Politik

"Entscheidende 48 Stunden" Trumps Arzt hat nahezu unmögliche Aufgabe

Sean Conley bei einer Pressekonferenz am Sonntag.

Sean Conley bei einer Pressekonferenz am Sonntag.

(Foto: REUTERS)

Wie es US-Präsident Trump wirklich geht, darüber zerbrechen sich seit mehreren Tagen viele den Kopf. Ein entscheidender Grund dafür ist: Trumps Arzt nimmt zwei kaum miteinander zu vereinbarende Rollen ein.

In den meisten Amtszeiten hat der Arzt des Weißen Hauses einen klar definierten, unauffälligen Job: Er kümmert sich abseits der Öffentlichkeit um den Präsidenten, dessen Vize und deren Familien. Für Sean Conley gilt das nicht mehr. Spätestens seit bekannt geworden ist, dass US-Präsident Donald Trump, dessen Frau Melania und weitere enge Mitarbeiter mit dem Coronavirus infiziert sind, steht der ehemalige Militärarzt unter permanenter kritischer Beobachtung. Wie geht es Trump? Das ist bei einem 74-jährigen Staatschef ohnehin eine Schlüsselfrage, und da in wenigen Wochen eine Wahl ansteht, noch viel mehr.

Was Conley aber derzeit macht, ist politisch wie selten. Laut seinen Informationen vom Freitag hatte Trump leichte Symptome und seine Verlegung ins Krankenhaus sei eine Vorsorgemaßnahme. Conley leitet dort ein Ärzteteam, das sich um Trump kümmert. Am Samstag wand sich sein Conley dann bei einer Pressekonferenz um klare Antworten herum. Morgens sagte er noch, Trumps Symptome seien fast weg, später dann, der Präsident sei noch nicht über den Berg.

Das Weiße Haus geht sehr vorsichtig bis geheimniskrämerisch mit Informationen über Trumps Zustand um. Der Eindruck ist, dass Conley nicht genau informieren will, sondern nur dem hinterherläuft, was anderweitig schon bekannt geworden ist. Trotzdem kam heraus, dass Trump am Freitag hohes Fieber hatte, er mit Sauerstoff versorgt wurde, ihm ein Steroid gegen Covid-19 und ein experimentelles Medikament verabreicht worden waren.

Eine anonyme Quelle aus dem Weißen Haus - später wurde bekannt, dass es Trumps eigener Stabschef Mark Meadows war -, hatte die offizielle Version am Samstag dementiert: "Die kommenden 48 Stunden sind entscheidend, was seine Betreuung betrifft", sagte er US-Medien. Trumps Gesundung sei nicht sicher.

Nun diskutieren die US-Medien darüber, was wichtiger ist: der hippokratische Eid, wonach ein Arzt über den Zustand eines Patienten schweigen darf, oder das öffentliche Interesse am Zustand des Präsidenten und Oberbefehlshabers ihres Landes? Aus dem Weißen Haus heißt es, es sei sehr wahrscheinlich, dass Conley nur das sage, was Trump will. Das wäre kaum überraschend: Conley untersteht Trump auch als Offizier der US-Marine, und der Präsident ist nicht dafür bekannt, gerne als schwächelnd dargestellt zu werden.

Neuer Altersrekord in Sicht

Inzwischen heißt es aus dem Weißen Haus, Trump werde möglicherweise bereits am heutigen Montag entlassen. Angebracht aber bleiben gesundheitliche Erwägungen weiterhin: Trump ist der bisher älteste vereidigte Präsident der Vereinigten Staaten. Sollte er seine Covid-19-Erkrankung überleben, wonach es derzeit aussieht, wird dieser Rekord im Januar überholt sein: Entweder durch ihn selbst oder seinen Konkurrenten Joe Biden. Der Demokrat wäre bei seiner Amtseinführung sogar 78 Jahre alt.

Für Conley ist es ein Drahtseilakt. Der Arzt muss und will glaubwürdig bleiben, aber es sich zugleich nicht mit seinem prominenten Patienten verscherzen. Als Trump im Mai etwa plötzlich verkündete, er nehme wegen des Coronavirus vorsorglich das umstrittene Chloroquin, schob Conley eine Bestätigung nach, die mögliche Wirkung habe die möglichen Risiken überwogen. Schon einmal, im vergangenen Jahr, gab es Rätselraten um eine Untersuchung Trumps im selben Militärkrankenhaus. Conley teilte danach mit, es habe sich um eine Routineuntersuchung gehandelt. Stimmt das?

Im aktuellen Fall zeigen weitere von Conleys Aussagen, wie schwierig sein Job derzeit ist. Gestern sagte der Arzt, die Röntgen- und Lungenuntersuchungen Trumps hätten das Erwartete gezeigt, aber nichts Besorgniserregendes. Doch Covid-19 verursacht häufig schwere Lungenschäden und Trump bekam offenbar die entsprechende Behandlung. Conley hat also nicht gelogen, aber geschickt geflunkert.

Conley ist nicht der einzige Arzt, der sich von Trump hat leiten lassen. Als etwa im Wahlkampf 2016 dessen Gesundheitszustand ein Thema geworden war, legte er das Gutachten eines Krankenhausarztes in New York vor. "Falls er gewählt wird, kann ich zweifellos feststellen, dass er die gesündeste gewählte Person überhaupt sein würde", hieß es darin. Das Schreiben enthielt weitere Superlative, schwärmte etwa von Trumps "außergewöhnlicher Robustheit". Nachdem er längst vereidigt war, wurde bekannt: Der Präsident hatte den Brief komplett diktiert, der Arzt nur unterschrieben.

Quelle: ntv.de

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