Neue Nummer 3 der USA Trump-Fan Johnson muss Wunder vollbringen


Johnson (r.) bekommt sein neues Arbeitsgerät ausgehändigt: Den Holzhammer, mit dem der Sprecher des Repräsentantenhauses die Sitzungen leitet. Davon werden sich aber voraussichtlich nicht alle Parteifreunde beeindrucken lassen.
(Foto: AP)
Mike Johnson gelingt das, was unmöglich schien. Er überzeugt die Republikaner im Repräsentantenhaus von sich und ist nun dessen Sprecher - und damit Nummer 3 nach Präsident und dessen Vize. Sein Erfolgsrezept hat eine gewisse Ironie.
Am Ende waren die Anforderungen für das dritthöchste Amt der Vereinigten Staaten nicht mehr besonders hoch: "An diesem Punkt brauchen wir nur einen warmen Körper, oder?", zitiert "Politico" den republikanischen Senator Todd Young. Die mehr oder weniger im Scherz dahingesagten Worte dürften die Stimmung in Washington ganz gut getroffen haben. Quälende drei Wochen waren vergangenen, seit Kevin McCarthy als Sprecher des Repräsentantenhauses abgewählt worden war. Drei Kandidaten scheiterten bei der Wahl zum neuen Vorsitzenden. Das Unglaubliche gelang dann Mike Johnson. 220 seiner Parteifreunde stimmten für ihn als neuen Sprecher, sogar drei mehr als nötig.
In dem riesigen Land dürften alle aufgeatmet haben, die auf eine funktionierende Regierung hoffen. Denn die Geschicke des Landes liegen keineswegs nur im Weißen Haus beim Präsidenten. Ohne den Kongress, bestehend aus Repräsentantenhaus und Senat geht nichts. Das Repräsentantenhaus ähnelt dabei dem Bundestag, der Senat dem Bundesrat - auch wenn es viele Unterschiede im Detail gibt. Der Sprecher des Hauses hat dabei viel mehr Befugnisse als ein Bundestagspräsident. Er bestimmt die Tagesordnung. Gibt es keinen Sprecher, kann das Parlament gar nicht tagen. Es herrscht einfach Stillstand.
Obendrein droht im mächtigsten Land der Erde mal wieder eine Haushaltssperre, auch bekannt als "Shutdown". Der Überbrückungshaushalt von Anfang Oktober läuft am 17. November aus. Ohne Sprecher im Amt hätte es keinen neuen Haushalt gegeben. Ob die Abgeordneten den jetzt auf die Beine gestellt bekommen, ist auch nicht garantiert. Doch mit dem neuen Mann auf dem Posten ist zumindest die Grundvoraussetzung dafür geschaffen.
Selenkskyj und Netanjahu atmen auf
Dass die US-Regierung Geld ausgeben kann, ist aber nicht nur für Staatsangestellte wichtig, sondern auch für das Ausland. Ein Shutdown ist für ein Unsicherheitsfaktor für die ganze Welt - wirtschaftlich, aber auch sicherheitspolitisch. Die großen Hilfspakete für die Ukraine oder Israel müssen vom Kongress abgesegnet werden. Neben vielen Menschen in den USA dürften nun also Präsident Wolodymyr Selenskyj und Ministerpräsident Benjamin Netanjahu vor Erleichterung aufgeseufzt haben.
Wobei nun eine große Frage ist, was aus der Hilfe für die Ukraine und für Israel wird. Grundsätzlich sieht es gut aus für beide: Die Republikaner werden Israel nicht hängen lassen. Johnson stimmte anfangs für die Ukraine-Hilfen, zuletzt äußerte er sich kritischer über die hohen Zahlungen aus der Staatskasse. Es ist zu erwarten, dass Hilfspakete für die Ukraine und Israel viele Befürworter bei Demokraten und Republikanern finden werden. Eine überparteiliche Mehrheit gilt als sehr wahrscheinlich.
Nun aber zu Mike Johnson. Hierzulande dürfte kaum jemand jemals von dem Mann aus Louisiana gehört haben. Doch selbst in den USA ist das nicht groß anders. "Ich habe ihn gegoogelt", sagte beispielsweise der demokratische Abgeordnete Jeff Jackson. "Ich weiß nicht, wie seine Stimme klingt", fügte er hinzu. Der Fraktionsvorsitzende der Demokraten im Senat, Chuck Schumer, kannte ihn ebenfalls nicht, wie er sagte. Sein republikanisches Gegenüber, Mitch McConnell, hat noch nie mit ihm gesprochen.
Der Mann ist ein Hinterbänkler, ein unbeschriebenes Blatt. Seit 2017 sitzt er für einen Wahlkreis im Norden Louisianas im Repräsentantenhaus. Die Gegend ist weitaus konservativer als der Südteil des Staates mit der quirligen Großstadt New Orleans. Er ist ein evangelikaler Christ und gegen Homo-Ehe und Abtreibung. Eine der wichtigsten Eigenschaften Johnsons ist es aber, ein Anhänger von Ex-Präsident Donald Trump zu sein. So stimmte er dafür, den Wahlsieg Joe Bidens 2020 nicht anzuerkennen, und war gegen das Amtsenthebungsverfahren gegen Trump nach dessen Putschversuch am 6. Januar 2021. Der Jurist versuchte diesen außerdem zu rechtfertigen, indem er sagte, Wahlrechtsänderungen während der Corona-Pandemie seien unzulässig gewesen.
Selbst Trump konnte Kandidaten nicht durchsetzen
Das Wohlwollen Trumps zu genießen war ein wichtiger Faktor in diesen Tagen. So soll Trump beispielsweise den eigentlich aussichtsreichen Kandidaten Tom Emmer verhindert haben. Der hatte den früheren Präsidenten nach dem Kapitol-Sturm am 6. Januar 2021 kritisiert und aus dessen Sicht Trump nicht energisch genug gegen die zahlreichen Anklagen verteidigt, berichtet "Politico". Trumps Einfluss ist also noch groß, allerdings nicht unbegrenzt. Denn auch er war nicht in der Lage, seinen Wunschkandidaten durchzudrücken. Der Hardliner Jim Jordan scheiterte mit seiner Kandidatur.
US-Medien sind sich einig, dass es der vielleicht entscheidende Erfolgsfaktor für Johnson war, dass er so unbekannt war. Während alle anderen Kandidaten sich offenbar schon zu viele Feinde gemacht hatten, ist Johnson als unverbrauchter, noch recht junger Abgeordneter von 51 Jahren nicht so vielen Kollegen auf die Füße getreten. Begeisterung sieht anders aus.
Nun ist die Frage, wie schnell der unerfahrene Johnson in das anspruchsvolle Amt hineinfindet. Die teils verfeindeten Flügel der Republikaner, die Trump-treuen Populisten, die destruktiven Extremisten, die noch immer vorhandenen einigermaßen konstruktiven Moderaten zusammenzuhalten, ist vielleicht der schwierigste Job in Washington. Trump scherzte am Dienstag, eigentlich sei nur Jesus Christus in der Lage, Sprecher des Repräsentantenhauses zu sein. Er hatte insofern recht, als es einen Wundertäter bräuchte, um die zerstrittenen Republikaner dauerhaft auf eine Linie zu bringen.
Quelle: ntv.de