"Gesetze kompliziert machen" Seehofer prahlt mit seiner Trickkiste
07.06.2019, 10:56 Uhr
Seehofer muss sich im Bundestag die Kritik der SPD anhören.
(Foto: dpa)
Bundesinnenminister Seehofer räumt in seltener Offenheit ein, dass ein absichtlich kompliziert gefasstes Gesetzespaket die öffentliche Debatte darüber verhindern soll. In den sozialen Medien bricht sich ein Sturm der Empörung Bahn. Die SPD fühlt sich "verhöhnt".
Ein gar nicht so untypischer Auftritt von Horst Seehofer bringt dem Bundesinnenminister viel Kritik ein. Anlass sind seine Äußerungen zum Datenaustauschgesetz, das heute als Teil des Migrationspakets im Bundestag verabschiedet werden soll. Der CSU-Politiker räumt in einem von der ARD verbreiteten Video ein, dass das Gesetz sehr kompliziert gefasst sei. Warum das so ist? "Ich hab' jetzt die Erfahrung gemacht in den letzten 15 Monaten: Man muss Gesetze kompliziert machen. Dann fällt das nicht so auf", sagt Seehofer mit einem Lächeln im Gesicht.
Der 69-Jährige lässt vor der Kamera keinen Zweifel daran, dass es dem Ministerium tatsächlich darum geht, öffentliche Debatten zu vermeiden. "Wir machen nichts Illegales, wir machen Notwendiges. Aber auch Notwendiges wird ja oft unzulässig in Frage gestellt", sagt Seehofer. Vor allem an der letzten Äußerung entzündet sich Kritik, weil in einer Demokratie nicht der Innenminister zu bestimmen hat, bei welchen Themen und Gesetzgebungsprozessen öffentliche Kritik legitim ist. Zumal das Datenaustauschgesetz aus Sicht von Datenschützern tatsächlich kritisch ist und keineswegs feststeht, ob es den Bundesrat passieren würde.
Auf Twitter stürzten sich zahlreiche Kommentatoren auf das Video und rügten die Aussagen zu Hunderten. Damit ist der Union das dritte Eigentor binnen zwei Wochen gelungen, nachdem zuvor CDU-Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer mit ihrem unsouveränen Umgang mit dem Rezo-Video und Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner mit ihrer Nestlé-Kampagne viele Social-Media-User gegen sich aufgebracht hatten.
"Eine Frechheit und eine Dreistigkeit"
Tatsächlich sind weder Seehofer noch das Bundesinnenministerium die ersten, die versuchen, öffentlichen oder parlamentarischen Widerstand in der Gesetzgebung zu umgehen. Auch in der Vergangenheit hat es Fälle gegeben, in denen umstrittene Änderungen offenbar in anderen Gesetzespaketen oder hinter umständlichen Formulierungen versteckt werden sollten.
Auch der Zeitpunkt, wann ein Gesetz zur Debatte ins Plenum kommt, sollte wohl manches Mal besonders günstig sein - etwa während sportlichen Großereignissen. Wirklich geklappt hat das aber selten. Hinzu kommt in letzter Zeit der Trend, Gesetze mit einem gut vermarktbaren Namen zu versehen wie etwa das "Gute-Kita-Gesetz".
Bemerkenswert ist daher eher Seehofers Offenheit bei dem Thema. Im Bundestag kassierte der frühere CSU-Chef prompt eine scharfe Zurechtweisung durch den Koalitionspartner SPD: "Wir Sozialdemokraten haben uns an dieser Stelle verhöhnt gefühlt", schimpfte der sichtlich erboste Carsten Schneider, Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion im Plenum. "Ich finde das eine Frechheit und eine Dreistigkeit, was Sie sich da erlaubt haben", sagte Schneider. Das Video verunsichere die Menschen und zerstöre Vertrauen. Seehofer lauschte der Kritik auf der Regierungsbank sitzend. Er lächelte nicht.
Quelle: ntv.de