"Aus der EU herauslösen"Trump will Europa spalten - und mit Italien fängt er an
Von Andrea Affaticati, Mailand
Eine kleine Gruppe europäischer Länder, darunter Italien, soll Trumps Speerspitze in der EU werden - oder besser: gegen die EU. Bislang ist offen, ob Ministerpräsidentin Meloni sich für das Vorhaben einspannen lässt.
Dass US-Präsident Donald Trump für die Europäische Union keine Sympathie hegt, ist schon länger bekannt. Die EU sei gegründet worden, "um die USA über den Tisch zu ziehen", sagte Trump im vergangenen Februar. In der neuen Sicherheitsstrategie der USA wird die Europäische Union denn auch für alles verantwortlich gemacht, was aus Sicht des US-Präsidenten falsch läuft in Europa.
"Wir wollen mit verbündeten Ländern zusammenarbeiten, die ihre frühere Größe wiedererlangen wollen", heißt es darin. Das kann man auch anders formulieren: Trump sucht Vasallen in Europa, die seinen nationalpopulistischen Kurs verfolgen.
In einer ursprünglichen Version der Sicherheitsstrategie soll dieses Vorhaben noch sehr viel deutlicher formuliert worden sein. Dem in Washington ansässigen Portal Defense One zufolge gibt es eine längere, unveröffentlichte Fassung des offiziellen Strategiepapiers. Darin sind die Länder aufgelistet, die helfen sollen, Trumps Plan umzusetzen. Offiziell bestreitet die US-Administration das Bestehen eines solchen Plans - beziehungsweise einer längeren Fassung.
Mit Meloni gegen die EU
Aber was Defense One meldet, fügt sich nahtlos in Trumps bisherige Politik ein. So wollen die USA mit Österreich, Ungarn, Italien und Polen künftig stärker zusammenarbeiten, "mit dem Ziel, sie aus der [Europäischen Union] herauszulösen". Mit Ausnahme Österreichs sind in all diesen Ländern rechte Parteien an der Macht: In Italien führt Premierministerin Giorgia Meloni eine Rechtskoalition, in Ungarn herrscht der russlandfreundliche Ministerpräsident Viktor Orbán und Polen hat mit Karol Nawrocki einen rechtspopulistischen Präsidenten, der sich sehr gut mit Trump versteht.
Österreich wird zwar von einem Dreierbündnis aus ÖVP, SPÖ und den liberalen Neos regiert. Aber in Umfragen ist die FPÖ mit ihrem rechtsradikalen Vorsitzenden Herbert Kickl die stärkste Partei. "Wir sollten Parteien, Bewegungen sowie intellektuelle und kulturelle Persönlichkeiten unterstützen, die nach Souveränität und dem Erhalt/der Wiederherstellung traditioneller europäischer Lebensweisen streben", heißt es laut Defense One in der Ursprungsversion der Nationalen Sicherheitsstrategie der USA.
Italien scheint für Trump die Aufgabe eines Gruppenleiters und Rammbocks dieser Anti-EU-Gruppe innerhalb der EU zu übernehmen. Aus mehreren Gründen: Meloni, die zugleich Vorsitzende der rechten Partei Fratelli d’Italia ist, sieht sich schon immer als Trump-Verbündete. In den drei Jahren, die sie mittlerweile regiert, versuchte sie, sich als Brückenbauerin zwischen Europa und den USA zu profilieren.
Abgekühlte Herzlichkeit
Dieser Balanceakt gelang ihr unter der US-Präsidentschaft des Demokraten Joe Biden ganz gut. Seit Trumps Rückkehr ins Weiße Haus riskiert die Balance jedoch in einen Spagat überzugehen, der die Premierministerin zu zerreißen droht. Dies wird vor allem deutlich, wenn man ihren Umgang mit Trumps Wendungen im Hinblick auf die Ukraine verfolgt.
Ihre Unentschlossenheit erkennt man schon an der abgekühlten Herzlichkeit, mit der Meloni Selenskyj vor ein paar Tagen in Rom empfing. In ihren Gesprächen habe die Premierministerin Positionen des US-Präsidenten vertreten, berichteten italienische Medien anschließend.
Ein weiteres Indiz ist, dass Meloni sich der "Koalition der Willigen", angeführt von Großbritannien, Frankreich und Deutschland, nicht angeschlossen hat. Und: Umgerechnet aufs BIP unterstützt Italien die Ukraine dem Support Tracker des Kieler Instituts für Weltwirtschaft zufolge nur so stark wie das neutrale Österreich und das arme Rumänien.
"Ich würde das nicht dramatisieren"
Bis jetzt hat Meloni versucht, Trumps Ausfälle irgendwie kleinzureden. Schon im Frontalangriff von US-Vizepräsident JD Vance bei der Münchner Sicherheitskonferenz auf Europa hatte Meloni mehr als einen Funken Wahrheit ausgemacht.
Auch mit Blick auf Trumps Sicherheitsstrategie versuchte sie in einem Interview mit dem Privatsender La7 zu beschwichtigen: "Ich würde das jetzt nicht dramatisieren", sagte sie. "Wenn Europa wieder groß werden will, dann muss es verstehen, dass es seine Entscheidungen allein treffen muss und sich nicht von anderen abhängig machen darf. Wenn man seine Sicherheit jemand anderen verwalten lässt, zahlt man einen Preis dafür." Eine Mahnung an die EU, die ganz in Trumps Sinne sein dürfte.
In den regierungskritischen Medien Italiens liest man immer wieder Kommentare, die Meloni als Marionette in Trumps Händen bezeichnen. Trump wiederum zeigt sich immer sehr angetan von Italiens Regierungschefin, nennt sie eine kluge und schöne Frau. Diese Gunst wird sie sich nicht verscherzen wollen. Aber ihre Mahnung an die EU gilt auch für sie selbst: Wer sich von einer anderen Macht abhängig macht, zahlt dafür einen Preis. Früher oder später wird Meloni sich entscheiden müssen, auf welcher Seite sie stehen will.