Politik

Der Kriegstag im Überblick Ukraine errichtet Brückenkopf am Ostufer des Oskil - Kiew schließt Verhandlungen derzeit aus

Ukrainische Soldaten durchsuchen in der Region Charkiw einen von russischen Truppen zurückgelassenen, zerstörten Panzer.

Ukrainische Soldaten durchsuchen in der Region Charkiw einen von russischen Truppen zurückgelassenen, zerstörten Panzer.

(Foto: AP)

Die ukrainische Armee macht weiter Fortschritte im Osten des Landes. Nach eigenen Angaben errichtet sie am östlichen Ufer des Oskil einen Brückenkopf - ein wichtiger Schritt, um Gebiete der Region Luhansk zu befreien. Doch der Beschuss durch Russland geht weiter. Und Kiew will sich derzeit nicht mit Russland an den Verhandlungstisch setzen - aus drei Gründen. Der 207. Kriegstag im Überblick:

Ukraine meldet Errichtung von Brückenkopf

Das ukrainische Militär hat nach eigenen Angaben am Fluss Oskil Truppenteile übersetzen können und damit einen Brückenkopf zum weiteren Vorgehen gen Osten gebildet. "Die ukrainischen Streitkräfte haben den Oskil überwunden. Seit gestern kontrolliert die Ukraine auch das linke Ufer", teilte die Pressestelle der ukrainischen Streitkräfte per Video auf ihrem Telegram-Kanal mit. Unabhängig können die Angaben nicht überprüft werden.

Auf dem Video ist ein Panzer zu sehen, der den Fluss durchfährt und am anderen Ufer von ukrainischen Soldaten schon empfangen wird. Bei ihrer Gegenoffensive Anfang September sind die ukrainischen Kräfte im Gebiet Charkiw bis an den Oskil vorgestoßen. Die Bildung eines Brückenkopfs auf der Ostseite des Flusses wäre ein strategisch wichtiger Erfolg für die ukrainischen Truppen. Damit könnten sie ihren Angriff Richtung Gebiet Luhansk fortsetzen. Über den genauen Ort der Flussquerung machte das Militär keine Angaben.

Iranische Drohnen setzen Ukraine zu

Laut einem Bericht des "Wall Street Journal" setzt die russische Armee iranische "Kamikaze"-Drohnen vom Typ Shahed-136 im Kampf um Charkiw ein. Der Einsatz habe der ukrainischen Armee laut ukrainischen Kommandeuren schweren Schaden zugefügt. So seien zwei 152-mm-Panzerhaubitzen, zwei 122-mm-Panzerhaubitzen und zwei gepanzerte Mannschaftstransporter zerstört worden. "In anderen Gebieten verfügen die Russen über eine überwältigende Feuerkraft der Artillerie, mit der sie zurechtkommen. Hier haben sie diesen Artillerievorteil nicht mehr, und deshalb haben sie begonnen, auf diese Drohnen zurückzugreifen", sagte Oberst Kulagin, Kommandeur der Artillerie der 92. Mechanisierten Brigade der Ukraine.

Rätsel um Schüsse in Cherson

Nach der Veröffentlichung eines Videos von Kämpfen in der von Russland besetzten südukrainischen Stadt Cherson beschuldigen sich Besatzungs-Kräfte und die Ukraine gegenseitig, für die Angriffe verantwortlich zu sein. Ein Beamter der Besatzer in Cherson erklärte, die Stadt sei wieder "ruhig". Kiew "versucht anzugreifen, aber ohne Erfolg", fügte er hinzu. Eine Sprecherin der ukrainischen Armee erklärte hingegen, bei den Schüssen und Explosionen in Cherson habe es sich um "Provokationen der (russischen) Besatzer" gehandelt. Die von Russland eingesetzte Verwaltung in Cherson teilte via Telegram mit: "Im Zentrum von Cherson kam es zu einem Zusammenstoß zwischen (...) russischen Streitkräften (...) und einer nicht identifizierten Gruppe von Menschen."

Exhumierung von Leichen in Isjum geht weiter

Die ukrainischen Behörden bitten bei der Aufarbeitung der Leichenfunde in Isjum um Geduld, wie ntv-Korrespondentin Kavita Sharma vor Ort berichtet. Man müsse in vielen Fällen die forensische Untersuchung abwarten, um die Todesursache zu bestimmen. Vor einigen Tagen erzählten der Reporterin einige Bewohner aus Balaklija von Folterpraktiken der russischen Besatzer. Einem Mann seien während eines Verhörs Stromschläge zugefügt worden. "Damit die anderen Insassen seine Schreie hören", wurde sogar die laute Belüftungsanlage ausgeschaltet, berichtet die Reporterin aus den Erzählungen eines Mannes. Bewohner von Isjum suchen derweil in einer nahe gelegenen bewaldeten Grabstätte nach toten Verwandten.

