Linke träumt von Grün-Rot-Rot So will Kipping die Linke zur Macht führen
04.03.2020, 17:02 Uhr
Kipping hofft auf eine ganz andere Bundesregierung ab Herbst 2021.
(Foto: picture alliance/dpa)
In jüngsten Umfragen haben Grüne, SPD und Linke wieder eine Mehrheit. Der Pragmatiker-Flügel der Linken will deshalb nach der nächsten Bundestagswahl ernsthaft über eine linke Regierung verhandeln. Dazu hat die Parteivorsitzende Kipping ihre Ideen jetzt veröffentlicht.
Es ist natürlich kein Zufall, dass die Parteivorsitzende der Linken heute Abend ihr gerade erschienenes Buch "Neue linke Mehrheiten. Eine Einladung von Katja Kipping" gemeinsam mit SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil vorstellt, der manchem politischen Beobachter als heimlicher Parteichef im Hintergrund gilt. Vielleicht ist es Zufall, dass sie das Buch wenige Tage nach der Strategiekonferenz ihrer Partei präsentiert, bei der nochmal klar geworden ist, dass ein Teil ihrer Mitglieder nicht wirklich regieren will - eine Rednerin fand es gar lustig, über die Erschießung von Reichen zu fabulieren.
Doch auch bei gemäßigten Mitgliedern sind die Bedenken zu groß, schwierige Kompromisse eingehen zu müssen und zwischen den Partnern zerrieben zu werden. Es ist Zufall, dass sie das Buch veröffentlicht, eine Woche nachdem acht Abgeordnete ihrer Fraktion im Zusammenhang mit der Tötung des iranischen Generals Soleimani beim Generalbundesanwalt Strafanzeige gegen Mitglieder der Bundesregierung gestellt hatten. Kipping distanzierte sich eilig und forderte die Parteifreunde auf, die Anzeige zurückzuziehen. Bislang erfolglos.
Kipping will "die Machtfrage stellen"
Das Buch eröffnet mit der Mahnung, sich mit der praktischen Umsetzung von (so wäre es aktuell) Grün-Rot-Rot auseinanderzusetzen. Dabei ist und bleibt der Kapitalismus der Hauptgegner in dem Band. An ihm arbeitet sich die Parteivorsitzende ab und fordert über zwölf Kapitel eine sozial-ökonomische Wende. Klimawandel und soziale Ungleichheit "sind das Ergebnis von Interessen. Und wer sie überwinden will, muss gegenüber Konzernen und Superreichen die Machtfrage stellen". Es geht um Umverteilung, soziale Gerechtigkeit, Überwindung von Hartz IV.
Die Folge der Verunsicherung in der Welt: Rechtspopulismus. "Je schärfer die Krisen, desto grässlicher die Gestalten, die aus ihnen hervorgehen. Trump, Erdogan, Modi, Gauland, Orbán, Johnson, Putin, Salvini", schreibt Kipping. Eine mögliche Koalition aus Union und Grünen nach der Bundestagswahl ist aus ihrer Sicht die Fortsetzung der Merkelschen Politik. So weit, so erwartbar. Und leider oft auch so unkonkret. Das Heft ist eine Impulsschrift, kein Regierungsprogramm in spe.
Kipping zeigt immer wieder Optionen auf, Deutschland und Europa stünden an der Weggabelung: erstens autoritär, zweitens neoliberal, drittens sozial-ökonomisch im Sinne einer linken Mehrheit. "Ich gehöre zu denen, die überzeugt sind, dass wir den drängenden Problemen nur mit einem radikalen Systemwechsel beikommen werden."
Linke-Chefin will ins Gespräch kommen
Sie ist sich der Hürden einer Regierungszusammenarbeit mit SPD und Grünen bewusst, aber: "Linke werden heute auch daran gemessen, welche Schritte der Veränderung sie nicht gegangen sind, welche Möglichkeiten ungenutzt blieben." Dabei legt sie einen klugen Plan vor - vielleicht schon zu spät anderthalb Jahre vor der Wahl -, wie man sich miteinander auseinandersetzen sollte, um zu einer Annäherung zu kommen.
Die letzten beiden Kapitel sind die konkretesten, differenziertesten, strategischsten. Die jetzige Politik schade vielen. "Aber wir können das ändern. Dazu gehört eine gute Portion Realismus. Wir sollten uns über die enormen Widerstände, mit denen eine Mitte-Links-Regierung konfrontiert sein wird, im Klaren sein. Wir müssen vorbereitet sein und das Beste dafür ist, ins Gespräch zu kommen." Dabei müssten alle potenziellen Koalitionspartner Hindernisse aus dem Weg räumen.
Das größte Hindernis liegt bei den Linken in der Außen- und Sicherheitspolitik, wohlweislich geht Kipping auf dieses Politikfeld nicht intensiv ein. Ihr Co-Vorsitzender Riexinger betonte am Wochenende, die Linke werde nicht vom Ziel abrücken, dass Deutschland die Nato verlassen solle. Es könnte also sein, dass es beim Thema einer linken Mehrheitsregierung beim Reden und Schreiben bleibt.
Quelle: ntv.de