Für wen wirbelt der Trump-Freund?Steve Witkoff - Der Kurier des Zaren
Von Frauke Niemeyer
Ist es naive Unerfahrenheit oder ist Steve Witkoff einfach nur dreist? Und da er im Auftrag des US-Präsidenten mit dem Kreml verhandelt: Welche der beiden Optionen wäre die Schlimmere?
Wie wird man der zentrale außenpolitische Mittelsmann im Weißen Haus? Bevor Donald Trump als Präsident dort einzog, hätte es geheißen: Diplomatische Laufbahn, Studium an einer Elite-Uni, Anstellung im Pentagon, 70-Stunden-Woche - läuft. Steve Witkoff hat 40 Jahre lang in Immobilien gemacht, bevor ihn Trump zum Sondergesandten für den Nahen Osten machte, der nun auch noch den Ukrainekrieg mitbetreut. Ein Käse-Schinken-Sandwich kam seiner Karriere offenbar ebenso zupass.
"The Atlantic"verortet die entscheidende persönliche Begegnung zwischen Trump und Witkoff Anfang der 1980er Jahre in einem Delikatessgeschäft in New York, wo der junge Anwalt Witkoff dem zwölf Jahre älteren Immobilieninvestor Trump mit Kleingeld für einen abendlichen Snack aushelfen kann. Trumps Leben als Geschäftemacher muss auf den Jüngeren einen so starken Eindruck machen, dass dieser die Juristerei an den Nagel hängt. Fortan tummeln sich beide im New Yorker Baugewerbe und im Glamour, werden nicht zu Konkurrenten, sondern agieren partnerschaftlich.
Eine gewisse Risikobereitschaft sagte man Witkoff in der Branche ebenso nach wie Verhandlungsgeschick - bei Immobiliengeschäften. Mit diesem Ruf schaffte es Witkoff in diesem Jahr an allen hochbezahlten Diplomaten, die im Pentagon so über den Flur laufen, vorbei in die Position des Chef-Unterhändlers in Sachen Ukrainekrieg. Doch davon, so kritisieren Beobachter, profitiere in erster Linie Russlands Diktator Wladimir Putin.
Schon im März 2025, als Witkoff erstmals für Gespräche mit russischen Vertretern zusammenkam, sorgte sein Verhalten für Erstaunen auf westlicher Seite: Der Immobilienhändler akzeptierte bereitwillig eine Übersetzerin, die ihm die russische Gegenseite zur Verfügung stellte. Auf eine vertraute Person aus den eigenen Reihen, die seine Position verantwortungsvoll übersetzen würde und zugleich für ihn interpretieren, was auf der anderen Seite des Tisches vor sich geht und nach außen tritt, legte Witkoff keinen Wert.
Putin? "Kein schlechter Kerl"
Bereits dieser erste diplomatische Auftritt des US-Sondergesandten ließ aus Sicht vieler Beobachter für die Zukunft nichts Gutes erahnen: Wer auf Fachleute aus dem eigenen Lager verzichtet und stattdessen auf Offerten der Gegenseite anspringt, überschätzt seine eigene Gewieftheit und unterschätzt die seines Gegenübers. Oder aber, auch dafür gibt es bei Witkoff Hinweise, er erkennt sein Gegenüber gar nicht als Gegenseite. In diesem Fall den Kreml-Chef und mutmaßlichen Kriegsverbrecher Putin. Im Anschluss an das Treffen im März ergänzte der Amerikaner seinen ansonsten spärlichen Ergebnisbericht mit der Anmerkung, er halte Putin für "keinen schlechten Kerl".
Neun Monate später wird deutlich: Witkoff ist in seiner Haltung konsistent, und inzwischen wirkt sich das auf die Geschicke der Ukraine aus.
Mitte Oktober, Weißes Haus: Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ist zu Besuch bei Trump im Oval Office. Es geht um US-Waffen für den Verteidigungskampf – wie so oft seit bald vier Jahren, und doch scheinen die Vorzeichen andere: Selenskyjs immer wieder abgewehrtes Bitten, Flehen und Appellieren scheint diesmal plötzlich eine Mission Possible zu sein.
Die Lage stellte sich wie folgt dar: Die Ukraine ist im Donbass enorm unter Druck, kann jedoch mit Drohnenangriffen gegen Infrastruktur auf russischem Boden immer wieder Erfolge vermelden. Hunderte Kilometer hinter der Frontlinie treffen die Drohnen präzise ihr Ziel, die Ukrainer zeigen: Wir sind handlungsfähig und technisch versiert, wir können etwas erreichen, brauchen allerdings - eure Waffen. Den Drohnen fehlt es schlicht an Feuerkraft, um die großen Energieanlagen und Raffinerien der Russen dauerhaft zu schädigen oder gar zu zerstören.
