Besuch auf dem Parteitag Und Ursula von der Leyen ist trotzdem Außenseiterin in der CDU


Von der Leyen, Merz. Der Parteichef zeigte sich besonders freundlich gegenüber von der Leyen.
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Vor der Europawahl am 9. Juni versucht die CDU, ihre Spitzenkandidatin Ursula von der Leyen zu stärken. Bislang findet sie kaum statt, auf Plakaten wird sie nicht gezeigt. Das ist durchaus symptomatisch für das Verhältnis der Partei zu ihrer Kommissionspräsidentin.
Wenn es eine Botschaft vom dreitägigen Parteitag der CDU gibt, dann die: Die Partei hat sich wiedergefunden und ist mit sich und ihrer Führung im Reinen. Das zeigen die guten Wahlergebnisse für Friedrich Merz und Carsten Linnemann, aber das ist auch auf den Gängen des Berliner Kongresszentrums zu spüren. Die Stimmung ist nach dem Beschluss eines neuen Grundsatzprogramms gut, am Dienstag wurde es spät in dem riesigen Gebäude mit angeschlossenem Hotel, sehr spät. Das neue Grundsatzprogramm steht und die Wahlniederlage von 2021 ist im Rückspiegel. Jetzt wird nach vorne geschaut und Zuversicht beschworen.
Und dann ist da noch Ursula von der Leyen. An diesem Mittwoch hält die EU-Kommissionspräsidentin eine Rede, denn am 9. Juni wird ein neues Europaparlament gewählt. Doch der Empfang ist eher kühl, der Applaus nur höflich. Das wird besonders deutlich, als Parteichef Merz nach ihrer Rede noch einmal ans Rednerpult geht und ihr dankt. Mit ein paar Worten bringt er den Saal plötzlich in Wallung, entfacht in wenigen Augenblicken mehr Stimmung als es bei von der Leyen in den 30 Minuten davor gab.
Dass die Herzen ihr nicht gerade zufliegen, ist nichts Neues. Als sie 2018 das letzte Mal als stellvertretende CDU-Vorsitzende kandidierte, stimmten nur noch gut 57 Prozent für sie. Schon in den Jahren davor waren die Ergebnisse kaum besser. Auch heute scheint die Partei nicht richtig stolz auf ihre Kommissionspräsidentin zu sein. Auf den bisherigen Plakaten zur Europawahl sind viele Slogans zu lesen, aber von der Leyen ist nicht zu sehen. Das ist typisch für das Verhältnis der Union zu ihrer Spitzenkandidatin. Das könnte man bestenfalls als freundlich-distanziert bezeichnen. Obwohl sie die ranghöchste CDU-Politikerin ist.
Eine "verkappte Grüne"?
Das hat mehrere Gründe. Der jüngste ist ihre Amtsführung in Brüssel - den "Green Deal" machte von der Leyen als Kommissionspräsidentin zu ihrem Kernprojekt. Dabei handelt es sich um ein gewaltiges Subventionsprogramm für mehr Klimaschutz. Das brachte ihr den Vorwurf ein, eigentlich eine verkappte Grüne zu sein. Zugleich mehren sich in Deutschland die Klagen von Unternehmen über eine wachsende Bürokratielast. Viel davon kommt aber von der EU.
Die FDP stellt das sogar in den Mittelpunkt ihres Europawahlkampfes. FDP-Justizminister Marco Buschmann behauptet, er könne gar nicht so viel Bürokratie abschaffen, wie aus Brüssel nachkomme. FDP-Chef Christian Lindner sagt, der Bürokratismus trage den Vornamen "Ursula" und Spitzenkandidatin Marie-Agnes Strack-Zimmermann sagt: "Wir brauchen weniger von der Leyen und mehr von der Freiheit." Man darf davon ausgehen, dass zumindest der Wirtschaftsflügel der CDU sich den Applaus bei solchen Sprüchen verkneifen muss.
Und, aus Sicht einiger in der CDU noch schlimmer: Ursula von der Leyen ist auch die wichtigste noch aktive Politikerin aus der Ära Angela Merkels. 14 der 16 Jahre ihrer Kanzlerschaft war die Niedersächsin im Kabinett, als Ministerin für Familie, Arbeit und Soziales und schließlich Verteidigung. Damals stand sie für einen Kurs, der heute als "Sozialdemokratisierung der CDU" beschrieben wird. Genau die machen viele für die inhaltliche Leere verantwortlich, die nicht wenige CDUler in den vergangenen Jahren spürten. Genau dieser Hunger auf Inhalte führte ja zum Wunsch nach einem neuen Grundsatzprogramm, das auf diesem Parteitag beschlossen wurde.
Eigentlich schreit alles an ihr "CDU"
Dass Ursula von der Leyen in den vergangenen Jahren mehr und mehr wie ein Fremdkörper wirkte, ist durchaus kurios. Denn eigentlich schreit alles an ihrer Biografie "CDU". Ihr Vater war der niedersächsische Ministerpräsident Ernst Albrecht, sie ist leidenschaftliche Europäerin und taugt als berufstätige Mutter mit fast einzigartiger Karriere zu einem Role Model für ihre Partei.
Mit Friedrich Merz und Carsten Linnemann tritt die CDU an der Spitze wieder männlicher und westdeutscher auf - und konservativer, wirtschaftsfreundlicher. Klimaschutz? Ein Thema von vielen. Doch dieser Parteitag steht für alle Beteiligten im Zeichen der Geschlossenheit. Merz ist extra freundlich zu von der Leyen und die dankt es in ihrer Rede, indem sie hart gegen die AfD austeilt und Bürokratie-Abbau verspricht. 25 Prozent der Berichtspflichten an die EU sollen für Unternehmen wegfallen.
Kein Land profitiere so vom Binnenmarkt wie Deutschland. Die CDU werde in Europa nur mit Parteien zusammenarbeiten, die drei Bedingungen erfüllten: Klare Bekenntnisse zur Rechtstaatlichkeit, zur Ukraine und gegen Russland sowie zu Europa seien erforderlich. Sie verspricht außerdem einen Kampf gegen die Schlepper und Schleuser. Dabei lässt sie aber die Pläne aus dem Grundsatzprogramm unerwähnt. Die CDU will, so hat sie es beschlossen, das individuelle Asylrecht zugunsten einer Kontingentlösung abschaffen.
Die CDU und ihre Parteienfamilie auf europäischer Ebene, die Europäische Volkspartei, sind für die Wahl in vier Wochen Favorit. Es ist typisch für die CDU, dass sie im Wahlkampf zusammenrückt. Und es zeigt, wie pragmatisch Merz sein kann, wenn es drauf ankommt. In den nächsten Wochen soll es sogar Plakate mit von der Leyen geben.
Quelle: ntv.de