Infografik

Auswertung von Satellitendaten Fast 60 Prozent der Gebäude im Gazastreifen sind zerstört

Schadensanalyse im Gazastreifen anhand von Copernicus Sentinel-1-Satellitendaten von Corey Scher (CUNY Graduate Center) und Jamon Van Den Hoek (Oregon State University).

Schadensanalyse im Gazastreifen anhand von Copernicus Sentinel-1-Satellitendaten von Corey Scher (CUNY Graduate Center) und Jamon Van Den Hoek (Oregon State University).

(Foto: Scher/Van Den Hoek, Esri, ntv.de)

Der Waffenstillstand zwischen Israel und der Hamas gibt den Menschen im Gazastreifen Hoffnung. Falls der Frieden hält, kann der Wiederaufbau beginnen. Doch das wird noch ein langer Weg. Satellitendaten machen deutlich, wie massiv die Schäden sind - und in welch irrem Tempo die Region zur Trümmerlandschaft wurde.

Rund 16 Monate lang tobte im Gazastreifen ein blutiger Krieg. Seit wenigen Tagen schweigen nun die Waffen. Israel und Hamas haben sich auf einen Waffenstillstand verständigt. Am Grenzübergang bei Rafah stehen hunderte LKW mit Hilfslieferungen bereit, um die notleidende Bevölkerung zu versorgen. Erweist sich der Frieden als stabil, könnte womöglich auch der Wiederaufbau im Gazastreifen bald beginnen.

Satellitenbilder zeigen jedoch, vor welcher gewaltigen Aufgabe die Palästinenser stehen. In manchen Teilen des Landes steht praktisch kein Stein mehr auf dem anderen. Laut einer Auswertung von Sentinel-Satellitendaten wurden fast 60 Prozent der Häuser in dem dicht besiedelten Küstenstreifen durch die Kampfhandlungen schwer beschädigt oder zerstört.

Massive Zerstörung in den ersten Monaten

Monatelang haben Corey Scher von der City University in New York und Jamon Van Den Hoek von der Oregon State University öffentliche Satellitendaten ausgewertet, um Veränderungen in den digitalen "Fußabdrücken" von Gebäuden nachzuvollziehen. Mit Hilfe dieser Auswertungen lässt sich die fortschreitende Zerstörung im Gazastreifen im Kriegsverlauf gut visualisieren. Ein Großteil der Kriegsschäden entstand demnach bereits in den ersten paar Monaten. In der nachfolgenden Kartenserie sind beschädigte oder zerstörte Häuserblocks rot hervorgehoben.

Hinweis: Nutzen Sie die Pfeiltaste in der Grafik, um die Ausdehnung der Kriegsschäden von Monat zu Monat zu betrachten.

Im Oktober 2023 waren die israelischen Truppen vom nördlichen Grenzzaun aus in den Gazastreifen einmarschiert. Wenige Wochen später zeigten Satellitenbilder bereits eine breite Panzerschneise südlich von Gaza Stadt. Die Stadt wurde umzingelt und der Gazastreifen zweigeteilt. Die Zivilbevölkerung wurde aufgefordert, sich südlich des Wadi Gaza (rote Linie) in Sicherheit zu bringen. Doch es dauerte nicht lange, bis die Kampfhandlungen auch im Süden fortgeführt wurden.

In Chan Junis, der zweitgrößten Stadt im Gazastreifen, befand sich vor dem Krieg eins der größten UN-Flüchtlingslager. Doch auch das bot in diesem Konflikt keinen Schutz mehr. Die israelische Armee rechtfertigte ihr Vorrücken gegen zivile Infrastruktur und Schutzeinrichtungen stets damit, dass die Hamas ihre Kommandostrukturen gezielt in der Nähe von Zivilisten errichtet habe.

Im Rückblick fällt vor allem das Tempo der Verwüstung rund um Gaza Stadt auf. Hier wurden Wohnhäuser und Infrastruktur schon innerhalb der ersten Kriegsmonate praktisch dem Erdboden gleich gemacht. Die Satellitendaten deuten darauf hin, dass im Januar 2025, zu Beginn der Waffenruhe, fast drei Viertel aller Gebäude in der Region Gaza zerstört oder beschädigt sind.

Im Süden drängeln sich die Flüchtlinge

Die Grenzregion Rafah hingegen galt lange Zeit als letzter Rückzugsort der Hamas. Weil aber auch ein Großteil der vertriebenen Bevölkerung aus dem Norden hierher geflüchtet war, galten die Einsätze der israelischen Armee in Rafah als besonders heikel und umstritten.

Mehr zum Thema

Das zeigt sich auch in den Daten: Die aus dem All sichtbaren Kriegsschäden treten in dieser Region eher allmählich auf. Das spricht dafür, dass die Gebäude in dieser Region vor allem durch mehr oder weniger gezielte Luftschläge in Mitleidenschaft gezogen wurden. Unter dem Druck seiner Verbündeten zeigte sich Israel zudem stärker um den Schutz der Zivilisten bemüht und unterbrach seine Militäroffensiven immer wieder für Evakuierungsmaßnahmen. Viele der Geflüchteten wurden angewiesen, in der "humanitären Zone" bei Al-Mawasi an der Küste Schutz zu suchen, wo sich die Bedingungen daraufhin zunehmend verschärften.

Hilfsorganisationen wollen die größte Not so schnell wie möglich lindern und die Feuerpause nutzen, um Güter ins Land zu schaffen. Schließlich ist noch völlig offen, wie lange der Frieden anhält - oder wie es langfristig weitergehen soll. Die Hamas ist zwar geschwächt, aber noch lange nicht besiegt. Israel kann kaum verhindern, dass auch die Terrororganisation die Waffenruhe nutzt, um wieder zu Kräften zu kommen.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen