"Hat das Gegenteil erreicht" US-Außenminister rätselt über Putins Motive
19.02.2022, 19:57 Uhr
Hat ein Verständnisproblem: US-Außenminister Blinken leuchtet die Strategie des Kreml nicht ein.
(Foto: imago images/AAP)
US-Außenminister Blinken zeigt sich fassungslos: Mit seiner Aggression habe Putin die NATO gestärkt und die Ukrainer verprellt. Alles, was der russische Präsident vorgeblich verhindern wolle, habe er herbeigeführt. Im Donbass meldet Kiew nach Gefechten mit Separatisten zwei tote Soldaten.
Angesichts des Aufmarschs von weit mehr als 100.000 russischen Soldaten an der Grenze zur Ukraine hat sich US-Außenminister Tony Blinken verständnislos über die Motive von Kremlchef Wladimir Putin geäußert. Alles, was Putin angeblich verhindern wollte, habe er beschleunigt, sagte Blinken der "Süddeutschen Zeitung". So habe sich etwa die Mehrheit der Ukrainer von Russland abgewendet und befürworte nun eine NATO-Mitgliedschaft. Und auch die Stärkung der NATO sei allein Ergebnis der "aggressiven Maßnahmen" Russlands. "Eigentlich will er all dies verhindern - aber nun führt er es herbei."
Blinken warnte Moskau eindringlich vor einem Einmarsch in die Ukraine und kündigte für diesen Fall erneut "viele schwere Sanktionen" gegen Russland an. Zugleich erneuerte er aber auch sein Verhandlungsangebot. Er werde sich, wenn Russland nicht vorher mit dem Krieg beginne, am Mittwoch mit Russlands Außenminister Sergej Lawrow in Europa treffen. Er gehe aber davon aus, dass Putin seine Entscheidung für einen Krieg schon getroffen habe.
Auch Pelosi sieht NATO gestärkt
Ähnlich äußerte sich auch die Top-US-Demokratin Nancy Pelosi. Die NATO sei durch die russische Aggression stärker geworden und setze Diplomatie an die erste Stelle, um Frieden und Demokratie zu schützen, sagte die Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses bei einer Pressekonferenz auf der Münchner Sicherheitskonferenz. "Die Diplomatie ist in all dem bis zur letzten Sekunde noch lebendig", betonte Pelosi mit Blick auf einen befürchteten Einmarsch Russlands in die Ukraine. Gleichzeitig seien die Verbündeten bereit, Sanktionen zu verhängen, wie man sie in dieser Intensität und Schnelligkeit noch nie gesehen habe. "Das wird nichts sein, das lange dauern wird", kündigte sie an.
Zu Zweifeln an Deutschlands Bündnistreue in der Krise, die mit Blick auf die deutsch-russische Gaspipeline Nord Stream 2 vor allem in den USA aufgekommen war, sagte Pelosi: "Ich spreche der deutschen Regierung und dem deutschen Volk meine Anerkennung für ihre Bereitschaft aus, sich so nachdrücklich für die Sanktionen einzusetzen." Sie wisse, dass Sanktionen auch Kollateralschäden zur Folge hätten. Über das deutsche Engagement in der Krise könne sie sich nicht beschweren. Ob Sanktionen auch das internationale Banken-Kommunikationsnetzwerk Swift betreffen würden, ließ Pelosi offen. Das werde noch verhandelt.
Geheimdienste: Detaillierte Pläne für Operationen unter falscher Flagge
Adam Schiff, der Vorsitzende des Geheimdienstausschusses im Repräsentantenhaus, betonte, dass Russland "detaillierte Pläne für Operationen unter falscher Flagge entwickelt" habe. Sie sollten die Welt in die Irre führen und einen Vorwand für einen Einmarsch liefern. "Die Ukraine stellt keine militärische Bedrohung für Russland dar", sagte Schiff in München. Er geht nach eigenen Worten davon aus, dass die Geheimdienstinformationen US-Präsident Joe Bidens Schlussfolgerung stützten. Biden hatte am Freitag erklärt, Moskau plane einen baldigen Angriff auf die Ukraine und auch auf deren Hauptstadt Kiew.
Bei den neuen schweren Gefechten in der Ostukraine sind bis zum Abend zwei Soldaten der Regierungstruppen getötet worden. Vier weitere wurden verletzt, wie die Armee in Kiew mitteilte. Laut Mitteilung warf die Armee den Separatisten in dem Konfliktgebiet zunächst rund 70 Verstöße gegen den geltenden Waffenstillstand seit Mitternacht vor.
Die Aufständischen in dem Gebiet Donezk sprachen ihrerseits von einem verletzten Zivilisten. Bis zum Abend habe es etwa fünf Dutzend Verstöße gegeben. In den ostukrainischen Gebieten Donezk und Luhansk unweit der russischen Grenze kämpfen seit 2014 vom Westen unterstützte Regierungstruppen gegen von Russland unterstützte Separatisten. UN-Schätzungen zufolge sind bereits mehr als 14.000 Menschen getötet worden, zumeist im Separatistengebiet. Ein Friedensplan von 2015 unter deutsch-französischer Vermittlung wird nicht umgesetzt.
Quelle: ntv.de, mau/dpa