Christina Stumpp im Interview "Unter Merz ist die CDU weiblicher geworden"
08.05.2024, 13:13 Uhr Artikel anhören
Beim CDU-Parteitag wird Christina Stumpp wieder ins Amt der stellvertretenden Generalsekretärin der Partei gewählt. CDU-Bundesvorsitzender Friedrich Merz gratuliert mit Blumen.
(Foto: picture alliance/dpa)
Bundestagsabgeordnete, stellvertretende Generalsekretärin und zweifache Mutter: Christina Stumpp fühlt sich als Frau in der noch immer von Männern dominierten CDU "pudelwohl". Zum Parteitag in Berlin hat sie ihre kleine Tochter mitgebracht. Als Quotenfrau sieht sich die 36-Jährige "definitiv nicht".
ntv.de: Wie fühlen Sie sich als Frau in der CDU?
Christina Stumpp: Ich fühle mich pudelwohl. Die CDU ist meine Partei.
Sie sind eine junge Mutter in einem wichtigen Amt in der CDU. So viele Frauen gibt es in Ihrer Partei ja gar nicht. Fühlen Sie sich manchmal einsam?
Nein, ganz und gar nicht. Auch stimmt es nicht, dass wir nicht viele Frauen in unserer Partei haben. Wir haben ein großartiges Team in der Union. Was ich allerdings gerne mehr sehen würde, sind junge Mütter. Dafür versuche ich in meiner Funktion als stellvertretende Generalsekretärin, die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen und auch selbst mit gutem Beispiel voranzugehen. Meine vier Monate alte Tochter ist beispielsweise gerade immer mit dabei, soweit es geht, auch hier auf dem CDU-Parteitag. Das klappt, vor allem dank der Unterstützung von Familie und Babysitterin, bisher ziemlich gut.
Erstmals hat die CDU mit Ihnen eine stellvertretende Generalsekretärin. Ist das ein Trostpflaster, weil der eigentliche Generalsekretär ein Mann ist? Sind sie eine Quotenfrau?
Definitiv nicht. Gemeinsam haben wir uns damals, auch nach reiflicher Überlegung, auf diese Aufstellung geeinigt - und ich bin sehr zufrieden mit meiner Rolle. Insbesondere auch, weil ich als Leiterin des Kommunalbüros nah an der Basis bin und hier viel für unsere CDU bewegen kann. Und das ist wichtig, denn wir haben dieses Jahr neun Kommunalwahlen, etwa in Thüringen, Sachsen, Rheinland-Pfalz, dem Saarland oder Baden-Württemberg. Da geht es mir darum, dass wir die Bürgerinnen und Bürger von unserer Politik überzeugen. Die CDU muss die Rathäuser wieder für sich erobern, damit wir in der Fläche stark werden. Die Kommunalpolitik ist das Fundament für eine erfolgreiche Landes- und Bundespolitik. Das ist mein Hauptjob. Deswegen habe ich genug zu tun und langweile mich bisher keinen einzigen Tag.
Ein Grund, warum Frauen sich nicht in der Kommunalpolitik engagieren, sind lange Abendveranstaltungen und Sitzungen am Wochenende. Tut sich da was?
Wir haben auf dem letzten Bundesparteitag in Hannover beschlossen, dass Mitglieder in Kreisvorständen, in Bezirks- und Landesverbänden der CDU ein Jahr Eltern- oder Pflegezeit nehmen können. Zudem setzen wir auf familienfreundlichere Beginn- und Endzeiten von Sitzungen. Im Jahr 2024 ist beispielsweise Kinderbetreuung nicht nur eine Aufgabe der Mütter, sondern auch der Väter. Wir als CDU stehen für das Wahlrecht. Jede Familie soll selbst entscheiden, welche Betreuungsmöglichkeit die Beste ist. Mein Mann ist seit 20 Jahren Mitglied im Gemeinderat. Er freut sich, wenn die Sitzungen pünktlich zu Ende sind, damit er unsere Kinder noch ins Bett bringen kann. In vielen Gesprächen mit Familien stelle ich fest, dass es den Wunsch und das Bedürfnis nach mehr Familienfreundlichkeit in Deutschland gibt. Auch wenn sich schon einiges gebessert hat, hinkt hier das politische Geschäft aber immer noch hinterher. Gerade Eltern, die im Ehrenamt und in der Kommunalpolitik tätig sind, haben es auf kommunaler Ebene nicht leicht.
Inwiefern?
Seit Corona wurden vermehrt digitale Formate eingeführt. Deshalb denken wir beispielsweise gerade über die Initiierung digitaler Gemeinderatssitzungen nach. Das Hauptproblem sind jedoch die langen Abendsitzungen, die teilweise bis 24 Uhr gehen können. Dafür brauchen Eltern, die ehrenamtlich im Gemeinderat tätig sind, immer einen Babysitter. Ich als junge Mutter kann gut nachvollziehen, wie schwierig das manchmal sein kann.
Wir sprechen gerade auf dem Parteitag der CDU. Eine Delegierte sagte, ausgerechnet Merz habe die CDU frauenfreundlicher gemacht. Wirklich?
Definitiv. Wir als CDU sind unter Friedrich Merz deutlich jünger, moderner und weiblicher geworden, nicht nur im Präsidium und Bundesvorstand, sondern auch programmatisch mit unserem neuen Grundsatzprogramm.
