Folge eines russischen Angriffs Tschernobyl-Sicherheitshülle fehlt der Strom
01.10.2025, 23:34 Uhr Artikel anhören
Anfang des Jahres wurde die Außenhülle von Tschernobyl von einer Drohne beschädigt.
(Foto: picture alliance/dpa/Ukrainian Emergency Service)
Das Unglück von Tschernobyl liegt mittlerweile fast 40 Jahre her, die Folgen beschäftigen die Ukraine aber immer noch. Ein russischer Angriff trifft das Umspannwerk, das die Schutzhülle mit Strom versorgt. Fachleute müssen nun Schlimmeres verhindern.
An der Schutzhülle um den zerstörten Reaktorblock des Kernkraftwerks Tschernobyl in der Ukraine ist nach Kiewer Regierungsangaben wegen eines russischen Luftangriffs der Strom ausgefallen. Fachleute arbeiteten daran, die Versorgung wiederherzustellen, teilte das ukrainische Energieministerium auf Telegram mit.
Demnach traf der russische Angriff ein Umspannwerk in der Stadt Slawutytsch, die knapp 50 Kilometer vom AKW Tschernobyl (ukr.: Tschornobyl) entfernt liegt. Auch in der Kleinstadt, in der früher die Bedienungsmannschaften des Werks lebten, fiel der Strom aus.
Für die drei stillgelegten Reaktoren des Werks sei zur Versorgung auf eine andere Stromleitung umgeschaltet worden, teilte die Internationale Atomenergiebehörden IAEA in Wien mit. Der sogenannte Sarkophag um den 1986 explodierten vierten Block werde mit zwei Dieselgeneratoren versorgt.
In Tschernobyl ereignete das schwerste Unglück in der Geschichte der Atomkraft. Die Reste eines explodierten Reaktorblocks sind seit 2019 mit einer 100 Meter hohen Schutzhülle ummantelt. Zum Betrieb dieser Anlage, unter anderem der Lüftung, ist Strom notwendig. Im Februar 2025 beschädigte eine russische Drohne den doppelwandigen sogenannten Sarkophag.
Auch AKW Saporischschja macht wieder Sorgen
Aber nicht nur das ehemalige Kernkraftwerk Tschernobyl bereitet Beobachtenden derzeit Sorge. Das besetzte ukrainische Atomkraftwerk Saporischschja wird nach russischen Angaben den neunten Tag in Folge mit Notstrom aus Dieselgeneratoren gekühlt, nachdem eine externe Stromleitung unterbrochen worden war. Die Lage sei unter Kontrolle und die Strahlungswerte seien normal, erklärte die von Moskau eingesetzte Leitung des größten AKW in Europa. Es sei jedoch wichtig, dass die externe Stromversorgung so schnell wie möglich wiederhergestellt werde.
Die Notstromversorgung sei vorerst ausreichend, zitierte die Nachrichtenagentur RIA die Leitung des Kernkraftwerks. Die Wiederaufnahme der regulären Stromversorgung über die sogenannte Dnjeprowskaja-Leitung sei jedoch unmöglich. Schuld daran sei ukrainischer Beschuss. Die Ukraine hat dagegen erklärt, dass russischer Beschuss die Wiederherstellung der externen Stromversorgung verhindere.
Die letzte verbliebene externe Stromleitung war bei Kämpfen am 23. September unterbrochen worden. Strom wird benötigt, um Wasser zur Kühlung der Reaktoren und der abgebrannten Brennelemente durch die Anlage zu pumpen. Alle sechs Reaktoren sind derzeit abgeschaltet. Russische Streitkräfte hatten das Kraftwerk kurz nach Beginn des Einmarsches in die Ukraine 2022 besetzt.
"Das größte Atomkraftwerk Europas ist nun schon seit mehr als einer Woche ohne externe Stromversorgung, was bei weitem das längste derartige Ereignis in mehr als dreieinhalb Jahren Krieg ist", sagte der Generaldirektor der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), Rafael Grossi. "Der derzeitige Zustand der Reaktoreinheiten und der abgebrannten Brennelemente ist stabil, solange die Notstrom-Dieselgeneratoren ausreichend Strom zur Aufrechterhaltung der wesentlichen Sicherheitsfunktionen und der Kühlung liefern können", fügte er hinzu. "Es ist äußerst wichtig, dass die externe Stromversorgung wiederhergestellt wird."
Das russische Management des AKW erklärte laut RIA, dass die Notstromgeneratoren vorerst ausreichten und nur einige von ihnen im Einsatz seien. Alle Anlagen funktionierten normal. Kämpfe rund um das noch zu Zeiten der Sowjetunion gebaute Atomkraftwerk haben wiederholt zu Warnungen vor einer Nuklearkatastrophe ähnlich wie 1986 in Tschernobyl geführt.
Quelle: ntv.de, ses/dpa/AFP