In Schweden erschossen? Totgeglaubter Kadyrow-Kritiker wird in München erwartet
10.12.2022, 20:07 Uhr
Tumso Abdurachmanow floh vor Jahren aus Tschetschenien. Der Kadyrow-Kritiker kann sich aber auch in Westeuropa nicht sicher fühlen.
(Foto: IMAGO/TT)
Der tschetschenische Blogger Tumso Abdurachmanow lebt seit Jahren im Exil und kritisiert offen die Führung seiner Heimat. Anfang Dezember hieß es, der Oppositionelle sei erschossen worden. Seine Mitstreiter dementieren nun die Berichte. In Deutschland soll er bald vor Gericht erscheinen.
Der tschetschenische Blogger und Aktivist Tumso Abdurachmanow, von dessen angeblichem Tod vor wenigen Tagen mehrere Medien - darunter auch ntv.de - übereinstimmend berichtet haben, ist offenbar doch am Leben. Abdurachmanow stehe unter dem Schutz der schwedischen Polizei, sagte ein Pressesprecher der Regierung der selbsternannten tschetschenischen Republik Itschkerien, die für die Unabhängigkeit von Russland kämpft, Radio Liberty. Der Sprecher berief sich dabei auf "eigene Informationsquellen".
Auch Laurent Lafleur, Pressesprecher des Oberlandesgerichts München, bestätigte dem schwedischen öffentlich-rechtlichen Sverigos Radio, dass Abdurachmanow am Leben ist. Demnach bereitet sich der Blogger darauf vor, in einem Prozess in Bayern als Zeuge auszusagen. In dem Prozess soll es sich um die Vorbereitung eines Mordanschlags auf Abdurachmanows jüngeren Bruder Mochmad gehen. Dieser ist ebenfalls ein Aktivist, der in sozialen Medien für ein unabhängiges Tschetschenien eintritt. Im Juni wurde bekannt, dass ein Attentat auf den in Deutschland lebenden Tschetschenen verhindert werden konnte. Ziel der geplanten Tat soll es gewesen sein, "insbesondere den Bruder des avisierten Opfers zum Schweigen" zu bringen, hieß es damals von der Bundesanwaltschaft.
Tumso Abdurachmanow lebt seit Jahren in Schweden und ist ein bekannter Kritiker des tschetschenischen Machthabers Ramsan Kadyrow. Vor wenigen Tagen teilte der oppositionelle Telegramkanal der Bewegung "Adat" unter Berufung auf "Informanten aus Europa und Tschetschenien" mit, der Blogger sei in Schweden von einer Gruppe von Menschen erschossen worden. Abdurachmanows Mitstreiter bestätigten laut einem Bericht von Radio Liberty dessen Tod. Die schwedische Polizei teilte auf ntv.de-Anfrage mit, sie könne die Berichte weder bestätigen noch weiter kommentieren.
Der Blogger überlebte 2020 ein Mordattentat
Abdurachmanows Kanal auf Youtube folgen rund 475.000 Menschen. 2019 hatte er in einem Video Achmat Kadyrow als Verräter Tschetscheniens bezeichnet. Achmat Kadyrow war erster Präsident der russischen Teilrepublik und Vater des heutigen tschetschenischen Diktators. Magomed Daudow, Sprecher des tschetschenischen Parlaments, hatte dem Blogger daraufhin mit Blutrache gedroht.
Im Februar 2020 überlebte Abdurachmanow ein Attentat in seiner Wohnung in Stockholm. Der Angreifer schlug dem Blogger mit einem Hammer auf den Kopf. Abdurachmanow überwältigte jedoch schließlich den Täter und rief die Polizei. Der Attentäter und seine Komplizin wurden in Schweden zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Der Auftraggeber wurde zwar nicht ermittelt, der Staatsanwalt erklärte im Prozess aber, dass "alle Spuren nach Grosny führen".
In den vergangenen Jahren sind mehrere Gegner Kadyrows in Europa getötet worden. Umar Israilow, ehemaliges Mitglied der tschetschenischen Präsidenten-Leibgarde und späterer Menschenrechtsaktivist, wurde im Januar 2009 in Wien auf offener Straße erschossen. Dort wurde im Juli 2020 auch der Blogger Mamichan Umarow getötet - fünf Monate nachdem im französischen Lille ein weiterer Kadyrow-kritischer Blogger, Imran Aliew, mit 135 Stichwunden in einem Hotelzimmer gefunden worden war.
Quelle: ntv.de, uzh