Trump und der "Pro-Putin-Flügel" US-Republikaner zweifeln an Ukraine-Hilfen
26.10.2022, 10:08 Uhr (aktualisiert)
Ukrainische Soldaten laden einen Mörser in der Region Donezk.
(Foto: AP)
Mit breiten Mehrheiten hat der US-Kongress bislang die Hilfen für die Ukraine verabschiedet. Das könnte sich nach der Wahl in zwei Wochen ändern. Eine Republikanerin poltert bereits über einen "Pro-Putin-Flügel" in der eigenen Partei.
Der Winter kommt. Russland bombardiert die Energie-Infrastruktur der Ukraine. Die ukrainische Armee drängt die russischen Streitkräfte derzeit zurück, auch dank Hilfen der NATO-Staaten, insbesondere der USA. Bräche deren Unterstützung weg, könnte die Ukraine eine russische Besatzung wohl kaum verhindern. Auch darum geht es am 8. November, wenn die US-Amerikaner große Teile ihres Kongresses neu wählen. Die Mehrheiten und Machtverhältnisse werden sich verschieben, so viel ist sicher. Die Frage ist: wie genau? Denn davon könnte abhängen, wie der Krieg in der Ukraine weiter verlaufen wird.
Bislang haben die Demokraten die Mehrheit in beiden Kongresskammern. Die Umfrageergebnisse legen nahe, dass bald die Republikaner zumindest das Repräsentantenhaus kontrollieren dürften. Die republikanische Parteiführung könnte dies nutzen; der Knackpunkt ist die Staatsfinanzierung. Der Präsident legt einen Haushaltsvorschlag vor, dem der Kongress zustimmen muss. Auch bei der Erhöhung des Schuldenlimits muss das Parlament einverstanden sein. Hier können die Republikaner blockieren, wenn es nicht nach ihren Vorstellungen geht.
Für Präsident Joe Biden und die Demokraten würde dies bedeuten, dass sie der Opposition womöglich schmerzhafte Zugeständnisse machen müsste, falls das Geld weiterhin in ähnlichem Umfang fließen soll. Die Folge für die anderen NATO-Staaten wäre: Entweder sie müssten trotz Energiekrise, Inflation und potenzieller Rezession finanziell in die Bresche springen - oder der Ukraine erklären, warum die Solidarität nun ihre Grenze erreicht.
Bislang hat der Kongress der Ukraine Hilfen im Umfang von mehr als 60 Milliarden Dollar zugesagt, zumeist mit parteiübergreifenden, deutlichen Mehrheiten. Seit dem Vietnamkrieg hatten die Vereinigten Staaten nicht mehr so viel Geld in einen bewaffneten Konflikt gepumpt. Für die Bevölkerung bleibt zugleich die Inflation hoch und die Lohnentwicklung hechelt hinterher.
Kevin McCarthy, republikanischer Fraktionschef im Repräsentantenhaus, sagte zuletzt, der Ukraine dürfe man "keinen Blankoscheck ausstellen". McCarthy ist auch designierter zukünftiger Mehrheitsführer. "Die Menschen werden sich in einer Rezession befinden", führte er aus. "Die Ukraine ist wichtig, aber es kann nicht das einzige sein, was sie (die Demokraten) tun." Auch erwähnte er die Lage an der Südgrenze zu Mexiko, wo die abseits der offiziellen Übergänge gezählten Übertritte von Migranten auf einen neuen Rekord zusteuern.
Es ist nicht sicher, dass der Krieg die Vereinigten Staaten tatsächlich in eine Rezession treiben wird. Die OECD korrigierte im September ihre Wirtschaftsprognose für die USA zwar auf 1,5 Prozent in diesem Jahr nach unten. Aber auch für das kommende Jahr sieht sie noch ein Minimalwachstum von 0,5 Prozent. Der Internationale Währungsfonds geht aktuell von 1 Prozent aus. Die Weltbank von noch mehr.
Cheney auf Kollisionskurs
Der ohnehin schon raue Wahlkampfton ist seit McCarthys Aussage noch schärfer geworden. Neben der zu erwartenden öffentlichen Empörung von Demokraten kommt auch Kritik aus der eigenen Partei. Die republikanische Abgeordnete Liz Cheney etwa, im vergangenen Jahr wegen fehlender Loyalität zu Donald Trump aus der Fraktionsspitze gedrängt und von Teilen der Partei geächtet, bezeichnete McCarthy als Anführer eines "Pro-Putin-Flügels" der Republikaner. Damit meint sie die Isolationisten, zu denen tendenziell auch Ex-Präsident Donald Trump gehört. Der hatte Russlands Präsidenten Wladimir Putin noch zu Beginn der Invasion als "Genie" und "sehr intelligent" gelobt, nachdem Moskau zwei ukrainische Gebiete als unabhängig anerkannt hatte und dort einmarschiert war.
Cheney warnte sogar eindringlich davor, McCarthy mit einer Mehrheit im Repräsentantenhaus die Hauptverantwortung zu geben. "Der Fraktionschef kommt direkt hinter dem Präsidenten", führte sie aus. "Immer wenn er die Wahl hatte, das Richtige zu tun oder seinen eigenen politischen Interessen zu folgen, hat er sich für seine persönlichen Ziele entschieden." Cheney ist eine der bekanntesten parteiinternen Konkurrenten Trumps und wird als mögliche zukünftige Präsidentschaftskandidatin gehandelt. Mit ihrer parteiinternen Opposition zu Trump hat sie sich zwar profiliert, wird aber ihren Abgeordnetensitz verlieren. Sie unterlag in der Vorwahl der Konkurrentin Harriet Hageman, die von Trump unterstützt wird.
In zwei Wochen werden für den Kongress sämtliche 435 Abgeordnete sowie 34 von 100 Senatoren neu gewählt. Während die Wahl im Repräsentantenhaus so gut wie entschieden zu sein scheint, gibt es im Senat eine Vielzahl an Kopf-an-Kopf-Rennen. Trump, der Kriegsbeteiligungen äußerst kritisch gegenübersteht, unterstützt mehr als 200 Republikaner, die sich mit ähnlichen Inhalten zur Wahl stellen. Viele von ihnen haben mindestens gute Chancen, auch ein Mandat zu gewinnen. In den vergangenen Jahren lagen die Meinungsforscher mit ihren Zahlen nicht selten deutlich daneben. Häufig fuhren die Republikaner am Ende einen größeren Stimmenanteil ein als prognostiziert.
McCarthy gegen McConnell
Der sich anbahnende Konflikt über die zukünftigen Ukraine-Hilfen ist auch ein parteiinterner der Republikaner. McCarthy ist erklärter Verbündeter Trumps und liegt deshalb mit dem republikanischen Senatsfraktionschef Mitch McConnell über Kreuz. Nach der Blankoscheck-Aussage seines Parteikollegen distanzierte sich McConnell von McCarthy und versicherte, die Senatsfraktion der Republikaner werde sicherstellen, dass die Ukraine die nötigen Waffen pünktlich erhalte. Er forderte Bidens Regierung sogar dazu auf, die Hilfen noch auszuweiten.
McConnell stellt sich seit dem Sturm aufs Kapitol am 6. Januar 2021 offen gegen Trump und dessen Parteiflügel. Er gehört zu den Republikanern älterer Generation, die im Allgemeinen für Freihandel und, wenn nötig, militärische Härte plädiert, um US-Interessen auf der Welt durchzusetzen. Sie und die Demokraten müssen sich in den kommenden Jahren wohl mit den Vorstellungen eines starken isolationistischen Flügels bei den Republikanern auseinandersetzen. Der präsentiert sich wie die Demokraten als soziales Gewissen der US-Gesellschaft, der aber die Frage stellen dürfte: Warum geben wir Geld für den Krieg in Europa aus, wenn wir noch nicht einmal mit den Problemen im eigenen Land fertig werden?
(Dieser Artikel wurde am Montag, 24. Oktober 2022 erstmals veröffentlicht.)
Quelle: ntv.de