"Entscheidung in Berlin gefällt" Sondierungen in Sachsen gescheitert - BSW bricht Gespräche mit CDU und SPD ab
06.11.2024, 13:47 Uhr
Die Sondierungen hatten sich von Beginn an schwierig gestaltet.
(Foto: picture alliance/dpa)
Sie kommen nicht zusammen: In Sachsen wird es keine Regierung aus CDU, BSW und SPD geben. Die Sondierungsgespräche sind ergebnislos beendet. Zu groß waren die Differenzen. Ministerpräsident Kretschmer erhebt einen Vorwurf in Richtung Wagenknecht.
In Sachsen beginnt die Suche nach einer neuen Regierung von vorn. Die Sondierung für eine Koalition aus CDU, Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) und SPD ist gescheitert. Die Gespräche werden ergebnislos abgebrochen, wie das BSW mitteilt. Man habe sich bei der Friedensformel, der Migrationspolitik und dem Thema Finanzen nicht einigen können.
Zuvor waren die drei Parteien in den Verhandlungen an einem entscheidenden Punkt angelangt und hatten zu Wochenbeginn die Gespräche zu einer Passage in einem künftigen Koalitionsvertrag zum Umgang mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine begonnen. Die Sondierungen sollten eigentlich bis mindestens zum morgigen Donnerstag weitergehen. Dann sollten die Ergebnisse zusammengefasst und den Parteigremien übermittelt werden.
Ministerpräsident Michael Kretschmer von der CDU hat Sahra Wagenknecht die Schuld am Scheitern der Sondierung gegeben. "Dass Frau Wagenknecht ihren sächsischen Leuten so die Beine stellt, ist keine gute Entwicklung", sagt Kretschmer und spricht von einer großen Enttäuschung. Er finde das für Sachsen sehr schade. Kretschmer zufolge kommt der Abbruch der Sondierung überraschend. "Das haben wir so nicht gesehen." Diese Entscheidung sei keine, die jemand in Sachsen getroffen habe. Die Entscheidung sei in Berlin gefallen.
Zugleich schließt Kretschmer erneut eine Zusammenarbeit mit der AfD aus. Am Dienstag hatte er sich zu einem vertraulichen Gespräch mit AfD-Chef Jörg Urban getroffen. Das Gespräch kam auf Wunsch der AfD zustande. Kretschmer wollte sich dem aus Respekt vor dem Parlament nicht verweigern. Nach Kretschmers Worten wird nun in den Parteigremien darüber beraten, wie es weitergeht. Man brauche jetzt eine Denkpause über das Wochenende hin. Der Ministerpräsident hatte eine Minderheitsregierung stets abgelehnt, nach Lage der Dinge bleibt ihm nun keine andere Wahl.
Nach dem dritten Treffen wirft das BSW den potenziellen Koalitionspartnern vor, einem Bekenntnis zum Frieden nicht zustimmen zu wollen: "Wer so Politik macht, verliert die Menschen im Land", erklärte die Landesvorsitzende Sabine Zimmermann. "Dieser furchtbare und völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands in der Ukraine beunruhigt so viele auch bei uns in Sachsen, dass eine neue Landesregierung diese Sorgen und Ängste aufgreifen muss. Wer das nicht tut, verschließt Augen und Ohren."
Das BSW hatte das Thema Krieg und Frieden zu einer zentralen Frage der Sondierungen gemacht und auf eine Forderung nach stärkeren diplomatischen Anstrengungen gedrungen. Auch Regierungschef Kretschmer hatte immer wieder stärkere diplomatische Bemühungen verlangt. Eine gegensätzliche Haltung nehmen CDU und BSW zur Stationierung von US-Raketen in Deutschland ein, die Russland abschrecken sollen.
Neuwahlen nicht ausgeschlossen
Die Sondierungen hatten sich von Beginn an schwierig gestaltet. Am 25. Oktober wurden sie auf Betreiben der SPD unterbrochen, nachdem ein Großteil der BSW-Abgeordneten im Landtag für den AfD-Antrag auf einen Corona-Untersuchungsausschuss gestimmt hatte.
Unklar ist nun, wie es im Freistaat weitergeht. Da die CDU Koalitionen mit der AfD und den Linken ausschließt, bleibt Ministerpräsident Kretschmer im Grunde nur die Option, eine Minderheitsregierung zu bilden. Das hatten stark konservative Kräfte in der Union zuletzt wiederholt gefordert. Kretschmer sprach sich dagegen aus. Bei einer solchen Regierung sei man jeden Tag in Verhandlungen, das binde unglaublich viel Kraft, hatte er argumentiert.
Laut Verfassung muss der sächsische Ministerpräsident innerhalb von vier Monaten nach Konstituierung des neuen Landtags gewählt werden. Die Frist läuft Anfang Februar 2025 aus. Andernfalls ist das Parlament aufzulösen und eine Neuwahl steht an. Bei der Landtagswahl im Freistaat hatte das BSW aus dem Stand 11,8 Prozent der Stimmen erhalten. Die CDU war mit 31,9 Prozent Wahlsieger vor der AfD geworden.
In Thüringen haben derweil die Verhandlungen über die Bildung einer sogenannten Brombeer-Koalition von CDU, BSW und SPD begonnen. Die dort erreichte Friedensformel hatte allerdings BSW-Landeschefin Katja Wolf unter Druck von der Bundespartei gebracht. Nach einem Mitgliedertreffen kündigte Wolf an, die Positionen zu Krieg und Frieden "weiter schärfen" zu wollen.
Auch in Brandenburg werden inzwischen Koalitionsverhandlungen geführt. Die Sondierungsgespräche waren recht geräuschlos verlaufen. In der Friedensfrage hatten SPD und BSW einen Kompromiss mit Formulierungen zu diplomatischen Bemühungen im Ukraine-Krieg sowie zur Stationierung US-amerikanischer Mittelstreckenraketen in Deutschland ausgehandelt. Die Formel stieß allerdings innerhalb der SPD auf Kritik.
Quelle: ntv.de, jwu/dpa