Auch Vertrauter betroffen Selenskyj sanktioniert Verdächtige im Korruptionsskandal

Mitten im Abwehrkampf gegen Russland wird die Ukraine von einem gewaltigen Korruptionsskandal erschüttert. Zwei Minister treten zurück, ein Geschäftspartner des ukrainischen Präsidenten Selenskyj und ein weiterer Verdächtiger setzen sich ins Ausland ab. Vor Sanktionen Kiews schützt das aber nicht.
Nach einem massiven Schmiergeldskandal im Energie- und Rüstungssektor hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj zwei ins Ausland geflüchtete Hauptverdächtige mit Sanktionen belegt. Dem veröffentlichten Dekret zufolge handelt es sich um Selenskyjs Geschäftspartner Tymur Minditsch und den Finanzier Olexander Zukerman.
Alle Vermögenswerte der Bestraften werden in der Ukraine blockiert. Das betrifft vor allem damit auch das von Selenskyj vor seiner Amtszeit gegründete Filmstudio "Kwartal 95", an dem Minditsch öffentlichen Daten zufolge 50 Prozent hält. Selenskyj hatte seine Anteile 2019 vor dem Start des Wahlkampfes mutmaßlich Minditsch übertragen.
Verboten ist es damit beiden auch, ihre ukrainischen Mobilfunknummern zu nutzen oder ihnen andere Telekommunikationsdienstleistungen zur Verfügung zu stellen. Eventuell vorhandene staatliche Auszeichnungen werden ihnen ebenfalls aberkannt. Die Sanktionen gelten vorerst für drei Jahre. Sowohl Minditsch als auch Zukerman werden in dem Dekret des Präsidenten nur als Staatsbürger Israels ausgewiesen. Ob Selenskyj den beiden Ukrainern auch die Staatsangehörigkeit entzogen hat, wurde vorerst nicht bekannt.
Minditsch reiste zumindest nach Angaben des Grenzschutzes als Vater von drei minderjährigen Kindern legal mit seinem ukrainischen Pass aus. Zukerman hatte die erhobenen Vorwürfe gegenüber Journalisten zurückgewiesen und dabei bestätigt, dass er sich im Ausland befindet. Die bei ihrem Abwehrkrieg gegen Russland massiv mit westlichen Finanzen unterstützte Ukraine gilt trotz eines Systems von Behörden zur Bekämpfung von Korruption weiter als einer der korruptesten Staaten Europas.
15-monatige Operation "Midas"
Das Nationale Antikorruptionsbüro (NABU) und die Antikorruptionsstaatsanwaltschaft (SAP) der Ukraine hatten am Montag Ermittlungen bei dem staatlichen Atomkonzern Energoatom bekanntgemacht. Die Beschuldigten sollen sich an öffentlichen Aufträgen zum Bau von Schutzvorrichtungen für Energieanlagen vor Luftangriffen bereichert haben. Dabei sollen sie von den Firmen jeweils 10 bis 15 Prozent der Auftragssumme als Bestechungsgeld gefordert haben. Am Dienstag sprach das NABU von fünf Festnahmen und sieben Verdachtsfällen. Die Gruppe solle etwa 100 Millionen US-Dollar (umgerechnet 86,4 Millionen Euro) an Schmiergeld gewaschen haben.
Minditsch habe zudem Einfluss auf staatliche Entscheidungen "im Energie- und im Rüstungsbereich" genommen, teilten die Ermittler nach 15-monatiger Arbeit an ihrer Operation "Midas" mit. Sie haben demnach auch 1000 Stunden abgehörte Gespräche der Beschuldigten aufgezeichnet. Sie sollen sich Decknamen zugelegt haben - Minditsch wurde demnach "Karlsson" genannt. Im Raum steht auch der Vorwurf, dass Minditsch mit seiner Nähe zu Selenskyj Einfluss auf Personalentscheidungen in der Regierung genommen haben könnte.
Der Skandal hat auch innerhalb der Regierung in Kiew Auswirkungen. Bis Mittwochabend erklärten unter dem Druck Selenskyjs Energieministerin Switlana Hryntschuk und Justizminister Herman Haluschtschenko ihren Rücktritt. Die ukrainische Ministerpräsidentin Julia Swyrydenko kündigte an, sie werde im Parlament die Entlassung der beiden beantragen.