Erdogan besucht Kriegsgebiet Tausende Flüchtlinge aus Berg-Karabach erreichen Armenien
25.09.2023, 15:33 Uhr Artikel anhören
Die meisten Flüchtlinge haben nur das Nötigste eingepackt.
(Foto: REUTERS)
"Ich weiß nicht, wohin", sagt eine Frau, die ihre Heimat Berg-Karabach verlassen musste. Knapp eine Woche nach der aserbaidschanischen Offensive erreicht sie die Stadt Goris. Auch der türkische Präsident Erdogan ist in der Region anzutreffen.
Tausende Flüchtlinge aus der Region Berg-Karabach sind nach der Niederlage der proarmenischen Kräfte gegen Aserbaidschan in Armenien angekommen. Die Regierung in Eriwan teilt mit, dass insgesamt etwa 2900 Flüchtlinge in Armenien eingetroffen seien. Viele Flüchtlingsgruppen lassen sich derzeit in einem humanitären Hilfszentrum in einem Theatergebäude in der Stadt Goris für den Weitertransport und für Notunterkünfte registrieren.
"Wir haben schreckliche Tage durchlebt", sagte die 41-jährige Anabel Gulasjan aus dem Ort Rew, der in Aserbaidschan Schalwa genannt wird. Sie kam mit ihrer Familie in einem Kleinbus nach Goris, ihre Habseligkeiten in Taschen gepackt. Die 54-jährige Valentina Asrjan aus dem Dorf Wank konnte es nicht glauben, dass die Aserbaidschaner - die "Türken", wie sie sagt - bis in ihr historisches armenisches Dorf vorgedrungen seien. "Ich weiß nicht, wohin", sagte die Frau, die vorläufig in einem Hotel in Goris untergekommen ist.
Erdogan besucht aserbaidschanische Exklave
Aserbaidschan wird in dem Konflikt von der Türkei unterstützt. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan will im Laufe des Tages die aserbaidschanische Exklave Nachitschewan besuchen, um sich dort mit seinem aserbaidschanischen Kollegen Ilham Alijew zu treffen. Nach Angaben des türkischen Präsidialamts werden die "neuesten Entwicklungen" in der Kaukasus-Region im Mittelpunkt des Treffens stehen.
Armenien wiederum verließ sich lange auf seine Schutzmacht Russland, doch ließen die bei Berg-Karabach stationierten russischen Einheiten die aserbaidschanischen Truppen bei ihrer jüngsten Militäroffensive gewähren.
Armeniens Regierungschef Nikol Paschinjan machte Moskau deshalb bittere Vorwürfe. Diese wies der Kreml zurück: "Wir weisen Versuche kategorisch zurück, eine Verantwortung der russischen Seite und den russischen Friedenstruppen (in Berg-Karabach) zuzuweisen", erklärte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow. "Armenien bleibt unser Verbündeter", betonte er. Die Gespräche mit Eriwan würden auch "in diesen schwierigen Tagen" fortgesetzt. Russland werde auch darauf achten, dass die Rechte der Einwohner von Berg-Karabach respektiert würden.
Armenische Allianz mit Russland "ineffektiv"
Der armenische Regierungschef war zuvor auf Distanz zu Russland gegangen. Die bisherigen Allianzen Armeniens seien "ineffektiv" und "unzureichend", sagte Paschinjan. Er bezog sich dabei auf die von Russland dominierte Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit, in der auch Armenien Mitglied ist. Armenien hatte in dem Konflikt mit Aserbaidschan um Berg-Karabach auf die Unterstützung des Militärbündnisses gehofft.
Berg-Karabach gehört völkerrechtlich zu Aserbaidschan, in dem Gebiet leben aber überwiegend Armenier. Am vergangenen Dienstag hatte Aserbaidschan eine großangelegte Militäroffensive in der Region gestartet. Bereits einen Tag später wurde eine Waffenstillstandsvereinbarung geschlossen.
Armenien wirft Aserbaidschan vor, eine ethnische Säuberung der rund 120.000 armenischen Bewohner in Berg-Karabach zu planen. Beide Länder streiten seit dem Zerfall der Sowjetunion um die Enklave und hatten sich deshalb bereits zwei Kriege geliefert, zuletzt im Jahr 2020.
Quelle: ntv.de, chr/AFP