"Schämen Sie sich nicht?" Söder schießt fälschlicherweise gegen Hamburger Kita
08.12.2023, 12:14 Uhr Artikel anhören
Markus Söder freut sich über weihnachtliche Bräuche.
(Foto: picture alliance / Geisler-Fotopress)
In Hamburg verhängt eine Kita aus religiösen Gründen ein Weihnachtsbaumverbot. Das bringt nicht nur viele Eltern, sondern auch den bayerischen Ministerpräsidenten Söder auf die Palme. Doch die Meldung entpuppt sich als falsch. Die Kita und ihre Träger reagieren schockiert.
Marie-Agnes Strack-Zimmermann ist eine Freundin der klaren Worte: "Statt sich darum zu kümmern, dass die Infrastruktur des eigenen Bundeslandes nicht beim erstbesten Wintereinbruch (...) zusammenbricht, hetzt der bayerische Ministerpräsident lieber mit billigen Fake-News gegen eine Kita", raunzt die FDP-Politikerin den CSU-Chef Markus Söder auf X an. "Verantwortungslos", beendet sie ihre Attacke, die der bayerische Ministerpräsident selbst losgetreten hatte.
Denn einige Stunden zuvor hatte Söder auf X eine Meldung von Focus Online mit dem Titel "Im Sinne der Religionsfreiheit: Kita streicht Weihnachtsbaum" geteilt und mit den Worten kommentiert: "Das ist absurd. Haben wir denn keine anderen Probleme? Zu Weihnachten gehört ein Weihnachtsbaum."
Doch nur wenig später ergänzen weitere X-Nutzer in einer Infobox wichtigen Kontext: "Es handelt sich um Falschnachrichten, die 'Focus' hier verbreitet. Der Vorstand der Kita hat die Behauptung eindrücklich dementiert, die Elternvertreter sind angesichts der veröffentlichten Fake News entrüstet." Als Quelle wird die Webseite des Kita-Trägers angegeben, finkenau.de. Das "Hamburger Abendblatt" und die "Bild"-Zeitung hatten die Meldung über das angebliche Weihnachtsbaumverbot zuerst verbreitet, der Focus Online hatte die Berichte übernommen.
"Presseberichte sind falsch"
Dort bestätigt sich, worauf die Nutzer von X hingewiesen haben: "Die aktuellen Presseberichte, die unterstellen, die Kita Mobi würde christliche Traditionen abschaffen, sind falsch", schreibt der Vorstand der Kita-Stiftung. "Auch in diesem Jahr gibt es in allen Finkenau Einrichtungen (auch in der Kita Mobi) wieder viele weihnachtliche Bräuche wie Adventskalender, Adventskränze, Weihnachtsbäume und in einigen Kitas sind sogar Wichtel eingezogen. Zudem gibt es Dekoration wie Tannenzweige, Kugeln und Lichterketten. Dies sind nur einige Beispiele dafür, wie unsere Einrichtungen die schöne Vorweihnachtszeit für die Kinder erlebbar machen."
Tatsächlich wird in der Kita kein Weihnachtsbaum aufgestellt. Es habe eine Anfrage aus dem Elternrat gegeben, ob es einen Baum geben könnte, erklärt Linda Köster aus dem Vorstand der Finkenau-Stiftung in der "Bild"-Zeitung. Das habe das Team abgelehnt, heißt es. Aber nicht, wie angedeutet, aus religiösen Gründen, sondern weil bereits anderweitig weihnachtliche Bräuche geplant waren: Grundsätzlich spreche nichts gegen einen Weihnachtsbaum, sagt Köster. Aber es gebe nicht nur eine Tradition und eine Kita könne nicht alle umsetzen.
"Schämen Sie sich eigentlich nicht?"
Doch die Berichte und auch der Beitrag des bayerischen Ministerpräsidenten Söder haben allem Anschein nach eine Welle des Hasses ausgelöst: "Wir sind zutiefst erschüttert darüber, dass unsere Kita und wir als Träger seither mit massiven rassistischen Drohungen, persönlichen Beleidigungen, Anschuldigungen und Erpressungsversuchen konfrontiert sind", schreibt der Finkenau-Vorstand auf seiner Webseite. Die Elternvertreter der Kita Mobi ergänzen in einem offenen Brief: "Wir verurteilen sehr deutlich jede Form der Anfeindungen gegen die Einrichtung und die Mitarbeiter*innen. Die Instrumentalisierung einer kitainternen Entscheidung und die Art dieser, in einer gesamtgesellschaftlichen Debatte, wie es geschehen ist, ist unvertretbar."
Das scheint auch Marie-Agnes Strack-Zimmermann zu wurmen. "Schämen Sie sich eigentlich nicht, dass Sie nachgewiesene Fake News verbreiten und deswegen Kita-Mitarbeiter bedroht werden?", hat sie zusätzlich zu ihrem eigenen Beitrag auch unter dem Post von Söder kommentiert. "Haben Sie denn gar kein Verantwortungsbewusstsein?"
Quelle: ntv.de, chr