Lob aus Israels Regierung Trumps Säuberungspläne lösen in Gaza scharfe Kritik aus
26.01.2025, 16:01 Uhr Artikel anhören
Trump hat nach eigenen Angaben den Vorschlag bereits mit dem jordanischen König Abdullah II. erörtert. Er will auch mit dem ägyptischen Staatschef Abdel Fattah al-Sisi darüber sprechen.
(Foto: dpa)
Donald Trump schlägt vor, die Palästinenser "vorübergehend oder langfristig" aus dem Gazastreifen umzusiedeln. Das stößt auf Kritik aus dem Palästinensergebiet und auf Lob aus den rechtsextremen Teilen der israelischen Regierung. Einem Bericht zufolge ist der Vorschlag mit Israel koordiniert.
US-Präsident Donald Trump stößt mit seinem Vorstoß, die Palästinenser im Gazastreifen vollständig nach Ägypten und Jordanien umzusiedeln, auf ein geteiltes Echo: Die rechtsextremen Teile der israelischen Regierung unterstützen die Pläne, aus den palästinensischen Gebieten kommt heftiger Widerspruch. Trump bezeichnete das kriegsverwüstete Palästinensergebiet als "Abrissgebiet". Ägypten und Jordanien sollen rund anderthalb Millionen Menschen aufnehmen, dann könne man das Gebiet "gründlich säubern". Die Umsiedlung der Bewohner könne "vorübergehend oder langfristig" sein. Der rechtsextreme israelische Finanzminister Bezalel Smotrich sprach von einer "großartigen Idee", die im Gazastreifen herrschende Hamas widersprach vehement.
Der israelische Nachrichtensender Channel 12 News berichtete, Trumps Aussage sei "kein Versprecher" gewesen, sondern "Teil einer viel umfassenderen, mit Israel koordinierten Aktion". Channel 12 berief sich dabei auf Quellen in der israelischen Regierung, ein Insider bestätigte die Aussage "CNN" gegenüber. In der Region besteht seit langem die Befürchtung, dass Israel die Palästinenser aus dem Gazastreifen in die Nachbarländer vertreiben will. Israel lehnt die Vorwürfe ab, Teile der rechtsextremen Fraktionen in Israels Regierung unterstützen sie aber.
Die USA unterstützten vor Trumps Amtszeit über Jahrzehnte hinweg eine Zweistaatenlösung, die einen unabhängigen Staat Palästina neben dem Staat Israel westlich des Jordan anstrebt. Trumps Äußerungen scheinen damit zu brechen. Israels rechtsextremer Finanzminister Itamar Ben-Gvir hatte bereits im vergangenen Jahr die "freiwillige Auswanderung" der Palästinenser gefordert. Die israelische Zeitung "Haaretz" bezeichnete dies als eine "höchst umstrittenen Forderung, da die meisten Palästinenser und ihre Unterstützer die Idee einer Umsiedlung, selbst wenn sie nur vorübergehend wäre, ablehnten".
Lob von Smotrich, Kritik aus dem Gazastreifen
Palästinenserpräsident Mahmud Abbas warnte vor einer möglichen Vertreibung der Bewohner des Küstenstreifens, die "eine eklatante Verletzung der roten Linien" darstellen würde. "Unser Volk wird unerschütterlich bleiben und seine Heimat nicht verlassen", stand in einer Erklärung des Präsidentenbüros in Ramallah im Westjordanland.
Auch die Hamas lehnt eine Umsiedlungsaktion entschieden ab. "Wie es im Laufe der Jahrzehnte jeden Plan für Vertreibung und alternative Heimatländer zunichtegemacht hat, wird unser Volk auch solche Vorhaben zunichtemachen", sagte das Hamas-Politbüro-Mitglied Bassem Naim. Man werde entsprechende Angebote oder Lösungen unter dem Deckmantel des Wiederaufbaus nicht akzeptieren, auch wenn wie hier "scheinbar gute Absichten" dahinter stünden, sagt ein Mitglied des Hamas-Politbüros, Bassem Naim.
Der unabhängige palästinensische Politiker Mustafa Barghouti wies Trumps Äußerungen laut "CNN" "vollständig zurück". "Was die Besatzung durch ihre verbrecherische Bombardierung und ihren Völkermord im Gazastreifen nicht erreicht hat, wird nicht durch politischen Druck durchgesetzt werden", sagte Barghouti und fügte hinzu: "Die ethnische Säuberung wird im Gazastreifen oder im Westjordanland keinen Erfolg haben."
