen modernere Ukraine
25.10.2022, 12:30 Uhr
Scholz bezeichnete den Wiederaufbau der Ukraine als "Generationenaufgabe".
(Foto: dpa)
Bei einer Wiederaufbau-Konferenz wollen EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen und Kanzler Scholz die Grundlagen für die Zukunft der Ukraine schaffen. Konkrete Finanzierungszusagen soll es keine geben - auch wenn sich Kiew akute Hilfen beim Stopfen von Haushaltslöchern erhofft.
Der Wiederaufbau der durch andauernde russische Angriffe schwer geschädigten Ukraine soll zugleich eine Modernisierung des Landes bringen. Das haben Bundeskanzler Olaf Scholz und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen auf einer Wiederaufbau-Konferenz in Berlin angekündigt. Man werde sich nicht nur um den Wiederaufbau kümmern, sondern auch um Investitionen in neue Bereiche, sagte Scholz an. Die Ukraine solle etwa künftig Lieferant grüner Energie für die EU werden.
Von der Leyen und Scholz bezeichneten den Wiederaufbau der Ukraine als einen internationalen Kraftakt. Ein solcher Marshallplan nach dem Vorbild des US-Aufbauprogramms für Deutschland und ganz Europa nach dem Zweiten Weltkrieg sei "eine Generationenaufgabe, mit der man jetzt beginnen müsse", forderte Scholz. Dies werde die "Stärke der gesamten Völkergemeinschaft notwendig machen". Von der Leyen mahnte, es sei keine Zeit zu verschwenden.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, der per Video aus Kiew zugeschaltet war, erklärte, dass sein Land künftig Energielieferungen Russlands an die EU ersetzen und auch Strom liefern könne. Scholz betonte, dass es sich bei dem Treffen nicht um eine Geberkonferenz handele. Man wolle vielmehr die Strukturen für die künftige Hilfe besprechen. "Je besser die Grundlagen jetzt gelegt werden, desto größer wird die internationale Hilfe in den kommenden Jahren sein", sagte er.
Deshalb wolle man über Transparenz, gute Regierungsführung, den Antikorruptionskampf, die Dezentralisierung und regionale Entwicklung sowie Investitionsförderung in der Ukraine sprechen. Selenskyj versprach entsprechende Anstrengungen und betonte, dass seiner Ansicht nach die Ukraine bereits den Status eines EU-Mitglieds erreicht habe. Investitionen seien aber auf jeden Fall Investitionen in ein künftiges Mitgliedsland der Europäischen Union.
Selenskyj fordert Einfrieren russischer Vermögen
Von der Leyen sagte, dass die Ukraine einen monatlichen Finanzbedarf von rund drei bis vier Milliarden Euro zur Finanzierung des Haushalts und der Gehälter der Staatsbediensteten habe. Sie arbeite mit den EU-Staaten daran, dass die Europäische Union davon 1,5 Milliarden Euro bereitstellen werde. Selenskyj forderte, dass ein entsprechender Finanzierungsfonds bereits im kommenden Monat eingerichtet werden müsse. Von der Leyen bot an, dass die EU-Kommission das Kommissariat für die geplante internationale Wiederaufbau-Plattform einrichten könne. Diese Plattform müsse bis Jahresende stehen.
Scholz verband die Zusicherung einer dauerhaften Hilfe für die Ukraine mit scharfer Kritik an Russland. Die russischen Angriffe auf die Infrastruktur in der Ukraine bezeichnete der Kanzler als neuen "Tiefpunkt" im Verhalten der Moskauer Führung. Selenskyj warf Russland vor, die Entwicklung seines Landes mit den gezielten Angriffen etwa auf den Energiesektor bewusst hemmen zu wollen. Beide betonten die Notwendigkeit, ukrainische Städte mit einer besseren Flugabwehr gegen russische Raketen zu schützen.
Der ukrainische Präsident forderte zudem einen neuen Mechanismus, mit dem etwa die EU russische Vermögenswerte einfrieren solle, um den Wiederaufbau in der Ukraine zu bezahlen. Die ukrainische Regierung schätzt die Kosten auf 750 Milliarden Dollar. Am Montag hatte in Berlin eine Wirtschaftskonferenz für Privatinvestitionen in der Ukraine stattgefunden.
Selenskyj nutzte die Wiederaufbau-Konferenz auch dazu, um akute Hilfe bei der Deckung des im kommenden Jahr erwarteten Milliarden-Haushaltsdefizits zu bitten. "Es ist sehr viel Geld, es geht um ein Defizit von 38 Milliarden Dollar", sagte der Staatschef. Er hoffe, dass die Entscheidung zur finanziellen Hilfe angesichts des Haushaltsdefizits "heute" falle, sagte Selenskyj. Das Geld werde unter anderem benötigt für Gehälter für Ärzte und Lehrer sowie für Renten und Sozialleistungen.
Quelle: ntv.de, jog/rts/AFP