Dafür bräuchte es Marschflugkörper, die ein Vielfaches an Sprengladung ins Ziel tragen können. Der US-Tomahawk ist eine solche Waffe, Trump hat bisher gezögert mit Blick auf die eigenen Bestände, doch nun kam aus dem Pentagon das Go: Schon okay, signalisieren Trumps Verteidigungsexperten. Die Depots sind gefüllt, ein Verkauf von Tomahawks an die Ukraine würde die US-amerikanische Wehrhaftigkeit nicht gefährden. Entsprechend bereitwillig gibt sich Trump im Vorfeld des Besuchs, die Ukrainer schöpfen Hoffnung. Bis dem anberaumten Gespräch zwischen Trump und Selenskyj ein anderes zuvorkommt: Wladimir Putin klingelt aus dem Kreml durch.
Warum? Ein Berater hat dem russischen Machthaber das Telefonat empfohlen. Juri Uschakow sein Name, ehemals russischer Botschafter in Washington und aktuell Putins Einflüsterer für außenpolitische Beziehungen zu den USA. Uschakow unterhält offenbar einen guten Draht zu Steve Witkoff, wie man einem durch die Nachrichtenagentur "Bloomberg" veröffentlichten Transkript eines Telefonats entnehmen kann, das der Russe mit dem Amerikaner führte.
Wie lässt sich Trump manipulieren?
Darin empfiehlt Witkoff dem Putin-Mann ein zeitnahes Telefonat der beiden Präsidenten, bevor Trump mit Selenskyj zusammentrifft. Putin solle Trump für den Gaza-Deal Komplimente machen und ihm damit schmeicheln, dass er ein Mann des Friedens sei. Unterm Strich gibt der US-Sondergesandte der Gegenseite telefonisch Ratschläge, wie sein Chef am besten manipulierbar ist.
Putins Anruf bei Trump erfolgt Witkoffs Hinweisen gemäß am Tag vor dem Selenskyj-Besuch. Donald Trump wird im Anschluss ein persönliches Treffen mit Putin in Budapest ankündigen. Der Ukrainer wird nach seinem Besuch am Folgetag mit leeren Händen die Heimreise antreten.
Budapest hat niemals stattgefunden und auch sonst bewegt sich die russische Seite mit Blick auf einen Kompromiss, der einen Waffenstillstand ermöglichen könnte, keinen Zentimeter. Das müssen die Russen aber auch nicht, denn sie haben ja weiterhin Steve Witkoff als Fürsprecher in Trumps direktem Umfeld.
Laut Medienberichten trifft sich Witkoff, auch das im Oktober, in Miami mit Kirill Dimitrijew, Putin-Vertrauter und Chef des russischen Staatsfonds. Gemeinsam arbeiten sie an einem Papier, dass die USA später als einen eigenen Entwurf eines Friedensplans für den Ukrainekrieg lancieren werden.
Ein bulgarischer Investigativ-Journalist will in den 28 Punkten jedoch vielfache Übereinstimmung mit einem internen Kreml-Papier erkannt haben, das ihm zugespielt wurde. Und erneut veröffentlicht "Bloomberg" transkribierte Telefonate, in denen auch Witkoff als Name wieder auftaucht. Er soll den russischen Entwurf des 28-Punkte-Plans in Empfang nehmen und dafür sorgen, dass die USA ihn als ihren Vorschlag präsentieren werden, so zumindest empfiehlt es Dmitrijew dem Putin-Berater Uschakow laut Transkript. Genauso passiert es.
Rückendeckung kommt vom Chef
Dass sowohl namhafte Republikaner wie auch europäische Staatschefs einigermaßen entsetzt sind, wie sehr der "Friedensplan" der vermittelnden USA die russischen Maximalforderungen mit einhegt und ihnen keinerlei Zugeständnisse abverlangt - wen wundert’s bei dieser mutmaßlichen Entstehungsgeschichte.
Nach Kritik an Witkoffs offensichtlicher Nähe zum Kreml bekommt dieser Rückendeckung von seinem Chef, der Witkoffs Kontakt mit den Russen "ganz normal" findet. "Als Dealmaker" müsse er den Friedensplan beiden Seiten verkaufen. Zu diesem Zweck scheinen auch fragwürdige Mittel erlaubt. Genau so agiert Witkoff - nicht Werte und Moral leiten seine Taktik, sondern die Frage ist: Was verspricht den größten Erfolg?
Mit dieser Haltung hat der Amerikaner im Kreml einen Stein im Brett, denn sie öffnet den US-Vermittler auch noch für die härtesten russischen Forderungen. So springt man dem Dealmaker unter Beschuss dieser Tage auch aus Moskau bei. Der Sondergesandte "verteidigt die Position seines Präsidenten und seines Landes", lässt Putin aus der Ferne wissen. Seit heute weilt Steve Witkoff erneut in Moskau, um "Friedensverhandlungen" voranzubringen. Man darf gespannt sein.