Die UN betrachten den Gazastreifen noch immer als israelisch besetztes Gebiet, weil Israel dort die Kontrolle ausübe. Während der aktuell laufenden Waffenruhe sollte sich das israelische Militär eigentlich schrittweise aus dem Zentrum des Palästinensergebiets zurückziehen.
Laut der Nachrichtenagentur Reuters lehnen auch viele der Einwohner des Gazastreifens Trump Idee von einem Wegzug ab: "Wenn er denkt, dass er das palästinensische Volk gewaltsam vertreiben kann, dann ist das unmöglich, unmöglich, unmöglich", sagte etwa Einwohner Magdy Seidam. "Das palästinensische Volk ist fest davon überzeugt, dass dieses Land ihnen gehört, dass dieser Boden ihr Boden ist." Andere Einwohner nannten Trumps Vorschlag "arrogant".
"Die Idee, für sie andere Orte zu finden, in denen sie ein besseres Leben beginnen können, ist eine großartige Idee", lobte dagegen der rechtsextreme israelische Minister Smotrich Trumps Vorstoß. "Nach Jahren der Glorifizierung von Terrorismus werden sie in der Lage sein, ein neues und gutes Leben an anderen Orten aufzubauen", fügte der Politiker mit Blick auf die Herrschaft der radikalislamischen Hamas im Gazastreifen hinzu.
Smotrich will nach eigenen Angaben mit dem israelischen Regierungschef Benjamin Netanjahu und dem Kabinett daran arbeiten, Trumps Plan "so bald wie möglich umzusetzen". Nur unkonventionelle Überlegungen zur Beilegung des Nahost-Konflikts könnten eine "Lösung des Friedens und der Sicherheit" bringen, sagte er.
Trump spricht mit Jordanien und Ägypten
Trump hat nach eigenen Angaben den Vorschlag bereits mit dem jordanischen König Abdullah II. erörtert. Er auch mit dem ägyptischen Staatschef Abdel Fattah al-Sisi darüber sprechen. "Ich möchte, dass Ägypten Menschen aufnimmt. Und ich möchte, dass Jordanien Menschen aufnimmt", sagte Trump. In Jordanien leben laut Angaben der UN bereits rund 2,4 Millionen palästinensische Flüchtlinge. Jordanien wies entschieden jede Form der Zwangsvertreibung von Palästinensern zurück. "Unsere Ablehnung der Vertreibung von Palästinensern ist stark und wird sich nicht ändern", erklärte der jordanische Außenminister Aiman Safadi.
Die Mehrheit der Menschen im Gazastreifen ist seit dem Beginn des Krieges, der durch den Großangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 ausgelöst worden war, innerhalb des Palästinensergebiets vertrieben worden, viele von ihnen bereits mehrfach. Seit dem 19. Januar gilt für zunächst sechs Wochen eine Waffenruhe im Gazastreifen, in deren Verlauf die Hamas insgesamt 33 ihrer israelischen Geiseln freilassen soll.
"Fast alles ist zerstört und die Menschen sterben dort", sagte Trump zur Lage im Gazastreifen. "Deshalb würde ich lieber mit einigen arabischen Ländern zusammenarbeiten und an einem anderen Ort Wohnungen bauen, wo sie vielleicht zur Abwechslung einmal in Frieden leben können."
Ägyptischer Staatschef warnt
Die 2,4 Millionen Einwohner des Gazastreifens sind zumeist palästinensische Flüchtlinge oder deren Nachfahren. Ihre Umsiedlung aus dem Gazastreifen in andere Länder würde bei den Palästinensern düstere Erinnerungen an ein Ereignis wecken, das in der arabischen Welt als "Nakba", also "Katastrophe", bekannt ist: die Massenvertreibung von Palästinensern im Zuge von Israels Staatsgründung 1948.
Entsprechend sind auch in Ägypten und Jordanien ernste Vorbehalte zu erwarten. Ägypten hat in der Vergangenheit jede "erzwungene Umsiedlung" von Palästinensern aus dem Gazastreifen in die Sinai-Wüste abgelehnt. Al-Sisi warnte, ein solches Vorgehen könne den 1979 geschlossenen Friedensvertrag seines Landes mit Israel gefährden.
Durch die Luftangriffe und Kämpfe im Gaza-Krieg wurden große Teile der Infrastruktur des Palästinensergebietes dem Erdboden gleichgemacht. Nach einer UN-Analyse sind rund 60 Prozent der Gebäude und 92 Prozent aller Wohnhäuser im Gazastreifen zerstört oder beschädigt. Die Hälfte der Krankenhäuser und ein Großteil der Schulen sind nicht mehr in Betrieb.
Quelle: ntv.de, toh/AFP/rts/dpa