Hofreiter: Forderung ist falsch Stoltenberg: NATO liefert keine Streumunition
20.02.2023, 13:37 Uhr (aktualisiert)
Streumunition ist international geächtet - und wird immer wieder in Konflikten eingesetzt.
(Foto: picture alliance / dpa)
Die Ukraine fordert die Lieferung von international geächteter Streumunition sowie von umstrittenen Phosphor-Brandwaffen. NATO und deutsche Politiker lehnen dies ab. Die EU-Kommission sieht eher die Lieferung von Standardmunition als Aufgabe für die Mitglieder.
Die Forderung der Ukraine nach Streumunition und Phosphorbomben stößt bei der NATO und in der deutschen Politik auf Ablehnung. Die Waffen sind international äußerst umstritten und teils sogar geächtet. "Die NATO hat diese Art von Waffen weder empfohlen noch geliefert", sagte Generalsekretär Jens Stoltenberg auf der Münchener Sicherheitskonferenz zu RTL/ntv. "Wir liefern Artillerie und andere Arten von Waffen, aber keine Streubomben." Außenministerin Annalena Baerbock verwies auf die Grundsätze des internationalen Rechts. Grünen-Politiker Anton Hofreiter sagte, "die Ukraine fordert alles. Diese Forderung halte ich für falsch."
Auf die Frage, ob man hier ein Stoppschild setzen müsse, sagte Hofreiter bei RTL/ntv weiter: "Ja, selbstverständlich." Nur weil Kiew etwas fordere, müsse man es ja nicht umsetzen. Diese "in meinen Augen unkluge Forderung entsteht aus der Verzweiflung, weil das, was versprochen wird, nicht ausreichend umgesetzt wird - schönes Beispiel sind die Leopard 2". sagte der Vorsitzende des Europa-Ausschusses des Deutschen Bundestags.
Deutschland, Polen und Portugal haben der Ukraine Kampfpanzer vom Typ Leopard 2 zugesagt. Die Ankündigung von Bundeskanzler Olaf Scholz, Kiew mit Panzern für zwei Bataillone auszurüsten, ist derzeit aber nicht erfüllbar, weil zahlreiche andere Länder zwar vorher eine Lieferung befürwortet haben, sich nun aber zurückhalten.
Außenministerin Baerbock sagte auf die Frage nach diesen Waffen, die Ukraine verteidige ihre Freiheit und die europäische Friedensordnung "und dabei unterstützen wir sie". Sie fügte aber hinzu: "Uns leitet dabei eben unsere europäische Friedensordnung, uns leitet die Charta der Vereinten Nationen, uns leitet das humanitäre Völkerrecht." Verteidigungsminister Boris Pistorius sagte zu der Forderung, er sei darauf nicht angesprochen worden.
Linken-Chefin Janine Wissler erklärte, die Forderung müsse "scharf zurückgewiesen werden". "Wer solche Waffen liefert, kann niemals beanspruchen, damit das Völkerrecht zu verteidigen oder legitime Hilfe zur Landesverteidigung zu leisten", erklärte sie.
Der ukrainische Vizeregierungschef Olexander Kubrakow hatte auf der Münchner Sicherheitskonferenz Streumunition und Phosphor-Brandwaffen gefordert - der Einsatz beider Waffen ist sehr umstritten, Streumunition ist völkerrechtlich geächtet. "Es ist unser Staatsgebiet." Er verstehe die Schwierigkeiten wegen Konventionen, aber diese Art von Munition könne dazu beitragen, dass man den Angreifern standhalten könne.Wie Russland wolle auch sein Land diese "Art von Kampfmitteln" nutzen, sagte er. Der frühere Box-Weltmeister und Bruder des Kiewer Bürgermeisters, Wladimir Klitschko, sagte bei RTL/ntv, es gehe darum, "den Krieg zu stoppen, was auch immer das ist, welche Mittel auch immer das sind".
EU-Kommission: Helfen bei Standardmunition
Als Streumunition werden Raketen und Bomben bezeichnet, die in der Luft über dem Ziel bersten und viele kleine Sprengkörper freisetzen. Russland wird vorgeworfen, in der Ukraine auch Streumunition einzusetzen. Phosphormunition kann schwerste Verbrennungen und Vergiftungen verursachen.
Ablehnend reagierte auch EU-Kommissionschefin Ursula van der Leyen. Das sei kein Thema, für das die EU zuständig sei. Für die Gemeinschaft sei wichtig, "dass die Ukraine die Unterstützung kriegt, die sie in den letzten zwölf Monaten von uns auch bekommen hat". Dazu zählten Hilfen bei der Energieversorgung, finanzielle Hilfen sowie Unterstützung bei Unterbringung und Versorgung der inzwischen mehr als vier Millionen Flüchtlinge aus dem Land. "Natürlich stehen wir auch bereit, bei Standardmunition, die die Ukraine dringend braucht, einen europäischen Prozess zu initiieren." Das betreffe etwa Absprachen mit der Verteidigungsindustrie.
Deutschland und die meisten anderen europäischen Länder gehörten zu den rund 110 Unterzeichnerstaaten des Oslo-Übereinkommens, das den Einsatz und Transport, die Produktion und Lagerung von Streubomben untersagt. Russland und die Ukraine, aber auch die USA sowie mehrere EU-Staaten und Länder des westlichen Balkan haben das Abkommen bisher nicht ratifiziert.
(Dieser Artikel wurde am Samstag, 18. Februar 2023 erstmals veröffentlicht.)
Quelle: ntv.de, jwu/dpa/AFP