Unter anderem die USA und Deutschland forderten, die Verantwortlichen für die Gräueltaten in Isjum zur Rechenschaft zu ziehen. "Diese furchtbaren Verbrechen müssen unbedingt aufgeklärt werden - am besten von den Vereinten Nationen", sagte Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Die UN sollten schnell Zugang bekommen, um Beweise zu sichern. "Die Verantwortlichen für Kriegsverbrechen müssen vor Gericht gestellt werden."

Russische Stadt bereitet sich auf Anschläge vor

Nach der Niederlage Russlands in der Region Charkiw bereitet sich die südrussische Region Belgorod laut einem Bericht auf mögliche Anschläge vor. So habe der Gouverneur der Region, Wjatscheslaw Gladkow, angeordnet, dass lokale Behörden ihre Bombenschutzräume überprüfen lassen. Außerdem wurden die Schulen in Grenznähe vorübergehend beschlossen, wie Andrew Roth, Korrespondent des "Guardian", aus Belgorod berichtet.

Die Luftabwehr sei mehrmals am Tag zu hören, es seien viele Soldaten vor Ort und Freiwillige errichteten Barrikaden im Wald südlich der Stadt. Es gebe aber keine Anzeichen, dass die Ukraine die Grenzen überschreiten wird. Und auch, wenn es die meisten Menschen in Belgorod für "unwahrscheinlich" halten, dass der Konflikt übergreift, fürchten es viele, wie Roth weiter schreibt. "Die Menschen hier verstehen jetzt, dass der Krieg nicht gut läuft."

Ukraine schließt Verhandlungen derzeit aus

Kiew schließt Verhandlungen und ein Treffen von Russlands Präsident Wladimir Putin und dem ukrainischen Staatschef Wolodymyr Selenskyj zum jetzigen Zeitpunkt aus. "Kurz gesagt, der Verhandlungsprozess an sich und ein persönliches Treffen der Präsidenten ergeben derzeit keinen Sinn", sagte der externe Berater des ukrainischen Präsidentenbürochefs, Mychajlo Podoljak, ukrainischen Medien zufolge. Podoljak nannte dafür drei Gründe: Erstens werde Russland dabei versuchen, Geländegewinne festzuhalten und zu legitimieren. Zweitens diene das Festhalten des Status quo Russland nur als Atempause, um dann die Angriffe auf der neuen Linie fortsetzen zu können. Und drittens müsse Russland für die auf ukrainischem Terrain begangenen Verbrechen zur Rechenschaft gezogen werden. Russland seinerseits ist bisher von seinen Forderungen nicht abgerückt. Dazu zählen die Abtretung der Gebiete Donezk und Luhansk, die Anerkennung der Krim als russisch, der blockfreie Status für die Ukraine und die "Entmilitarisierung" und "Entnazifizierung" des Landes.

Debatte um Panzerlieferungen geht weiter

Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, mahnt die Regierung weiter zu Lieferungen von Schützen- und Kampfpanzern an die Ukraine. "Wer immer wieder anführt, dass deutsche Panzer in der Ukraine nichts zu suchen haben, verkennt die Tatsache, dass es völlig unerheblich ist, wer den Panzer entworfen und in welchem Land er gebaut worden ist. Entscheidend ist allein, wer den Panzer führt. Und das sind ausschließlich ukrainische Soldaten", schreibt die FDP-Politikerin in einem Gastbeitrag für die Düsseldorfer "Rheinische Post". Um den Krieg zu gewinnen, so Strack-Zimmermann, "müssen die Angriffe auf russische Stellungen stärker werden".

Ähnlich äußerte sich auch der Vorsitzende der Europäischen Volkspartei, Manfred Weber. Er forderte nach der Entdeckung weiterer Massengräber in der Ukraine härter gegen Russland vorzugehen. "Russland entfernt sich immer mehr aus der wertegebundenen Weltgemeinschaft", sagte der stellvertretende CSU-Vorsitzende den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Wir müssen die Sanktionen jetzt entschlossen umsetzen. Zudem müssten endlich Kampfpanzer geliefert werden, gerne im europäischen Verbund", so Weber. Der EVP-Chef macht zudem deutlich, dass er die Verfolgung der Gräueltaten in der Ukraine als europäische Aufgabe sieht.

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Quelle: ntv.de, mli/dpa/AFP

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