Der Frauenanteil im Präsidium liegt bei fast 47 Prozent und im Bundesvorstand bei fast 44 Prozent. Ist das schon eine Folge der Frauenquote?
Christina Stumpp tritt 2001 in Jungen Union ein. Seit 2003 ist sie Mitglied der CDU. 2021 wurde sie für die Union im Wahlkreis Waiblingen in den Bundestag gewählt. Seit 2022 ist Stumpp die erste stellvertretenden Generalsekretärin der CDU. Auf dem Parteitag der CDU Anfang Mai wurde sie wiedergewählt. Die 36-Jährige ist zweifache Mutter.
Der Anteil war im letzten Bundesvorstand und im letzten Präsidium fast identisch. Bislang lag das Quorum bei 30 Prozent, seit dem 1. Januar 2024 liegt es bei 40 Prozent und ab dem 1. Januar 2025 bei 50 Prozent. Auch wenn die Quote ein gutes Instrument ist, darf sie aber nicht dazu führen, dass Frauen als "Quotenfrauen" degradiert werden. Viel mehr muss es darum gehen, die kompetenten und motivierten Frauen in unserer Partei aus der zweiten Reihe hervorzuholen und in verantwortungsvolle Positionen zu bringen, in denen sie ihre Stärken voll ausspielen können.
Der Frauenanteil unter den CDU-Abgeordneten liegt bei 26 Prozent - und hat sich somit in über zwei Jahrzehnten kaum verändert. Wie wollen Sie das verändern?
Wir sollten uns erst einmal anschauen, weshalb der Frauenanteil etwas niedriger ist. Bei SPD und Grünen sind die meisten Abgeordneten über die Liste Mitglied im Deutschen Bundestag geworden. Bei der CDU ist der größte Anteil direkt gewählt worden und hierzu ist es erforderlich, im Wahlkreis nominiert zu werden. Und gerade hier müssen die Frauen den Mut haben, anzutreten, auch wenn das Bewerberfeld nur aus Männern besteht. Der Mut fehlt leider oft. Das kenne ich auch aus eigener Erfahrung. Bei der parteiinternen Nominierung in meinem Wahlkreis habe ich mich mit Erfolg im ersten Wahlgang mit 64 Prozent gegen zwei Herren durchgesetzt. Heute arbeite ich beispielsweise mit dem neu gegründeten Netzwerk Women@CDU für mehr Frauen in der Kommunalpolitik. Dieses unterstützt Frauen auf kommunaler Ebene dabei, sich besser zu vernetzen und auszutauschen. Auch geben wir durch Veranstaltungen inhaltlichen Input und ermutigen sie letztlich, sich kommunalpolitisch, landes- oder bundespolitisch einzubringen und zu engagieren.
Im neuen Grundsatzprogramm steht: "Wir arbeiten für ein Land, in dem die Gleichberechtigung der Geschlechter und die tatsächliche Gleichstellung von Mann und Frau verwirklicht ist." Empfinden Sie sich denn als Frau in Deutschland gleichberechtigt?
Ich fühle mich als Frau grundsätzlich gleichberechtigt. Aber es ist kein Geheimnis, dass es immer noch Bereiche gibt, in denen es keine Gleichberechtigung gibt - beispielsweise wenn wir an die Gender-Pay-Gap in manchen Berufen denken. Das ist für mich im Jahr 2024 nicht nachvollziehbar.
Was wollen Sie dafür tun, dass Beruf und Familie auch für andere Frauen vereinbar werden?
Ich will, dass wir das Problem an der Wurzel packen. Deshalb mache ich mich sowohl in der Partei als auch im Deutschen Bundestag für verlässliche und bessere Kinderbetreuungsmöglichkeiten stark, um eine flexiblere Wochenarbeitszeit zu schaffen, und für ein offenes, familienfreundliches Arbeitsumfeld einzustehen. Wenn uns das gelingen würde, dann hätten wir eine Menge erreicht.
Werden Sie oft gefragt, wie viele andere Frauen, wie Sie Amt und Kinder vereinbaren?
Während des Bundestagswahlkampfes war mein Sohn gerade ein Jahr alt. Damals habe ich mit einem Bundestagskollegen, der auch ein kleines Kind zu Hause hatte, gesprochen, der noch nie mit so einer Frage konfrontiert wurde. Daran erkennt man, dass wir etwas ändern müssen. Ich würde mir wünschen, dass es in Deutschland selbstverständlich wird, Beruf und Kinder in unterschiedlichen Konstellationen unter einen Hut zu bekommen. Als stellvertretende Generalsekretärin einer modernen Volkspartei möchte ich mich dafür einsetzen.
Wir hatten 16 Jahre eine CDU-Bundeskanzlerin. Hat das am Ende gar nichts für Frauen in der Union gebracht?
Als die erste Kanzlerin in der Geschichte der CDU Deutschlands ist Angela Merkel für mich ein großes Vorbild. Sie hat viel für Frauen in der Partei vorangebracht. Auch Ursula von der Leyen hat als Familienministerin viel bewegt, insbesondere mit der Einführung des Elterngeldes oder der Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Mütter in der Zeit vor oder nach der Geburt. Wir als Union sind eine Familienpartei, das hat sie geprägt. Das gilt es fortzuführen. Wir sind auf einem guten Weg, aber noch nicht am Ziel.
Mit Christina Stumpp sprach Rebecca Wegmann
Quelle: ntv.de