Politik

Zielfahndung nach NATO-Helfern Taliban durchkämmen Orte mit Namenslisten

Taliban-Kämpfer an einem Kontrollpunkt in Kabul.

Taliban-Kämpfer an einem Kontrollpunkt in Kabul.

(Foto: REUTERS)

Auf ihrer ersten Pressekonferenz stellen sich die Taliban als gemäßigte Herrscher dar. Doch Berichte über die gezielte Suche nach NATO-Mitarbeitern straft die Fassade jetzt Lügen. Auch Journalisten stehen auf Verhaftungslisten. Den Verfolgten drohen Folter und Hinrichtung, fürchten Experten.

Die Taliban intensivieren laut einem UN-Bericht ihre Suche nach Afghanen, die mit den US- und Nato-Truppen kooperiert haben. Die radikalislamische Miliz führe "Prioritätenlisten" von Menschen, die sie festnehmen wolle, hieß es in einem vertraulichen Dokument, das der Nachrichtenagentur AFP vorliegt. Besonders gefährdet seien diejenigen, die eine zentrale Rolle im afghanischen Militär, in der Polizei und im Geheimdienst gespielt haben.

Die Taliban suchten demnach Häuser der Zielpersonen und ihrer Familien auf. Auch auf der Straße zum Flughafen in Kabul nehme die Gruppe Personenkontrollen vor. Zudem hätten die Taliban Kontrollpunkte in größeren Städten eingerichtet, darunter Kabul und Dschalalabad. "Die Taliban intensivieren die Jagd auf alle Personen und Kollaborateure des früheren Regimes und falls sie erfolglos sind, nehmen sie die Familien ins Visier, verhaften sie und bestrafen sie nach ihrer eigenen Auslegung der Scharia", heißt es in dem Papier weiter.

Der Bericht stammt vom norwegischen Zentrum für globale Analysen, einer NGO, die Lageeinschätzungen für verschiedene UN-Agenturen erstellt. Es sei zu befürchten, dass Afghanen, die mit den Nato- und US-Truppen kooperiert haben, und ihre Angehörigen Opfer von "Folter und Hinrichtungen" werden, sagte der Leiter des Instituts, Christian Nellemann.

Angehöriger von DW-Reporter getötet

Die Deutsche Welle (DW) berichtete über einen Angriff auf die Familie eines DW-Redakteurs. Einer seiner Verwandten sei dabei getötet und ein weiter schwer verletzt worden. Der Journalist arbeite inzwischen in Deutschland, doch die Taliban hätten im Westen des Landes gezielt nach ihm gesucht und seien dabei von Haus zu Haus gegangen. Weitere Angehörige hätten in letzter Sekunde entkommen können und seien nun auf der Flucht, schilderte der Sender den Vorfall.

Der tödliche Angriff belege die "akute Gefahr, in der sich alle unsere Mitarbeitenden und ihre Familien in Afghanistan befinden", erklärte der Intendant des deutschen Auslandssenders, Peter Limbourg. "Die Taliban führen in Kabul und auch in den Provinzen offenbar schon eine organisierte Suche nach Journalisten durch. Die Zeit läuft uns davon!"

Furcht vor Vergeltungstaten

Die Machtübernahme der Taliban hatte bei vielen Afghanen Angst vor einer neuerlichen Schreckensherrschaft der Islamisten ausgelöst. Auch die Furcht vor Vergeltungsakten der Taliban gegen Beschäftigte der früheren afghanischen Regierung und afghanische Mitarbeiter ausländischer Staaten haben dazu geführt, dass zehntausende Menschen das Land verlassen wollen.

Die Zusagen der Taliban, die mit dem Versprechen einer gemäßigten Herrschaft um Vertrauen im Ausland werben, stoßen international auf Skepsis. Westliche Staaten versuchen weiterhin fieberhaft, ihre Staatsbürger, aber auch afghanische Ortskräfte auszufliegen. Allerdings kontrollieren die Taliban die Zugänge zum Flughafen von Kabul. Während die Islamisten westliche Bürger passieren lassen, blockieren sie vielen Afghanen den Weg zum Flughafen.

Quelle: ntv.de, mau/AFP

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen