Politik

Räumen die Russen Cherson? Moskau errichtet Stellungen am Ostufer des Dnipro

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Russischer Kämpfer in der Region Cherson.

(Foto: IMAGO/SNA)

Rund 20.000 russische Soldaten kämpfen in der südukrainischen Region Cherson am westlichen Ufer des Dnipro. Offenbar beschäftigt sich Moskau bereits mit der Aufgabe des Brückenkopfes. Satellitenbilder zeigen den Bau von Verteidigungsstellungen an der gegenüberliegenden Flussseite.

Seit dem Start der ukrainischen Gegenoffensive in der Region Cherson Ende August spitzt sich die Lage für Moskaus Verbände am westlichen Dnipro-Ufer immer weiter zu. Weil Kiews Artillerie die Brücken über den Dnipro schwer beschädigt hat, läuft der Nachschub für die etwa 20.000 russischen Soldaten am westlichen Ufer hauptsächlich über improvisierte Ponton-Fähren. Der stellvertretende Leiter der russischen Besatzungsbehörden in der Region, Kirill Stremousow, berichtete am Morgen auf Telegram, gepanzerte Verbände der ukrainischen Armee würden sich auf den Straßen Richtung Cherson sammeln.

Dass Moskau seinen Brückenkopf und die Gebietshauptstadt Cherson aber kampflos aufgeben wird, scheint momentan wenig wahrscheinlich. Während einige russische Einheiten tatsächlich evakuiert werden, verlegt Moskau nach Angaben ukrainischer Militärs auch frische Kräfte in den Frontbogen. Der US-Militärexperte Michael Kofman teilte daher auf Twitter die Einschätzung, dass die Russen das Gebiet erst räumen, wenn sie den ukrainischen Streitkräften empfindliche Verluste zugefügt haben.

Allerdings scheinen sich die Militärplaner des Kreml bereits mit Rückzugsgedanken zu beschäftigen. Denn offensichtlich haben russische Truppen damit begonnen, Abwehrstellungen am östlichen Ufer des Dnipro anzulegen. Das zeigen Satellitenbilder von Anfang November, die der Blogger Benjamin Pittet auf Twitter veröffentlicht hat.

Nach Auswertung der ihm zur Verfügung stehenden Aufnahmen kommt der Schweizer zu dem Schluss, dass derzeit drei Verteidigungslinien auf einer Länge von rund 150 Kilometer entstehen - von der Mündung des Dnipro bis zur Ortschaft Wasyliwka. Laut Pittet bestehen die einzelnen Abwehrgürtel aus Schützen- und Panzergräben sowie Stellungen für gepanzerte Fahrzeuge und mitunter auch aus Zementbunkern. Dabei werden sowohl der Dnipro selbst als auch zahlreiche Kanäle in der Gegend in die Verteidigung miteinbezogen.

Eine Verteidigung direkt am Fluss könnte sich für die Russen allerdings als schwierig erweisen. Denn das östliche Ufer, wo der Dnipro an die flache Steppenebene der Südukraine angrenzt, ist an vielen Stellen von einer breiten Sumpfzone gesäumt. Auf der westlichen Seite dagegen ragt am Dnipro ein ausgeprägtes Steilufer empor, was die Angreifer aufgrund der Höhenunterschiede begünstigen würde.

Laut dem österreichischen Oberst und Militärexperten Markus Reisner hat die Gegenoffensive bei Cherson für die Ukraine eine hohe Bedeutung. Im Fall eines etwaigen Misserfolgs könnten die Russen im Frühjahr aus dem Brückenkopf am westlichen Dnipro-Ufer heraus neue Angriffe starten und versuchen, die Ukraine zu einem Binnenland zu machen, erklärte Reisner vor zwei Wochen bei ntv.

(Dieser Artikel wurde am Sonntag, 06. November 2022 erstmals veröffentlicht.)

Quelle: ntv.de, jpe

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