Felix Klein im "ntv Frühstart" Umgang mit Attila Hildmann "zu nachsichtig"
24.07.2020, 07:44 Uhr
Der Antisemitismus nimmt laut Verfassungsschutz zu. Was tun dagegen? Der Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung plädiert nicht nur für Zivilcourage und Anstand. Im "ntv Frühstart" fordert Felix Klein auch mehr staatliche Repression - ebenso im Umgang mit Aktivist Hildmann.
War Stephan B., der Attentäter von Halle, wirklich ein Einzeltäter? Oder handelt, wer sich im Internet radikalisiert, nicht doch aus einem organisierten Zusammenhang heraus? Im Kampf gegen Hass im Internet hat der Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, für eine stärkere Verfolgung plädiert und einmal mehr auf das Gesetz zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Hasskriminalität im Internet verwiesen.
"Umfragen und erste Pilotversuche haben gezeigt, dass dieses Milieu, das Hass und Hetze im Internet verbreitet, zurückweicht, wenn es Gegendruck bekommt", sagte Klein in der Sendung "ntv Frühstart". Das Gesetz sei ein gutes Instrument. Wenn auch mal der Polizeiwagen vor der Tür stünde, die Nachbarschaft aufmerksam werde, könne man Erfolge im Kampf gegen Antisemitismus erzielen. "Das ist der richtige Weg, um hier weiterzugehen."
"Problem stärker an der Wurzel angehen"
Trotzdem rechnet Klein mit weiteren Demonstrationen gegen Corona-Auflagen und den dort auftretenden Verschwörungstheoretikern. "Heute ist es Corona. Morgen wird es ein anderes Übel sein, wofür dann wieder die Juden respektive Israel verantwortlich gemacht werden." Für Klein ist das wie alter Wein in neuen Schläuchen.
Daher fordert er: "Wir müssen das Problem stärker an der Wurzel angehen. Nicht nur über Prävention, sondern auch wieder über Repression. Wir müssen das einfach auch verbieten und mit Mitteln des Strafrechts vorgehen."
Mit Blick auf die erst vor wenigen Tagen aufgenommenen Ermittlungen gegen den Vegan-Koch Attila Hildmann sagt Klein: "Hier war man zu nachsichtig."
Präventionsarbeit an Schulen
Klein hält Schulen für ein "Hauptbetätigungsfeld" in der Präventionsarbeit. "Wir müssen die Lehrerinnen und Lehrer in Deutschland fit machen, dass sie im Umgang mit Antisemitismus die richtigen Hebel haben", sagte er im "ntv Frühstart".
Zudem sollten antisemitische Zwischenfälle dokumentiert werden. "Es ist wichtig, dass wir eine Meldepflicht bekommen für antisemitische Vorfälle in den Schulen." Zum weiteren Umgang mit solchen Vorkommnissen sagt Klein, "dass dann so ein Vorgang nicht reduziert wird auf Täter und Opfer, sondern dass die gesamte Schulgemeinschaft sich darum kümmert."
Außerdem rät der Antisemitismus-Beauftragte zu Visiten von historischen Stätten der NS-Herrschaft. "Als Maßnahme halte ich es für richtig, dass wir verstärkt Besuche in KZ-Gedenkstätten anbieten." Von einem Zwang zu solchen Exkursionen halte er nichts. Das müsse vielmehr gut vorbereitet werden. "Da haben die Gedenkstätten sehr gute Konzepte entwickelt und das muss man weiter fördern", so Klein.
Anlass zur Freude: Jüdisches Leben im Aufschwung
Felix Klein ist in seiner Funktion als Antisemitismus-Bekämpfer in erster Linie Beauftragter für jüdisches Leben in Deutschland. Da gebe es großartige Dinge zu berichten. Jüdisches Leben sei im Aufschwung begriffen. "Wir eröffnen Synagogen im Zweimonatstakt. Juden kommen gerne nach Deutschland, um hier zu leben." Und diese kämen nicht nur aus Israel.
Nächstes Jahr feiert die jüdische Community ein größeres Jubiläum, nämlich 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland. Viele Veranstaltungen sind geplant. Klein bilanziert: "Es gibt auch Anlass zur Freude und das ist gut so."
Quelle: ntv.de, ako/shu