Die Kriegsnacht im Überblick Ukraine meldet Beschuss von Saporischschja - Russland richtet Seepassage aus Mariupol ein
25.05.2022, 07:01 UhrRusslands Großoffensive im Donbass bereitet der Ukraine massive Probleme. Nach tagelangem Beschuss ist Luhansk nahezu vollständig in russischer Hand. Doch auch aus dem Süden des Landes werden neue Angriffe gemeldet - Raketen sollen die Großstadt Saporischschja getroffen haben. Derweil will Moskau heute einen entminten Seeweg aus Mariupol in Richtung Schwarzes Meer eröffnen. Und Gerhard Schröder stellt klar, dass er nicht in den Aufsichtsrat von Gazprom wechselt.
Ukraine: Raketenangriff auf Saporischschja
Die Großstadt Saporischschja im Osten der Ukraine ist nach Behördenangaben von mehreren Raketen getroffen worden. "Heute, am 25. Mai, um 5:13 Uhr haben die russischen Streitkräfte vier ballistische Raketen auf Saporischschja abgefeuert", teilte die Gebietsverwaltung auf ihrem Telegram-Kanal mit. Eine der Raketen sei von der Luftabwehr abgefangen worden. Die Rettungskräfte seien vor Ort, um sich ein Bild von der Lage, den Schäden und möglichen Opfern des Angriffs zu machen.
Russische Armee rückt im Donbass vor
Mit massiven Artillerie- und Luftangriffen haben russische Truppen in den vergangenen Tagen die ukrainischen Verteidiger aus mehreren Ortschaften im Osten des Landes vertrieben, die ukrainische Front gerät ins Wanken. Für Moskau ist die vollständige Eroberung der ukrainischen Verwaltungsgebiete Donezk und Luhansk wichtiges Kriegsziel. In Luhansk ist dieses Ziel nahezu erreicht. "In diesen Angriff wirft die russische Armee alle Kräfte, die sie noch hat", sagte Selenskyj in seiner Videoansprache von Dienstagabend. Er zählte die Städte Lyman, Popasna, Sjewjerodonezk und Slowjansk auf. "Die Besatzer wollen dort alles zerstören." Es werde großer Anstrengungen des ukrainischen Volkes bedürfen, um die russische Überlegenheit an Rüstung und Technik zu überwinden. Allein im Gebiet Donezk wurden nach Angaben der Verwaltung binnen 24 Stunden 15 Zivilisten getötet. Selenskyj erneuerte die Bitte um schwere Waffen wie Raketenartillerie, Panzer oder Anti-Schiffs-Raketen. "Das ist die beste Investition in den Erhalt von Stabilität in der Welt", sagte er.
Zwei Großstädte im Visier
Auch das ukrainische Verteidigungsministerium sprach von einer schwierigen Lage im Kohle- und Stahlrevier Donbass. Offenbar wolle die russische Armee ukrainische Einheiten in den Großstädten Sjewjerodonezk und Lyssytschansk einkesseln, sagte Sprecher Olexander Motusjanyk. Beide Städte hatten vor dem Krieg etwa 100.000 Einwohner. Die Versorgung der ukrainischen Verteidiger dort läuft über eine einzige Straße. Diese sei mittlerweile unter Beschuss durch russische Artillerie und Granatwerfer geraten, schrieb der Experte Nikolay Mitrokhin in der Zeitschrift "Osteuropa".
US-Experten sehen russische Truppenbewegungen
Militärexperten des US-Kriegsforschungsinstituts Institute for the Study of War (ISW) berichten in ihrer jüngsten Ukraine-Analyse, dass das russische Militär im schwer umkämpften Gebiet Luhansk Kräfte aus verschiedenen Richtungen zusammenziehe. Die für eine Offensive nötigen Reserven würden aus den Gebieten um Charkiw, Isjum, Donezk und Saporischschja abgezogen. In der letzten Woche seien den russischen Truppen im Gebiet Luhansk mehr Geländegewinne als im gesamten Mai zuvor gelungen, erklärten die Analysten. In der Region kontrollieren die russischen Truppen und die mit ihnen verbündeten prorussischen Separatisten inzwischen 90 Prozent des Territoriums. Das ukrainische Militär hält den Ballungsraum zwischen den Städten Sjewjerodonezk und Lyssytschansk. Absicht Moskaus sei es wohl, gleichzeitig mehrere kleine ukrainische Verbände in dem Raum einzukesseln, heißt es in der ISW-Analyse. Ein "großer Druchbruch" sei den Russen allerdings bislang trotz der Fortschritte noch nicht gelungen.
Russland kündigt sichere Seepassage aus Mariupol an
Russland will nach Militärangaben ab heute eine sichere Seepassage aus der eroberten ukrainischen Hafenstadt Mariupol durch das Asowsche Meer einrichten. Die von Minen geräumte Strecke Richtung Schwarzes Meer sei 115 Seemeilen (213 Kilometer) lang und 2 Seemeilen breit und ab 8.00 Uhr Ortszeit (7.00 MESZ) befahrbar. Zugleich werde die beschädigte Hafeninfrastruktur von Mariupol instandgesetzt. Die letzten ukrainischen Verteidiger der Stadt hatten Ende vergangener Woche die Waffen gestreckt, Mariupol selbst ist weitgehend zerstört. In den von der Ukraine kontrollierten Häfen an der Schwarzmeer-Küste sitzen nach russischen Angaben noch etwa 70 ausländische Schiffe aus 16 Ländern fest.
Schröder geht nicht in Gazprom-Aufsichtsrat
Gazprom hatte Schröder Anfang Februar - kurz vor dem Angriff auf die Ukraine - für einen Posten im Aufsichtsrat nominiert. In einem Interview der "New York Times" vom April ließ der ehemalige SPD-Chef noch offen, ob er die Nominierung annehmen werde. Nun erklärte er, den Posten schon vor Längerem abgelehnt zu haben. Wegen seiner Verbindungen nach Russland stand Schröder in den vergangenen Monaten massiv in der Kritik. Der Altkanzler pflegt eine Freundschaft zu Kremlchef Wladimir Putin und hatte über die Jahre verschiedene Posten in der russischen Energiewirtschaft: einen Sitz im Aufsichtsrat des Ölkonzerns Rosneft sowie Tätigkeiten für die Gazprom-Töchter Nord Stream und Nord Stream 2. Am vergangenen Freitag hatte Rosneft bekannt gemacht, dass Schröder den Aufsichtsratsposten niederlegt.
Das bringt der Tag
- Die EU-Kommission stellt heute einen Vorschlag vor, wie russisches Vermögen beschlagnahmt und für den Wiederaufbau der Ukraine genutzt werden könnte. Außerdem wird ein Vorschlag erwartet, das Umgehen von Sanktionen in der EU unter Strafe zu stellen.
- Beim Weltwirtschaftsforum in Davos in der Schweiz wird heute der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba erwartet.
- Die Außenminister der Mitglieder des Ostseerates beraten am zweiten und letzten Tag ihres Treffens in Kristiansand in Norwegen über die Sicherheit im Norden Europas.
- Finnland und Schweden entsenden Delegationen zu Verhandlungen in die Türkei. Ankara hat ein Veto gegen den Beitritt der nordischen Länder zur NATO angekündigt.
Quelle: ntv.de, mdi/dpa