Die Kriegsnacht im Überblick Selenskyj erwartet länger andauernden Krieg - UN besorgt wegen Getreidemangel
19.05.2022, 06:46 Uhr
Will das Kriegsrecht verlängern: Präsident Selenskyj.
(Foto: IMAGO/photothek)
Wegen der Zunahme des Hungers in der Welt fordern die Vereinten Nationen von Russland dringend die Freigabe blockierter Getreidevorräte aus der Ukraine. In dem Kriegsland gingen unterdessen die Kämpfe zwischen russischen und ukrainischen Truppen auch in der Nacht weiter. Präsident Wolodymyr Selenskyj bereitete die Bevölkerung auf einen weiter andauernden Krieg vor und plädierte für die Verlängerung des Kriegsrechts um 90 Tage bis in den August. Die US-Botschaft in Kiew nahm nach fast drei Monaten Unterbrechung wieder die Arbeit auf, der US-Senat bestätigte eine neue Botschafterin.
Kämpfe mit zivilen Opfern im Donbass
Die Lage an den einzelnen Fronten in der Ukraine blieb weitgehend unverändert. Im Osten versuchen russische Truppen weiter, die Gebiete Donezk und Luhansk vollständig zu erobern. Die Härte der Angriffe zeige sich auch am Tod von 15 Zivilisten in der Region am Mittwoch, teilte die ukrainische Armee mit. Demnach wurde auch mindestens ein Kind getötet.
Ihrerseits nahmen die ukrainischen Streitkräfte für sich in Anspruch, im Norden der Großstadt Charkiw ein weiteres Dorf zurückerobert zu haben. In den vergangenen Wochen hatte die ukrainische Armee die russischen Truppen im Norden und Nordosten Charkiws eigenen Angaben zufolge immer weiter Richtung Grenze zurückgedrängt. Wie die meisten Militärberichte auf beiden Seiten waren auch diese Angaben nicht sofort zu überprüfen.
Russische Truppen beschossen laut Kiewer Angaben von eigenem Staatsgebiet aus auch die nordostukrainischen Gebiete Sumy und Tschernihiw. Russland machte die Ukraine wiederum für Beschuss auf das Grenzdorf Tjotkino und andere Orte im Gebiet Kursk verantwortlich.
In Kiew bereitete Präsident Wolodymyr Selenskyj die Bevölkerung auf einen weiter andauernden Krieg vor und plädierte für die Verlängerung des Kriegsrechts um 90 Tage bis in den August. "Unsere Armee und alle, die den Staat verteidigen, müssen über alle rechtlichen Mittel verfügen, um in Ruhe zu agieren", sagte der Staatschef in einer Videoansprache.
Moskau dehnt Gebietsansprüche auf Saporischschja aus
Als bislang ranghöchster Politiker aus Moskau besuchte Vize-Regierungschef Marat Chusnullin das teilweise eroberte Gebiet Saporischschja im Südosten der Ukraine. Die Perspektive der Region liege darin, "in unserer einträchtigen russischen Familie zu arbeiten", sagte er in der Kleinstadt Melitopol. Die Gebietshauptstadt Saporischschja ist weiter in ukrainischer Hand. Für besondere Empörung in Kiew sorgte Chusnullins Forderung, die Ukraine solle für Strom aus dem von russischen Truppen besetzten Kernkraftwerk von Saporischschja bezahlen. Auch in Cherson sucht die Besatzungsmacht nach einem Weg, das Gebiet an Russland anzuschließen.
Welt wartet auf das Getreide aus der Ukraine
In New York warf Bundesaußenministerin Annalena Baerbock Russland vor, die Blockade von Getreideexporten aus der Ukraine als Kriegswaffe einzusetzen. "Durch die Blockade ukrainischer Häfen, durch die Zerstörung von Silos, Straßen und Eisenbahnen und insbesondere der Felder von Bauern hat Russland einen Kornkrieg begonnen, der eine globale Nahrungsmittelkrise anfacht", sagte sie bei dem Außenministertreffen.
Nach Angaben der Bundesregierung unterbindet Russland in der Ukraine die Ausfuhr von 20 Millionen Tonnen Getreide vor allem nach Nordafrika und Asien, ein Großteil davon im Hafen von Odessa. UN-Generalsekretär Guterres sagte, es sei notwendig, die Ukraine als großen Produzenten wieder auf den Weltmarkt zu lassen - genauso wie Russland und Belarus, die ebenfalls große Mengen Lebens- und Düngemittel produzierten.
Senat bestätigt neue US-Botschafterin für die Ukraine
Nach der Ankündigung der USA, ihre Botschaft in Kiew wiedereröffnen zu wollen, hat der Senat die Karrierediplomatin Bridget Brink für den Posten der Botschafterin für die Ukraine bestätigt. Zuvor hatte das Außenministerium mitgeteilt, dass die wegen des russischen Angriffskriegs geschlossene US-Botschaft in der ukrainischen Hauptstadt ihren Betrieb wieder aufnimmt.
Brink war bislang die US-Gesandte in der Slowakei. Zuvor hatte sie unter anderem im Außenministerium in Washington als Expertin für Osteuropa und den Kaukasus sowie als stellvertretende Botschafterin in Usbekistan und Georgien gearbeitet.
Melnyk: NATO-Beitritt würde Risiko von Atomkrieg senken
Angesichts des geplanten NATO-Beitritts Schwedens und Finnlands hält der ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, auch einen NATO-Beitritt seines Landes für umsetzbar. "Klar ist: Wir wollen schnell in die NATO. Das kann genauso rasch gehen wie im Fall von Schweden oder Finnland. Es bräuchte nur eine rein politische Entscheidung, um die Ukraine zügig ins Bündnis zu integrieren", sagte Melnyk den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
"Wenn die Ukraine im Bündnis wäre, sinkt das Risiko eines Atomkrieges. Dann würde Putin wissen: Würde die Ukraine mit Nuklearwaffen angegriffen, müsste er mit einem atomaren Gegenschlag rechnen. Das würde ihn davon abhalten", sagte Melnyk. Der Botschafter hält zudem eine EU-Mitgliedschaft der Ukraine innerhalb der nächsten zehn Jahre für möglich.
Das bringt der Tag
- Über die Erweiterung der NATO spricht US-Präsident Joe Biden im Weißen Haus mit der schwedischen Ministerpräsidentin Magdalena Andersson und dem finnischen Präsidenten Sauli Niniistö. Finnland und Schweden kooperieren seit Längerem mit der NATO und wollen dem Bündnis beitreten.
- In Brüssel treffen sich die obersten NATO-Militärs, die für Verteidigung zuständig sind.
- NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg trifft Dänemarks Regierungschefin Mette Frederiksen.
- Bundeskanzler Olaf Scholz besucht die Niederlande. Die engen Verbündeten Berlin und Den Haag kooperieren auch bei der Lieferung von Waffen an die Ukraine.
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Quelle: ntv.de, mbe/dpa