Bericht: Option für die Zukunft Scholz will keine Taurus liefern, Kiesewetter sieht "Totalausfall"
05.10.2023, 08:08 Uhr Artikel anhören
Offiziell ist noch keine Entscheidung gefallen, intern steht wohl aber schon fest: Aus Deutschland wird es derzeit keine Taurus-Raketen geben.
(Foto: picture alliance/AP Photo)
Großbritannien und Frankreich legen vor, Deutschland zieht aber nicht nach: Laut Medienberichten wird es derzeit keine langersehnten Taurus-Marschflugkörper für die Ukraine aus Deutschland geben. Zur Begründung sagt Scholz demnach, Briten und Franzosen können etwas, "was wir nicht dürfen".
Seit Monaten fordert die Ukraine von Deutschland die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern, um russische Stellungen weit hinter der Frontlinie angreifen zu können. Nach einem Bericht der ARD und der "Bild"-Zeitung soll nun klar sein, dass die Bundesregierung den Wunsch des von Russland angegriffenen Landes vorerst nicht erfüllen wird. Eine Bestätigung dafür gibt es allerdings bislang nicht. "Zur Frage von Taurus-Marschflugkörpern gibt es keinen neuen Sachstand mitzuteilen", sagte eine Regierungssprecherin.
Im Klartext bedeutet das: Eine formelle Entscheidung gibt es weiter nicht. Die Bundesregierung hat in den vergangenen Wochen immer wieder erklärt, dass man sich die Entscheidung nicht leicht machen werde und das Thema weiter mit den Bündnispartnern diskutiere.
Auch "Bild" berichtete, dass Deutschland der Regierung in Kiew bislang der Anfrage nach den Raketen mit einer Reichweite von 500 Kilometern keine formelle Absage erteilt habe. Intern sei aber klargemacht worden, dass die Taurus-Raketen derzeit nicht geliefert werden. So halte sich Scholz die Option für die Zukunft offen.
Öffentlich hat der Kanzler zuletzt immer wieder erklärt, dass sich Deutschland aktuell auf die Lieferung von Luftabwehrsystemen konzentrieren wolle. Seine skeptische Haltung zu den Marschflugkörpern ist seit Langem bekannt. Dahinter steckt, dass mit diesen Waffen auch bis weit auf russisches Territorium geschossen werden kann.
"Die Frage stellt sich nicht"
Großbritannien und Frankreich haben trotzdem Marschflugkörper der praktisch identischen Typen "Storm Shadow" und "Scalp" geliefert. Laut "Bild"-Zeitung hat Scholz dazu vergangene Woche in einer Sitzung des Auswärtigen Ausschusses gesagt, dass diese beiden Länder "etwas können, was wir nicht dürfen", und hinzugefügt: "Damit stellt sich die Frage nicht."
Gemeint sei damit, dass Großbritannien und Frankreich die Geodaten für Raketenziele selbst lieferten, Großbritannien auch mit eigenem Personal vor Ort in der Ukraine. Das kommt für die Bundesregierung nicht infrage. Zudem sollen deutsche Regierungsvertreter dem Bericht zufolge die Sorge geäußert haben, dass mit Taurus-Marschflugkörpern die Kertsch-Brücke zwischen dem russischen Festland und der von Russland annektierten ukrainischen Halbinsel Krim getroffen werden könnte.
Hofreiter: "verheerendes Signal"
Der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter bekräftigte seine Forderung nach Lieferung der Taurus-Raketen in die Ukraine: "Mit der Absage der Taurus-Lieferung bestätigt Scholz den Totalausfall Deutschlands als selbst ernannte Führungsnation für europäische Sicherheit und stößt unsere Partner wie Großbritannien und Frankreich vor den Kopf, die bereits Marschflugkörper liefern", sagte er der "Bild".
Auch Grünen-Politiker Anton Hofreiter kritisiert die Zurückhaltung der Bundesregierung. Das sende ein "verheerendes Signal" an Moskau. Mangelnde Entschlossenheit und zähe Diskussionen über Waffensysteme bestärkten Moskau nur darin, auf lange Sicht den Krieg gewinnen zu können, sagte Hofreiter im Deutschlandfunk. "Solange wir dieses Signal immer wieder aus Ängstlichkeit, aus Überforderung, aus nicht schnell genug entscheiden können entsenden, solange wird dieser Krieg weitergehen", warnte er.
Der Vorsitzende des Europaausschusses im Bundestag befürwortet seit Langem eine Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine, die das angegriffene Land seit Monaten von Deutschland fordert. "Ich erwarte vom Kanzler (Olaf Scholz), dass er endlich den Weg freimacht für die vernünftige Unterstützung der Ukraine", sagte Hofreiter. Der Krieg werde erst zu Ende gehen, wenn Russlands Präsident Wladimir Putin verstehe, dass es sich für ihn nicht lohne, den Krieg gegen die Ukraine weiter fortzusetzen. Dafür brauche es Entschlossenheit.
Quelle: ntv.de, hny/dpa