Deutsch-Türken tief gespalten Türkische Gemeinde lobt Bundesregierung
06.03.2017, 16:38 Uhr
Mit Erdogans Nazi-Vergleich hat der deutsch-türkische Streit eine neue Eskalationsstufe erreicht.
(Foto: dpa)
Die Eskalation im politischen Verhältnis ihrer Heimatländer führt zu einer Polarisation unter den Deutsch-Türken. Keineswegs jubeln sie alle Erdogan zu. Nicht nur die Türkische Gemeinde zu Berlin stellt sich ausdrücklich hinter die Bundesregierung.
Die Türkische Gemeinde zu Berlin hat die Bundesregierung für ihr besonnenes Agieren im Konflikt mit Ankara gelobt. "Man darf sich nicht auf alles einlassen", sagte ihr Präsident Bekir Yilmaz. Zum Nazi-Vergleich des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan sagte er: "Vergleiche mit dem Dritten Reich zu ziehen, das ist absolut inakzeptabel." Erdogan hatte in Richtung Deutschland gesagt: "Eure Praktiken machen keinen Unterschied zu den Nazi-Praktiken in der Vergangenheit."
Die aktuellen Spannungen im deutsch-türkischen Verhältnis gingen an den hierzulande lebenden Menschen türkischer Herkunft "natürlich nicht spurlos vorbei", sagte Yilmaz. Die Fronten zwischen den Anhängern der verschiedenen türkischen Parteien in Deutschland seien "wahrscheinlich noch verhärteter als in der Türkei selbst". Er rechne deshalb auch mit einer sehr hohen Beteiligung der hier ansässigen Türken an dem Referendum über das von Erdogan befürwortete Präsidialsystem am 16. April.
Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland (TGD), Gökay Sofuoglu, sagte der dpa, er rate allen, sachlich zu bleiben. Der Nazi-Vergleich von Erdogan sei "absolut überzogen". Man dürfe darauf aber nicht antworten, indem man "auf dieses Niveau runtergeht". Er sei dagegen, den am Dienstag in Hamburg geplanten Auftritt des türkischen Außenministers Mevlut Cavusoglu zu untersagen. Solche Verbote seien nicht das richtige Mittel in einer Demokratie. Sie würden zudem die aufgeheizte Stimmung gegen Deutschland in der Türkei noch weiter anfachen.
Polizei hat keine Bedenken gegen Cavusoglu-Auftritt
Die Kurdische Gemeinde Deutschlands forderte eine klare Haltung der Bundesregierung. In Deutschland werde die Meinungsfreiheit geachtet. "Daraus lässt sich jedoch keine Narrenfreiheit ableiten, die Erdogan und seine Regierung für sich in Anspruch nehmen wollen", betonte der Vorsitzende Ali Toprak in einer Mitteilung. Den Nazi-Vergleich Erdogans nannte er einen "Tiefpunkt der Niveaulosigkeit".
Unterdessen zeichnet sich ab, dass Cavusoglus Auftritt in Hamburg wie geplant vonstattengehen kann. Die Hamburger Polizei hat nach eigenen Angaben keinerlei Veranlassung für ein Verbot. "Verbotsgründe nach dem Versammlungsgesetz liegen der Polizei zum jetzigen Zeitpunkt nicht vor", teilten die Beamten in der Hansestadt mit. Der Veranstalter habe der Polizei unter anderem ein Sicherheitskonzept vorgelegt, das deren Auflagen beinhalte.
Cavusoglu wird im Rahmen eines Deutschlandbesuchs zu einem Auftritt in einem privaten Veranstaltungsraum im Hamburger Stadtteil Wilhelmsburg erwartet, bevor er am Mittwoch in Berlin mit Bundesaußenminister Sigmar Gabriel zusammentrifft. Die Behörden sind laut Hamburger Polizei und Bundesregierung seit Freitag über die Besuchspläne informiert.
Quelle: ntv.de, mbo/dpa/AFP